Noah fährt mit
Kurzgeschichte zum Thema Horror
von youngShadow
Noah fährt mit
„Komm jetzt, Noah! Sofort!“
„Lisa hol bitte deinen Bruder.“
„Ach man. Noooahhhh! Nooooahhh, komm her!“
„Rufen kann ich ihn selbst, du sollt ihn holen!“
Lisa zog grimmig die Augenbrauen zusammen.
„So war ich früher nie!“
„Oh doch! Ihr seid beide Dickköpfe und eure Mutter ist die Leidtragende. Hol jetzt bitte deinen Bruder, ich muss noch Kochen und die Wäsche machen.“
„Ja ja.“
Ihre Tochter lief zum Spielplatz zurück.
Entnervt lehnte sich Franziska an ihr Auto.
Noah fährt mit. Lisa fährt mit.
Frank hatte beide Aufkleber besorgt. Er hatte ihr erklärt, dass Autofahrer, die Aufkleber ihrer Kindernamen auf der Heckscheibe hatten, fünfundzwanzig Prozent weniger in tödliche Autounfälle verwickelt waren. Frank und seine Statistiken. Er konnte sie wirklich nerven damit.
Während sie auf Lisa und Noah wartete, strich sie mit den Fingern über die Aufkleber.
Lisas hing jetzt bereits neun Jahre an der Heckscheibe, Noahs fünf.
Da wäre noch Platz für einen dritten, hatte Frank einmal zu ihr gesagt, aber Franziska genügten ihre zwei Kinder. Sie liebte sie über alles, aber den Stress wollte sie sich nicht noch einmal geben.
Bei Noahs Geburt hatte es Probleme gegeben. Die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gewickelt. Sie selbst hatte viel Blut verloren. Für einen kurzen Moment, so sagte ihr der Arzt später, stand ihr beider Leben auf Messers Schneide.
Dieses Erlebnis hatte sich tief in sie gegraben, und ihr Verhältnis zu Noah in den ersten Monaten geprägt.
„Mama, ich finde Noah nicht.“
Lisa stand plötzlich vor ihr und riss sie aus ihren Gedanken.
„Ich hab überall geschaut. Ehrlich!“
„Ihr habt doch bei den Rutschen gespielt.“ Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
„Wir schauen zusammen.“
Sie griff sich die Hand ihrer Tochter und lief auf den Spielplatz zurück.
Überall kreischten Kinder. Das Geräusch eines tieffliegenden Hubschraubers vermischte sich mit ihnen.
„Noah! Noah, komm, wir gehen jetzt.“
Ein kleiner Junge preschte an ihnen vorbei.
„Fang mich!“, rief er im vorbei rennen.
Franziska sah sich um. Langsam war sie wirklich genervt.
„Noah!“
Ihr Geschrei erntete bereits abschätzende Blicke einiger Mütter, die etwas abseits auf roten Parkbänken saßen und ihren Kindern beim Spielen zusahen.
„Noah“, schrie jetzt auch Lisa.
„Mama wird schon sauer, hör auf dich zu verstecken und komm her!“
Sie liefen um die Rutsche. Dahinter saß eine kleine Gruppe von Kindern und versuchte einen Staudamm zu bauen. Ein älterer Herr, vermutlich der Großvater eines der Kinder, mühte sich sichtbar ab, den Hebel einer verrosteten Pumpe in Bewegung zu setzten.
„Entschuldigen Sie. Haben Sie vielleicht einen kleinen Jungen, fünf Jahre, mit gelben T-Shirt und blauer Hose gesehen?“, sprach Franziska ihn an.
Der Mann schien einen Moment zu überlegen und schüttelte dann den Kopf.
„Tut mir leid Fräulein, nicht das ich mich erinnere.“
„Danke“, sagte sie und sah sich wieder um.
„Vielleicht versteckt er sich in den Röhren dahinten“, sagte Lisa zu ihr, und deutete auf ein paar Bauröhren, deren bunte Bemalung schon lange verblasst war, und auf Franziska, wie die Teile eines großen grauen Elefantenrüssels wirkten.
„Ja, lass uns schauen.“
„Wenn sie möchten, helfe ich ihnen, ihren Sohn zu suchen“, sagte der alte Mann.
„Gelbes T-Shirt, blaue Hose, sagten Sie, nicht?“
Franziska drehte sich um und lächelte.
„Danke. Er heißt Noah.“
„Noah, komm raus, sonst werde ich richtig böse.“
Lisa lief um die Röhren herum.
„Mama, hier ist er auch nicht.“
Vor einer der Röhren bemerkte Franziska ein Dutzend Zigarettenstummel. Auch die vielen nicht jugendfreien Kritzeleien, sprachen nicht unbedingt dafür, dass dieser Ort bei den ganz kleinen sehr beliebt war.
Feli macht’s mit Herr Strauß, stand in dicken Lettern in einer der Röhren.
Hinter ihr rief der Mann Noahs Namen.
Doch auch er hatte ihn nicht gefunden, sondern suchte in einem nahe gelegenen Gebüsch nach ihm.
Franziska bekam Sodbrennen. Sie bekam es immer, wenn sie nervös war.
„Noah, wo bist du?“ flüsterte sie.
„Lisa“, sprach sie wieder laut, „hilf dem Mann deinen Bruder zu suchen, ich werde Papa anrufen.“
„Okay Mama.“
Das kleine Mädchen sprintete los. Auf halber Strecke drehte sich Lisa noch einmal um.
„Du wirst sehen Mama, ich finde ihn, ganz sicher!“, rief sie und rannte weiter.
Franziska hatte ihr Handy im Auto gelassen.
Sie würde Frank anrufen, ihm alles erklären. Franziska war sich sicher, dass er sofort herkommen würde. Mit ihm zusammen würde sie Noah schon finden. Dann würde sie ihm gemeinsam die Leviten lesen.
Sie schloss die Autotür auf und kramte das Handy aus ihrer Handtasche.
Während sie seine Nummer wählte, lief sie um ihr Auto herum.
Es klingelte. Nach zwanzig Sekunden nahm er noch immer nicht den Hörer ab.
Sie sah auf die Uhr. Es war halb eins, vielleicht war er noch beim Mittag.
Konzentriert sah sie auf einen Dreckfleck auf der Heckscheibe ihres Autos.
Sie wollte Frank ruhig und beherrscht die Situation erklären, und dafür durfte sie jetzt nicht in Panik verfallen.
Sie würde es jetzt noch weitere zwanzig Sekunden klingeln lassen, und wenn Frank dann immer noch nicht ran ging, würde sie zu dem Grüppchen Mütter hinübergehen, und sie ebenfalls bitten, sie bei der Suche nach ihrem Sohn zu unterstützen. Wenn sie ihn dann nicht innerhalb von zehn Minuten gefunden hatten, würde sie die Polizei rufen.
Sie gab Frank noch weitere zehn Sekunden.
Die Wolken spiegelten sich in der Heckscheibe ihres Autos wieder. Ein Flugzeug flog über sie hinweg und spiegelte sich ebenfalls auf dem Glas. Während sie darauf wartete, dass Frank endlich den Hörer abnahm, folgte sie dem Flieger mit den Augen.
Franziska ließ das Handy fallen. Es krachte auf den Parkplatzboden und verlor ein Teil seiner
Plastikverkleidung.
In ihrem Kopf begann es zu dröhnen. Sie hatte das Gefühl einen schreckliche Fanfare
würde sich immer wieder in ihrem Kopf wiederholen.
„Hallo? Franziska? Bist dus? Ich sehe deine Nummer. Hallo?“
Das Handy war beim Sturz nicht zerstört worden, doch drang Franks blechern verzerrte Stimme kaum noch in Franziskas Ohren.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Heckscheibe.
Jemand hatte fein säuberlich den -Noah fährt mit- Aufkleber entfernt.
„Komm jetzt, Noah! Sofort!“
„Lisa hol bitte deinen Bruder.“
„Ach man. Noooahhhh! Nooooahhh, komm her!“
„Rufen kann ich ihn selbst, du sollt ihn holen!“
Lisa zog grimmig die Augenbrauen zusammen.
„So war ich früher nie!“
„Oh doch! Ihr seid beide Dickköpfe und eure Mutter ist die Leidtragende. Hol jetzt bitte deinen Bruder, ich muss noch Kochen und die Wäsche machen.“
„Ja ja.“
Ihre Tochter lief zum Spielplatz zurück.
Entnervt lehnte sich Franziska an ihr Auto.
Noah fährt mit. Lisa fährt mit.
Frank hatte beide Aufkleber besorgt. Er hatte ihr erklärt, dass Autofahrer, die Aufkleber ihrer Kindernamen auf der Heckscheibe hatten, fünfundzwanzig Prozent weniger in tödliche Autounfälle verwickelt waren. Frank und seine Statistiken. Er konnte sie wirklich nerven damit.
Während sie auf Lisa und Noah wartete, strich sie mit den Fingern über die Aufkleber.
Lisas hing jetzt bereits neun Jahre an der Heckscheibe, Noahs fünf.
Da wäre noch Platz für einen dritten, hatte Frank einmal zu ihr gesagt, aber Franziska genügten ihre zwei Kinder. Sie liebte sie über alles, aber den Stress wollte sie sich nicht noch einmal geben.
Bei Noahs Geburt hatte es Probleme gegeben. Die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gewickelt. Sie selbst hatte viel Blut verloren. Für einen kurzen Moment, so sagte ihr der Arzt später, stand ihr beider Leben auf Messers Schneide.
Dieses Erlebnis hatte sich tief in sie gegraben, und ihr Verhältnis zu Noah in den ersten Monaten geprägt.
„Mama, ich finde Noah nicht.“
Lisa stand plötzlich vor ihr und riss sie aus ihren Gedanken.
„Ich hab überall geschaut. Ehrlich!“
„Ihr habt doch bei den Rutschen gespielt.“ Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
„Wir schauen zusammen.“
Sie griff sich die Hand ihrer Tochter und lief auf den Spielplatz zurück.
Überall kreischten Kinder. Das Geräusch eines tieffliegenden Hubschraubers vermischte sich mit ihnen.
„Noah! Noah, komm, wir gehen jetzt.“
Ein kleiner Junge preschte an ihnen vorbei.
„Fang mich!“, rief er im vorbei rennen.
Franziska sah sich um. Langsam war sie wirklich genervt.
„Noah!“
Ihr Geschrei erntete bereits abschätzende Blicke einiger Mütter, die etwas abseits auf roten Parkbänken saßen und ihren Kindern beim Spielen zusahen.
„Noah“, schrie jetzt auch Lisa.
„Mama wird schon sauer, hör auf dich zu verstecken und komm her!“
Sie liefen um die Rutsche. Dahinter saß eine kleine Gruppe von Kindern und versuchte einen Staudamm zu bauen. Ein älterer Herr, vermutlich der Großvater eines der Kinder, mühte sich sichtbar ab, den Hebel einer verrosteten Pumpe in Bewegung zu setzten.
„Entschuldigen Sie. Haben Sie vielleicht einen kleinen Jungen, fünf Jahre, mit gelben T-Shirt und blauer Hose gesehen?“, sprach Franziska ihn an.
Der Mann schien einen Moment zu überlegen und schüttelte dann den Kopf.
„Tut mir leid Fräulein, nicht das ich mich erinnere.“
„Danke“, sagte sie und sah sich wieder um.
„Vielleicht versteckt er sich in den Röhren dahinten“, sagte Lisa zu ihr, und deutete auf ein paar Bauröhren, deren bunte Bemalung schon lange verblasst war, und auf Franziska, wie die Teile eines großen grauen Elefantenrüssels wirkten.
„Ja, lass uns schauen.“
„Wenn sie möchten, helfe ich ihnen, ihren Sohn zu suchen“, sagte der alte Mann.
„Gelbes T-Shirt, blaue Hose, sagten Sie, nicht?“
Franziska drehte sich um und lächelte.
„Danke. Er heißt Noah.“
„Noah, komm raus, sonst werde ich richtig böse.“
Lisa lief um die Röhren herum.
„Mama, hier ist er auch nicht.“
Vor einer der Röhren bemerkte Franziska ein Dutzend Zigarettenstummel. Auch die vielen nicht jugendfreien Kritzeleien, sprachen nicht unbedingt dafür, dass dieser Ort bei den ganz kleinen sehr beliebt war.
Feli macht’s mit Herr Strauß, stand in dicken Lettern in einer der Röhren.
Hinter ihr rief der Mann Noahs Namen.
Doch auch er hatte ihn nicht gefunden, sondern suchte in einem nahe gelegenen Gebüsch nach ihm.
Franziska bekam Sodbrennen. Sie bekam es immer, wenn sie nervös war.
„Noah, wo bist du?“ flüsterte sie.
„Lisa“, sprach sie wieder laut, „hilf dem Mann deinen Bruder zu suchen, ich werde Papa anrufen.“
„Okay Mama.“
Das kleine Mädchen sprintete los. Auf halber Strecke drehte sich Lisa noch einmal um.
„Du wirst sehen Mama, ich finde ihn, ganz sicher!“, rief sie und rannte weiter.
Franziska hatte ihr Handy im Auto gelassen.
Sie würde Frank anrufen, ihm alles erklären. Franziska war sich sicher, dass er sofort herkommen würde. Mit ihm zusammen würde sie Noah schon finden. Dann würde sie ihm gemeinsam die Leviten lesen.
Sie schloss die Autotür auf und kramte das Handy aus ihrer Handtasche.
Während sie seine Nummer wählte, lief sie um ihr Auto herum.
Es klingelte. Nach zwanzig Sekunden nahm er noch immer nicht den Hörer ab.
Sie sah auf die Uhr. Es war halb eins, vielleicht war er noch beim Mittag.
Konzentriert sah sie auf einen Dreckfleck auf der Heckscheibe ihres Autos.
Sie wollte Frank ruhig und beherrscht die Situation erklären, und dafür durfte sie jetzt nicht in Panik verfallen.
Sie würde es jetzt noch weitere zwanzig Sekunden klingeln lassen, und wenn Frank dann immer noch nicht ran ging, würde sie zu dem Grüppchen Mütter hinübergehen, und sie ebenfalls bitten, sie bei der Suche nach ihrem Sohn zu unterstützen. Wenn sie ihn dann nicht innerhalb von zehn Minuten gefunden hatten, würde sie die Polizei rufen.
Sie gab Frank noch weitere zehn Sekunden.
Die Wolken spiegelten sich in der Heckscheibe ihres Autos wieder. Ein Flugzeug flog über sie hinweg und spiegelte sich ebenfalls auf dem Glas. Während sie darauf wartete, dass Frank endlich den Hörer abnahm, folgte sie dem Flieger mit den Augen.
Franziska ließ das Handy fallen. Es krachte auf den Parkplatzboden und verlor ein Teil seiner
Plastikverkleidung.
In ihrem Kopf begann es zu dröhnen. Sie hatte das Gefühl einen schreckliche Fanfare
würde sich immer wieder in ihrem Kopf wiederholen.
„Hallo? Franziska? Bist dus? Ich sehe deine Nummer. Hallo?“
Das Handy war beim Sturz nicht zerstört worden, doch drang Franks blechern verzerrte Stimme kaum noch in Franziskas Ohren.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Heckscheibe.
Jemand hatte fein säuberlich den -Noah fährt mit- Aufkleber entfernt.