Seit Wochen sammel ich Gedanken wie Briefmarken in einem Album.

Gedanke zum Thema Einsicht

von  SunnySchwanbeck

Das sind diese ersten wirklich kalten Tage im Jahr. Ich schluffe durch Menschenmengen die nirgendwo hinführen und halte Zigaretten zwischen meinen Fingern, die ich nicht mal selbst bezahlt habe. Mein Handy ist voll von fremden Nummern und unbeantworteten Nachrichten, und dennoch fällt mir niemand ein den ich in diesen Stunden anrufen könnte.In diesen Stunden in denen man sich fragt, warum nicht genug Alkohol im Haus ist um sich einfach all die sinnlosen Fragen aus dem löchrigen Gehirn zu saufen. Seit Wochen sammel ich Gedanken wie Briefmarken in einem Album und versuche meine Beine zu heben, wenn ich auf Kopfsteinpflaster laufe, rücke meinen schweren Schal zurecht, wenn ich mich in die Bahn setze und achte öfter als nötig auf diese verdammte Haarsträhne hinter meinem rechten Ohr, die immer absteht. Ich hab mich damit abgefunden, dass mein Herz nur Kissen für deine Tagträume war, und unsere gemeinsame Zeit im Sekundenschlaf an dir vorbei zog.
Das Leben ist schön.
Das Leben ist schön.
Das Leben ist verdammt schön.
Und das Leben ist sogar verdammt schön ohne dich.
Ich murmle diese Sätze und schiebe mich durch unbeholfen drein blickende Menschen mit Stadtplänen und gefüllten Koffern und Herzen und Händen die sie mit andern Händen verflochten haben. Der Winter scheint mich wie einen alten Freund zu begrüßen, den ich seit Monaten still und leise vermisste, und der nun gutmütig seine eisigen Finger nach mir ausstreckt und sanft den ersten kalten Wind durch meine Haare pustet. Eigentlich ist alles großartig. Und eigentlich bin ich das auch. Willenlos treibe ich so durch die Stadt und erzähle denjenigen meine Geschichte, die sie hören wollen. Trinke aus halbvollen Biergläsern die mir nicht gehören und lache an den richtigen Stellen damenhaft. Es ist nicht so, dass es sich falsch anfühlt, richtig zu sein. Aber das falsche stand mir, und ich trug es gern. Auch wenn ich seither mit gekrümmten Rücken laufe. Wächsern laufen unsere Versprechen als Rinnsale meinen Schädel hinab. Zornige Flammen brennen auch die letzten, in die Ferne gerückten, Träume nieder und was bleibt ist dieses komische Gefühl an den Fingerkuppen, nachdem man in noch warmes Wachs greift und zusieht wie Entscheidungen aushärten. Ich trage sie schon seit einiger Zeit unter meinen Fingernägeln und bin mir sicher, du tust manchmal noch so, als wäre ich dir egal.

Es wird gesagt, ich schreibe immer gleich. Es wird gesagt, nie ändern sich meine Ansichten. Es wird gesagt, ich bin stehen geblieben, als alle anderen los liefen und wagemutig auf irgend ein Ziel zusteuerten. Es wurde nie gesagt, dass alle nach rechts schauten, als ich nach links lief.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

denk dir einfach was ich sagen will, aber nicht mehr kann, weil du nicht mehr da bist, um es auch zu sagen.

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Kommentare zu diesem Text

PaulineKirsch (22)
(20.09.12)
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 SunnySchwanbeck meinte dazu am 20.09.12:
das freut mich. das freut mich sehr.

 Georg Maria Wilke (20.09.12)
Deine Ansammlung von Gedanken ist ein wunderbares Lesen im Gedankenlesen. Bin beeindruckt von dem inneren, treibenden Rhythmus - aber auch von der klaren Erkenntnis.
Liebe Grüße, Georg

 SunnySchwanbeck antwortete darauf am 20.09.12:
es ist immer wieder schön alte bekannte zu beeindrucken, das ehrt mich sehr. danke!
geknickst,
sunny.
fragilfluegelig (49)
(20.09.12)
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 SunnySchwanbeck schrieb daraufhin am 20.09.12:
ja, ja ich weiß was du meinst. ich danke dir!

 ViktorVanHynthersin (20.09.12)
Welch ein Gedanke und dazu noch gut geschrieben - gefällt mir!
Herzliche Grüße
Viktor

 SunnySchwanbeck äußerte darauf am 20.09.12:
ach viktor, du treuer kerl. ich bin immer froh wenn dir meine texte gefallen, das weißt du doch.
gegrüßt und lächelnd,
sunny.

 NenntMichIsmael (20.09.12)
...
mal wieder das herz gestreichelt.

und wieder.
und wieder.
und wieder.

 SunnySchwanbeck ergänzte dazu am 20.09.12:
deine kommentare sind mir die liebsten, isma. ich proste dir zu, mit kamillentee und karamellbonbons.
Scrag (24)
(20.09.12)
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Möwe (63)
(14.10.12)
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LegsInSociety (28)
(17.10.12)
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 Dieter_Rotmund (16.06.20)
Recht schlampig gemacht Text aus der Perspektive einer Alkoholikerin? (Männer erzählen nicht so viel über ihre Haare und ihre Kleidung)
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