Das Cafe auf der San Andreas Spalte

Reportage

von  max.sternbauer

Es gibt da so ein Café in der Währinger Straße. Dort kann man vielen Rosas begegnen: Rosa Mayreder zum Beispiel. Oder Rosa Luxemburg. Ihre Konterfeis blicken in schwarz gehalten von den Plastikfächern auf den Tischen auf die Gäste. Das Café Rosa bezeichnet sich selbst als basisdemokratisch und egalitär, als Freiraum für Studierende. Ein bisschen so  wie das WUK, das sich auf derselben Straße etwas weiter oben befindet.

Genau genommen versteht es sich so: Antikapitalistisch, antinationalistisch, anti sexistisch, antifaschistisch. Und noch ein paar Antis mehr. Nachlesen kann man das in den Räumlichkeiten selbst und auf der Website des Café Rosa.

Und wie bei allen basisdemokratischen und egalitären Dingen - wie sie auch immer heißen und wofür sich sich einsetzen mögen - gibt es natürlich auch ein Plenum. Dort kann auch als Außenstehender Veranstaltungen anfragen und gratis die Räume buchen. Man geht einfach hin und fragt nach. 

So kommt es, dass im Café Babyparties veranstaltet werden. Etwas anderes plant eine feministische Gruppe. Diese will einen Themenabend über Pornografie aus emanzipatorischer Sicht abhalten. Und das Bier kostet hier nur 1,90 Euro.

Genau: 1,90. Euro. Keine Gulden, keine Kronen, oder Galleonen - wie bei Harry Potter - und weit weit weg vom Gold gepressten Barren Latinum der  Ferengi von Star Trek. Die Kellnerinnen verdienen mehr als woanders und es gibt keine Konsumpflicht. So ist es möglich, ein Buch auf dem Kopf balancierend und dazu in der Nase bohrend einen Teil seiner Nachtzeit hier totzuschlagen.

Ob das Café Rosa links ist?  Gute Frage! Das da oben beschriebene hört sich schon sehr links an. Eigentlich klingt das schon fast zu klischeehaft.

Das Café Rosa wird seit seiner Gründung von mehreren Seiten kritisiert: als zu teuer, zu "fragwürdig links" oder als "Grünen-Beisl". "Mit 400.000 Euro aus Studierendenbeiträgen richtet die GRAS/VSSTÖ-ÖH der Uni Wien ein "Studibeisl" ein. Ziel des dubiosen Lokals: Billige Getränke und linke Polit-Diskussionen", heißt es in einer Pressemeldung der ÖVP nahen Studentenvertretung AG.

Ob sich die 383.000 Euro, finanziert von der ÖH (Österreichische HochschülerInnenschaft) und vornehmlich von der Grünen Studentenvertretung GRAS unterstützt, wirklich ausgezahlt haben oder nicht, kann nur eine Fraktion den Gegnern und Unterstützern zeigen: nämlich die Zeit.

In zwei Jahren läuft die Unterstützung der ÖH aus. Danach muss es ja irgendwie weitergehen. Bei den Finanzen wird eine der vielen Widersprüchlichkeiten des Café Rosa sichtbar. Es nennt sich antikapitalistisch und einen alternativen Freiraum. Aber ist doch auch ein Lokal, eine Gastronomie, ein Café.

Im  Plenum, das regelmäßig abgehalten wird, kann zwar über kulturelle und politische Dinge ruhig mitgeredet werden. "Aber am Ende sind wir von der Geschäftsleitung für alles verantwortlich", sagt Gerda, die auch Geschäftsführerin ist. 

"Wir sind halt auch ein Café und müssen Rechenschaft ablegen." Als in dem Plenum die Frage gestellt wird, ob längere Öffnungszeiten sinnvoll wären, wird ganz klar kaufmännisch argumentiert: Nein, das sei momentan nicht leistbar. Das klingt nicht gerade nach Krawall-Linken Ambitionen und 24-Stunden Partytime.

In einem anderen Café aus einer anderen Epoche, dem Sperl, sitzt Nikolaus Scherak, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. Seine Probleme mit dem Café Rosa sind folgende: Er fühlt sich mit seinen Standpunkten dort nicht willkommen.

Obwohl er in vielen Dingen den Grünen beipflichtet. Aber er glaubt im Café Rosa damit nicht akzeptiert zu werden. Dann hat er einen lustigen Satz gesagt: "Was ist, wenn die AG und die Julis ein Café eröffnen, das Hayek zum Thema hat?" (Friedrich August von Hayek war ein liberaler Ökonom, der sich stark für freie Märkte engagierte.) Was Scherak damit sagen will?

Was wäre, wenn sich die liberale Studierendenvertretung dafür stark machen würde, einen Ort zu unterstützen, an dem die freie Marktwirtschaft propagiert wird? Würde sich da ein linker, vegan lebender BOKU-Student, der ein halbes Jahr nach Nicaragua fährt und sich bei ATTAC engagiert, dort wohl fühlen? Wahrscheinlich nicht.

"Die Linke fordert immer Demokratie ein, aber  lebt sie selber nicht. Ich liebe den Kapitalismus und bin dort (im Café Rosa, Anm.) nicht willkommen", sagt Scherak. Gegen Freiräume für Studenten ist er nichts. Sondern etwas gegen "ideologischen Ballast".

Geht das überhaupt? Kann man einen freien Ort, wo man kreativ sein kann, wo man akzeptiert wird erzeugen, ohne dass Werte daran gekoppelt sind?

Stellen wir uns vor: Nikolaus Scherak steht von seinem Tisch im Sperl auf und geht über den Ring zum Café Rosa. Würde er hinaus geprügelt werden? Natürlich nicht. Wahrscheinlich würde er sich nur mit Janine Wulz, Vorsitzende der Grünen streiten. Nur ein wenig natürlich, ganz demokratisch.

Das Café Rosa ist ein Café auf einer San Andreas Spalte. Eigentlich durchläuft es mehrere Zerreisproben: Es muss Geld verdienen, um zu überleben, es darf aber seine gemeinnützige Aufgabe nicht in Frage stellen. Zudem muss es das Zähneknirschen von Studenten ertragen, die ihre Beträge aus dem Fenster herausgeschmissen sehen. Es muss offen sein und doch Grenzen ziehen.


Anmerkung von max.sternbauer:

Wie links oder wie demokratisch ist das von der Österreichischen HochschülerInnenschaft initiierte Projekt Café Rosa?

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