Vorstellung

Innerer Monolog zum Thema Absurdes

von  blauefrau

Sehr geehrter Herr,

Sie legen besonderen Wert auf meine Einstellung, betonten Sie gestern in dem Vorstellungsgespräch. Einstellungshindernisse solle ich sofort benennen. Jede Änderung sei machbar.

Ich mache Sie daher umgehend auf folgende Punkte aufmerksam:

1. Es geht um die Sache, nicht um die Optik!

Dass ich einen furiosen Augenaufschlag hinlegte, liegt nicht daran, dass ich Ihnen zuzwinkern wollte. Ich neige vielmehr dazu, große Augen zu machen, wenn ich jemanden bei Unsicherheiten erwische, die dieser eigentlich nicht zeigen dürfte. Das Zittern meiner Wimpern wurde durch den Tremens ausgelöst, den  Ihre Worte in mir hervorriefen. Es entbehrt jeder erotischen Komponente, nein, nicht einmal angedacht war eine solche.

Sie waren ja hinterher immer noch ganz von den Socken.
Haben Sie sich wieder aufgestellt?

- Eine unverheiratete Frau mit Kind ist heute keine Besonderheit mehr, und ich weine auch nicht, weil ich nicht verheiratet bin. Ich denke eher darüber nach, wie eine Frau, z.B. Ihre, es mit Ihnen aushält, so gänzlich ohne gelungene Worte, mit Ihren zuckenden Nasenflügeln und Ihren knackenden Fingergelenken.

Warum himmeln Sie meinen Augenaufschlag an, wenn Sie doch so glücklich verheiratet sind? Werden Sie einheitlich!

Ich musste nach unserem Gespräch meine Wimpern ordnen und ruhigstellen, ein Umstand, der mich bedenklich stimmt und diese Stimmung auch bei Ihnen hervorrufen sollte.

2. Ich will kein eigenes Zimmer.
Dass Sie mir ein eigenes Arbeitszimmer mit eigenem Equipment zur Verfügung stellen wollen, hat  Ihr rundes Gesicht zum Leuchten gebracht. Ich selbst konnte diese Leuchtfunktion nicht anknipsen und Ihre nicht nachvollziehen.
Es gefällt mir nicht, dass ich ein eigenes Zimmer haben soll. Ich würde auch gerne außerhalb der Pausen mit meinen Kollegen reden, und das ist mir spontan dann nicht mehr möglich. Außerdem bin ich eher auch für Arbeitsteilung, dann lässt sich die Verantwortung aufteilen, und Sie können mir nichts nachweisen.
Ich will keine eigene Verantwortung, warum auch, es würde mir nur schaden.
Ich habe einen ganzheitlichen Ansatz und arbeite auch schon mal gern bei einer Tasse Tee. Bitte sorgen Sie für ein ausgeklügeltes Teesortiment, passende Kollegen und genug Gesprächsbedarf! Angemessen wäre zudem ein Raum mit einem Massage-Stuhl und einem Masseur, der stündlichen Anwendungen
nicht im Wege steht. Einen Ruheraum setze ich voraus. Interkontinentale Häppchen und kühle Erfrischungsgetränke sollten sich durchgehend  in Reichweite meines Schreibtisches befinden.

3.  Ich will keinen Fünf-Jahresvertrag
Sie stellten mir einen Fünf-Jahresvertrag nach einer kurzen Probezeit von sechs Wochen in Aussicht. Ich will keine langjährige Vertragsbindung.
Das würde gemäß Variante I bedeuten, dass ich die Stufen Ihrer Firma aufwärtsklimmend bewältigen soll. Ich habe inzwischen Rückenprobleme, meine Füße lahmen ein wenig, und mir geht auch schon mal die Puste aus. Ich will nicht aufsteigen, und einen Stepptanz will ich auch nicht hinlegen. Mein letzter Tanzkurs liegt schon Jahre zurück.

Die andere Variante, die Sie ansprachen, fünf Jahre mit den immer gleichen Kollegen am selben Arbeitsplatz unter wechselnden Anforderungen zu sitzen, führt bei mir a priori schon zu einer geistigen Erschlaffung, die es mir unmöglich macht, einen Ihrer Räume zu betreten. Überlassen Sie es mir, von Zeit zu Zeit die Kollegen zu kündigen. Ich bewerte Fluktuation positiv.

Bitte melden Sie sich erst wieder bei mir, wenn Sie ein passendes Lösungskonzept erarbeitet haben.


Mit freundlichen Grüßen                Graziella Umbri

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (25.09.11)
Das ist mal ne Absage. Von der anderen Seite! Huch!

Spitzfindige, gekonnte Satzgebilde. ♥
(Kommentar korrigiert am 25.09.2011)

 blauefrau meinte dazu am 25.09.11:
Danke für Deinen Kommentar.
Tatsächlich hatte ich vor Jahren mit Absagen zu tun.....
ManSiehtsMirNichtAn (19)
(03.10.11)
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 blauefrau antwortete darauf am 03.10.11:
Dank Dir, Simone.

 Kontrastspiegelung (12.02.12)
Grotesk, Kontrovers und Ausgeklügelt!

Dürfte ich wissen, wohin die Bewerbung ging? Nur damit ich weiss, wo ich mich als eine faule Socke nicht bewerben darf^^
Wobei es noch eine Bewerbung für Betrieben geben sollte, wo man weiss, das man nach Strich und Faden ohne Erfolgschancen ausgenutz wird. Arbeitsamt evtl.? ^^

Liebe Grüße, Konti
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