The Black Bloc

Reportage zum Thema Politik

von  max.sternbauer

Wenn H.C. Strache am Viktor-Adler Markt in Wien eine Rede hält, stehen sich zwei brüllende Mengen gegenüber: die einen jubeln Strache zu und die anderen verfluchen ihn. So auch Ende September 2008 bei einer FPÖ-Wahlkampf Veranstaltung: Zwischen den beiden Gruppen liegt ein abgesperrtes Areal von etwa fünfzig Meter. Faules Obst fliegt von der einen zur anderen Seite - wie bei einem Tennismatch.

Auf der FPÖ-Seite treten einige Gestalten an den Zaun. Man kann nicht genau verstehen, was sie hinausposaunen; aber dafür zeigen sie jedem deutlich mit ihren ausgestreckten Armen: "Sieg Heil!" Wie hatte Strache einmal auf Vorwürfe geantwortet, dass Rechtsradikale bei FPÖ-Veranstaltungen auftauchten?  "Wir dulden niemanden mit so einer Gesinnung." Beim EU-Wahlkampf, ein halbes Jahr später, sollen es doppelt so viele gewesen sein, die brüllend ihre Hände in die Luft reckten.

Nicht nur Rechte nutzen Straches Auftritt: Durch eine Seitengasse will ich zur Bühne, auf der Strache seine Wahlkampf-Abschlussrede halten will. Genau aus dieser Gasse fegt mir ein beissender roter Nebel und Krach entgegen: Hunderte radikale Linke liefern sich eine Schlacht mit der Polizei. Denn ein Punk mit dem größten Irokesen-Haarschnitt, den ich jemals gesehen habe, hatte eine Rakete gezündet - daher der Rauch. Die Gasse wird geräumt und die Demonstranten fluten auf den Wielandplatz - in der Nähe des besetzten Ernst-Kirchweger-Hauses, einem Treffpunkt der linken Szene in Wien.

Am Eingang zu der Gasse erträgt währenddessen die Phalanx der Polizei einige Minuten das Trommelfeuer aus Dosen und Steinen. Dann beginnen auch sie den Platz zu räumen. Neben einer Telefonzelle steht ein junger Mann mit einer Fahnenstange. Sein Gesicht ist hinter einem schwarzen Tuch verborgen. Mit seiner Stange zielt er auf eine weibliche Beamtin, die in ihr Funkgerät spricht - wie Kapitän Ahab, der mit seiner Harpune auf Moby Dick zielt. Die Stange klatscht auf die Straße und der Mann verschwindet in der johlenden und pfeiffenden Menge.

In diesem Chaos wird auch einer meiner Freunde von der Polizei gepackt und hinter ihre Reihen gezerrt. Es passiert, was oft passiert: Die  Exekutive verliert das aus den Augen, was in ihrem Fokus bleiben sollte. So geschieht es, dass friedliche Demonstranten einen auf den Deckel kriegen - wie mein Freund, der Glück hatte: Man kontrollierte ihn und ließ ihn dann laufen. Andere aber werden verhaftet und in einen Einsatzwagen gesteckt. Demonstanten klopfen gegen das Polizeiauto, als würden sie Märtyrer feiern. "Gut gemacht Leute, wir holen euch da raus."

Diese Leute gehören einem besonderen Teil der Linken an, dem "Schwarzen Block". Der Name steht für keine Partei oder Organisation. Es ist eine Kampftaktik, die radikale, extremistische Gruppierungen bei Demonstrationen anwenden. Hauptsächlich geht es darum, der Polizei aggressiv entgegen zu treten, um gewaltätig "Widerstand" zu leisten. Der schwarze Block speist sich vor allem aus anarchistischen und autonomen Gruppen. Über diese  abgeschottete Welt zu schreiben wäre eine Lebensaufgabe. Um sie zu verstehen, muss man in die besetzten  Häuser schauen, ihren Demos einen Besuch abstatten und ihre Internetseiten und Zeitungen studieren. Nur so kann man diese Szene verstehen.

Liest man in der Zeitschrift "Panzerknackerin", die man bei Demos von antifaschistischen Organisationen kaufen kann, bekommt man einen kleinen Einblick in das Denken dieser Leute: Ein Artikel befasst sich zum Beispiel in einer historischen Rückschau mit den Aktivitäten der militanten und radikalen Elemente innerhalb der Friedensbewegung der 70er und 80er Jahre in der BRD. Er beschreibt einige Anschläge auf NATO-Einrichtungen im Jahr 1984 mit dem Titel "Reclaim your history". Obwohl dieser Artikel natürlich nicht für alle Linken stellvertretend genommen werden und als Aussage einer übergreifenden Stimme, die für alle spricht, gelten kann, zeigt er eines: wie viele in dem radikalen Spektrum der Linken denken.

Viele in der linken Szene wissen nicht einmal, wer beim "Schwarzen Block" ist und marschiert bewusst getrennt von ihm auf der Straße. Den Radikalen muss klar gemacht werden, dass der Weg, den sie beschreiten, geradeaus ins Nirgendwo führt. Bei Aktionen - wie auf der Strache-Kundgebung - gehen die Positionen vollkommen unter. Es bringt nichts, etwas in einer demokratischen Gesellschaft mit Gewalt zu erzwingen - und unsere ist eine, auch wenn es vielen radikale Linke nicht wahrhaben wollen.

Wir leben am Anfang des 21. Jahrhunderts und nicht im Jahr 1968. Aber viele reden so, als wären sie mit einer Zeitmaschine angereist. Gesellschaftlich verändert sich nichts, wenn man Straßenschlachten schlägt. Es schadet nur denen, die etwas verändern wollen.


Anmerkung von max.sternbauer:

Bei Demonstrationen tauchen sie immer wieder auf: Sie schlagen sich mit der Polizei und Rechtsradikalen, Fenster gehen zu Bruch, Autos werden demoliert - und viel zu oft werden Menschen verletzt. Das ist der "Schwarze Block" in Aktion.

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Kommentare zu diesem Text

Georg (54)
(30.12.09)
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 max.sternbauer meinte dazu am 31.12.09:
Hallo
Danke für deine Notiz. Dieser Text erschien zuerst bei einem Magazin für das ich arbeite. Er wurde leider stark gekürzt und wichtige Passagen ausgelassen.
Dostojewskaja (29)
(06.09.11)
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