Max und Moritz

Kurzprosa zum Thema Horror

von  RainerMScholz

„Hast du die alle umgebracht?“
„Was? Nein! Bist du verrückt?!“
„Was machen wir jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich brauch´ erst ein Bier.“
„Ich auch. Hey, Max, dem Typ da fehlen die Arme.“
„Ich seh´ `mal im Kühlschrank nach.“
„Was?“
„Wegen dem Bier natürlich.“
„Max, kannst du dich an etwas erinnern?“
„Nein.“
„Was machen wir jetzt?“
„Ich geh´ zum Kühlschrank.“
Draußen dämmerte es bläulich und der Nebel fiel. Das Haus am Stadtrand war unbewohnt gewesen,  bis es von der Partyszene neu beseelt worden war. Die lag jetzt am Boden. Alle anderen auch.
Max und Moritz tranken Bier.
„Da klebt, glaub´ ich, Kotze an deinen Schuhen.“
„Hm, aber nicht von mir. Das ist auch, glaub´ ich, keine Kotze.“
„Sieht aber aus wie Kotze.“
„Riecht auch so. Igitt, das ist doch Hirn.“
„Von wem?“
„Von dir, du Depp. Weiß ich doch nicht. Von einem Toten vermutlich. Hier, der hier vorne hat ein Loch im Kopf.“
„Das fällt doch bei der Frisur gar nicht auf.“
„Also, es ist nicht meins, es ist nicht deins...“
„Meins-Deins, das ist doch alles relativ.“
„Mein dicker Nazivermieter sagt immer, man könne nichts mitnehmen.“
„Wohin?“
„Nach dem Tod.“
„Nach dem Tod ist man tot.“
„Eben.“
„Der da hat sich gerade bewegt.“
„Wer?“
„Der hier vorne neben der Couch.“
„Das ist doch keine Couch, das ist ein, ein...wie sagt der Schwede, ein Sessobröd, oder so.“
„Mir doch egal, der hat sich bewegt.“
Moritz geht hinüber auf die andere Seite des verwüsteten Raumes und tritt den neben dem Sesselmöbel liegenden Körper sachte in die Seite.
„Max?“
„Ja?“
„Der is´ hinüber.“
Lichtschummer durch die Wandöffnung. Die Heizung blubbert, bleibt aber kalt.
„Wieviel Bier ist denn noch im Kühlschrank?“
„Da ist noch Wodka.“
„Die da vorne scheint `mal richtig hübsch gewesen zu sein.“
„Die mit der abenen Wade?“
„Ja, die.“
„Aber jetzt ist die Wade ab.“
„Die muss man sich eben dazudenken.“
„Man könnte ihr auch ein Stuhlbein als Holzbein `reinschrauben.“
„Ein Stuhlbein als Holzbein – ich lach´ mich schepp.“
Max lacht.
„Aber im Ernst. Wenn man das Schöne nicht erkennt, bleibt nur der Nutzwert. Wenn man das Schöne im Menschen nicht erkennt, bleibt nur, ihn nutzbar zu machen. Wer das Schöne nicht sieht, tendiert zum Bösen.“
„Möse-Böse, hast du schon den Wodka...“
„Nein, nein, das meine ich so.“
„Und darauf einen Dujardeng.“
Kurze Pause. Max und Moritz trinken schweigend Bier. Gluckernde und schmatzende und atmende Geräusche. Jemand rülpst in sich gekehrt. Das hätte von draußen kommen können. Oder auch nicht.
„Bestellen wir uns ein Taxi, oder was?!“
„Aber der Wodka ist noch im Kühlschrank.“
„Ja, das stimmt. Aber ich will nicht noch eine Nacht hier verbringen. Offensichtlich hatten wir ja einen Filmriss.“
„Ja, und dann die ganzen Toten, bestimmt fünfundzwanzig.“
„Nee, soviel nicht.“
Moritz geht zum Fenster und sieht hinaus.
„Ist das nicht dein Auto?“
Max geht zum Fenster und sieht hinaus.
„Doch. Merkwürdig. Ich kann mich gar nicht erinnern...“
„Komm, wir hauen ab!“
Max stolpert in die Küche, die weißen Kacheln sind rot gesprenkelt, jemand hat versucht, sich ein Brot zu schmieren. Mit Teewurst offenbar und sauren Gurken.
„Ich nehm´ den Kasten Bier hier noch mit.“
„Der ist  doch warm.“
„Egal.“
Sie marschieren über die verrenkten Toten durch die schief in den Angeln hängende Tür mit dem zerbrochenen Schloss nach draußen.
Max öffnet den Kofferraum des Opel Ascona. Er blickt hinein.
„Scheiße, jetzt weiß ich`s wieder.“
Moritz tritt hinzu. Er blickt in den Kofferraum. Dort liegen kreuz und quer langstielige Äxte, Beile und Macheten. Seile und Schellen und Messer und …
„Ich auch. Ja. Was soll`s. Ja. Jetzt. Punks not dead.“
„Na dann, hey ho, let`s go.“
„Kannst du überhaupt schon fahren?“
„Sehr witzig.“
Das Blech fliegt zu. Der Nebel lichtete sich. Das Röhren des löchrigen Auspuffs verklingt in den morgendlichen, von Tau bereiften Wiesen.
„Was ist denn noch?“
„Ich dreh´ um.“
„Wieso denn?“
„Ich hab´ das Stuhlbein vergessen.“
„Idiot.“


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 idioma (11.08.20)
Tja
meine Schwiegertochter hat mir dazumal verboten, meinen Comic-begeisterten Enkeln eine dicke Wilhelm Busch-Gesamtausgabe zu schenken.
Da kämen viel zu grausame Sachen vor....
Max und Moritz zu Gänsefutter zermahlen und sowas.....
Inzwischen verbringen die Jungs den halben Tag an ihren Computern und können z.B. solch nen modernen Max und Moritz - Text (s.o.) lesen.........
Aber man müsste es verfilmen,
denn Lesen ist viel zu mühsam
(auch wenn die Zeilen so kurz wie irgend möglich sind)
Sehen und Hören ist bequemer.............
i di oma

 RainerMScholz meinte dazu am 11.08.20:
Ich dachte an Tarantino. Reservoir Dogs auf deutsch (natürlicher ginge es noch deutscher)(oder schwedischer).

Antwort geändert am 11.08.2020 um 23:26 Uhr

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 12.08.20:
Benannt hast Du den Text dennoch nach Busch. Der ist auch sehenswerter als T.
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