L'iniziazione

Text

von  Akzidenz

Sie werden verstehen, ohne ein sehr einfallsarmes Resümee über die ersten, mittleren oder wichtigeren Jahre zu verlieren, welchen wir mehr als gemeiniglich mit hochgeschätzter Brevität zusehen, es könne uns in ein bis fünf Sätzen gut verlieblichen, begradigen- oder verdeutschen, wozu der Mitmensch, der Ihnen schreibt, ein Äon der Welt vebraucht hat, möchte Ich denn umsichtig beginnen; dass Ich mir keine von den großsprecherischen Epitheta, den Schwelgereien, dem Schwergewicht der Tiefe anzubilden glaube, ist offensichtlich eine Makulatur- und nicht weniger ein Widerspiel jenes selbstischen Gewichtes darin, wie viel denn Jemand auf sich hält, und dass es fremde Zeitgenossen wohl erheitern mag, davon zu hören. Aber Ich will nicht behaupten, sehr viel auf solcherlei zu halten - deswegen schreibe Ich Ihnen doch . .

Gleichwohl würde Ich denjenigen nennen, welcher Intimus, ein Freund für Alle ist, und dem die H ä n d i g k e i t des Übeltäters und des Herbergsvaters ineins scheint eingeboren zu sein. Mich kümmert nur ein Gran davon - Ich will zusehen, dass Ich zwei Menschen aus mir mache! Es gibt Menschen, denen wir unlängst abzumerken scheinen, ob sie jemals bei sich waren. Bei sich sein, wofern wir mimen, hinterbringen können - und einer langte niemals hin dafür. Ich sag Ihnen vor, worauf Ich fuße! Denn hohe Sitten stehen uns zu Gebote! Eine Wohlerzogenheit mitunter ist etwas, das sich für sein Gegenüber ziemt, und etwas, dessen wir entsagungsvoll die Nacht, wenn wir zu Schlafe treten, einsam auszudüstern scheinen, schon die Redensart zu viel für sich, und wie Ihnen beibringen könnte, was Ich ganz und gar nicht weltlich meine. Wie wirken wir doch unbeholfen ohne jede Sittlichkeit! Und vorwurfsvoll, mein Herr!
Wie Ich des Nachts vor wenigen Stunden ganz still, von der Selene bedauert, von den Liebesgöttern angehaucht, erklärte Ich mich großzügig, das Bisschen Scherz, die Buffonata zu ertragen, derer sie sich täglich anschicken, sie auf Leute ihres Alters anzuwenden. So sprach Ich denn die Sprüche aus, die tänglich Zungenmord und Haft begehen, zu Mond, und Wald und güldenen Bergen. Nichts! Gar nichts erhörte mich. Ich will sichergehen, dass Sie mir beistimmen werden, wie unmöglich der Versuch an die Gegenrede Gottes zu gelangen, für und wieder in den Sternen steht; und nur die stillsten Stunden Zeit dafür finden, Träumereien zu begehen. Wem zuwider handelt diese Sitte? Sie wissen doch wohl allzu gut, was Sie nie verbrochen haben! Als U n p e r s o n ? Die persona non grata? Der nicht-ganz-Mensch? Nicht ganz Mensch der Sittlichkeit? Ist es nicht das, wovor Sie warnen, was Sie wollen? Dass man hüten und betragen soll, wofern wir uns noch glaubhaft sind - nicht selbst Ihr Perikulum, das für- und an sich vorgesetzte? Wie „das Unkraut“, das man zu vernichten sich hat vorgesetzt? Das erfundene? So erfinden wr uns reichlich Dinge zwischen uns, als die Glast, die jäh am Himmel steht!

Man sieht Buhlschaften von hier aus Ihre N ä h e, Ihre deputatio, Ihre Redlichkeit am Volksmund an - gut und gerne könnte Ich sie verwechseln gehen und vom Katasterismus fernhalten: wie sie Menschen etwas andrehen wollten, und dass Sie mir ein Schritt näherkämen, wenn Sie warmherzig wirken möchten. In Wahrheit; Sie setzen einen Schritt zurück! Man sieht es in der Affektation; unser letztliches Begehren, das, wennwohl es uns nicht ganz mittelbar vor Augen liegt, das erstrebenswerteste zu sein scheint, ist das Geld, das uns das Leben kostet. Ich sagen Ihnen, es ist nichts davon in der Natur für etwas Schädliches bekannt geworden, wie etwas, das u n s  v o r t ä u s c h t, als nur ein Trugbild, nur der Mensch ist, wenn wir ehrlich sind. Woher Ihre Bekanntschaft also?

Vor Kurzem erst, da trat Ich in ein Gasthaus ein. Den Hausherren und Gastgebern konveniert es nicht, zu sagen, wie viel Leichtigkeit wir derer argwöhnen könnten, wie viel weniger eigentlich, es unwillkommen ist, die Lauterkeit, die Herzlichkeit, will meinen, die eigentliche Auszeichnung jeder Menschlichkeit zu hintersinnen, derer man sich schnell umgibt. Jeder Gastronom stimmt mir darin bei, wie groß das Unverhältnis zwischen dem Haushalt und der Gastschaft klafft, und dass man sie nicht in echt, nicht in Wirklichkeit zu Hause hat. Und was - Ich müsste schon Phrasendrescher sein wie Sie, um die Ombrage der Leser nicht zu feuern - ist die Wahrheit dieser Initiation über den Verfasser? Nicht eine Gefährlichkeit, die harte Ohren hat angezogen? So denn, als Ich mich anbequemte, dem Symposion am nächsten Tische teilzuhaben, verwöhnte man mich mit der Sitte, mit gutem Trunk und alten Phraseolexemen, die sie Ihnen scheinen geraubt zu haben. Wessen Raubgut doch lag auf der Hand? Mein Geld, das Ich Ihnen nicht hätte zuerkannt, für all den Firlefanz, den sie verkaufen - mein tertium comparationis, würden die Marxisten sagen. Warum nicht? Ob sich der Kunst nicht nur die Quidditas, sondern auch Vielzahl, auch des Quantums annimmt? Ist man, wie Sie wohl werden glauben können, also mehr Künstler, viel zu künsteln? Ohne seine Armatur, etwas Künstliches darin? Mehr die Kunst als jeder Abgrund - der ihn freistellt? Die Bekanntschaft mit den instrūmenta? So ist der Künstler viel mehr Mensch als alles andere. K ü n s t l e r. Nicht nur die begabtesten, sondern auch die bewusstlosesten Artisten, haben ihre Künste schon oft damit petrifizieren [v e r s t e i n e r n] müssen, dass sie sie kalkülisierten und für irgendeinen Pappenstiel in sonst ein erdenkliches Couleur und schweren Aufhang zwängen mussten. Nicht unähnlich habe Ich es in der Musik zu trennen verstanden. Reihum hörte Ich unzählige plebejische Versuche an der Musik, die die Gedanken so erlahmen können. Und was gäbe Ich mich wichtig, würde Ich es nicht so meinen. Was wäre Ich doch gastlich. Welche Quisquilie haben Sie mir denn da verkauft? Schon fehlt es derer nicht an Tiefe, etwas zu b e d e u t e n, was viel meint mit keinem Worte, keinem Bildnis oder Abdruck sehr arkaner Partituren. Schätzen Sie sich an mir eines oniomanischen Hundes? Denn wenn Ich müsste, sagte Ich dies: dass Ich ein schwerblütiges Hündchen bin! Man muss begreifen wie das Melos; eine Melodie, ein Wort kann uns ebenso ins Herz eindringen, wie ein etwaiges Gemälde, das uns nur kraft seines Kolorits, seiner Imitationen und Simulakren, seiner Mimen für das Schöne aber, seiner Schatten, seiner Dämpfe, jenes Sujet incitieren möge, inmitten dessen wir uns dann umgeben, weil es abgebildet wurde, was wir uns darauf zu denken lieben. Denn in dem panegyrischen Laubwerk jenes Bildes sind wir nämlich ganz die weichen Felle jener Hirsche darunter, ganz zugetan und hochgelahrt, beinahe grenzenlos erschüttert davon. Wiewohl kann uns auch ein Logos sagen, es sei dasjenige dafür, in welchem wir ihm zugehören, angehörig sind. Denn dasjenige Fidential darin, das uns Hauch, Atem und Seele gibt, ist kein geringeres, als nur das eigene, das uns erkennt wie Gott.
Und so wollen wir denn „ehrlich sein“, ohne uns Angebote zu unterbreiten.

Stellen Sie sich vor, von meiner Droschke schrieb Ich Ihnen, Ich sah vergewaltigte Knaben aus dem Tannicht unweit von der Siegeheide huschen, und so schnell man auch vorbeigefahren wäre: man hätte ihre Liebhaber, ihre Kinäden nicht verkennen wollen. Denn hörten Sie nicht schon davon? Der pathozentrische Wirt schlug es mir in der Zeitung vor. Ich sage Ihnen das, weil Ich es kurz nach meiner Ankunft, als die Sterne sehr gut standen, und Ich meinen Platz bei den Krakeelern fand, sehr bald habe erfahren sollen. Wie enragierte sich das Gasthaus auch darüber wie über alles andere mit tollen oder ernsten Sprüchen!

Ich will Ihnen nicht, Sie, mein Ungeklärter, mein spiritus rector, mein allzu-„Sie“, wenn Sie verstehen - es sind die Bösen - alles Erdenkliche der Welt zum Vorwurf gemacht haben. Sie würden heiterer zu nehmen verstehen, was uns vergiftet. Sie würden mir die Truhe erklären, die in den Stollen Paramnese steckt. Sie würden mir den Hausherren verdeutschen! Sagen wir, Sie würden ihn mir konnotieren, seine Komplexion vermachen, vorstellen oder aufrühren können, welche Art Gastgeber Ich der Ihrigen geworden wäre. Und so stelle man sich vor, jener Hausherr träte an den Flügel, der da so lange Zeit im Redoute verstiebte - justament, könnte man sagen, dass Ihre  Festlichkeit im Tanzsaal bräche, und man wüsste, man hätte jetzt geduldig, geradezu noch Mensch sein müssen, sehr stille Dinge zu ertragen. Denn nach Auflebens der Heiterkeit, die Sie mit guter Lust fetieren konnten, käme Ihnen nicht ziemlich bei, einen Gran des feisten Fleischs zu kosten, das ganz im Gegensatz zu den Geschmäckern all Ihrer Connaisseure und der Liebhaber in jenen Räumen, die leichte Kost des Hauses - also die einzige Kost, die w i r (da) haben - mit dem tiefen Öl in mir zu salzen? Und dass es die Gastschaft derart wundernähme, wovon sie weniger gewiss als von Werten oder Wahrheit ist, sondern, dass sie kreß und gut und ächtlich werden, das gälte es noch zu erzählen. Nun stellen Sie sich auch die gute Absicht hinter der Handlung eines Herren vor, und wie sie groß und wunderlich zerbrochen, und dass er, wenn nicht Sparsamkeit, nicht mehr als Krampf empfunden habe. Und ist das, mein Guter, nicht Ihr Herz? Die Reverie, die sie nicht mahnen konnten, nicht notwendig eine grausame, weil sie nichts davon beziehen wollten, wofern Sie sie doch können schätzen, aber aus Usance verhielten? Dann steigt es ihnen, wiewohl sie nun kein Ketzer sind, doch hoffentlich zu Kopfe, und bereitet Ihnen, so hoffe Ich auch, etwas Anstand, als die Frage: „Wer sind Sie?“

Das ärgste Jugendrot, mein Freund, ist Deine wachsamste Art, zu dünken und zu rügen, wo es Dir unerlässlich bleibt, zu sprechen: Man soll sich Deiner Reichheit richten, und zu jedem Mal, wenn sich die Schwelle über Kenntnis und Natur erbricht, Dein Funken, Dein Liebeskummer, für alle Ästhesie entrichten. Wir führten uns zu der Vernunft, zu sagen, dass das schweigend bleibt und immer wohl Grund zu Behemmnis und Aporia war. Zuweilen gibst Du mir genügend Anlass, Dich zum Teufel zu schicken; Dein überspannter Kopf, der sich des fremden Freundes blitzt. Können wir, Gestirn aus tausend Nächten, nicht also dann zur Feindschaft gehen, wenn Melanippen uns umgarnet- oder die Damhirsche gestreichelt haben? Was luden wir uns einst in unsere tollen Wälder ein, auf die wir auch in Hinkunft hoffen, ohne doch zu fürchten: den Waldgeist, den Popanzen . .

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