Grundsätze einer Befreiung der Literatur aus der Bedeutungslosigkeit

Anordnung zum Thema Schreiben

von  Leitmotivation

Die Kunst der Distanz

Die Kunst der Distanz folgt dem Leitsatz: Man muss das Leben aus der Ferne beobachten, damit man das Leben versteht. Je näher wir den Dingen kommen, desto mehr entfernen wir uns von ihnen und desto mehr wird unser Schreiben ein Teil von ihnen. Eine strikte Trennung von Kunst und Leben muss aufrecht erhalten werden.

Die Kunst der Distanz ist zeitlos. Sie steht über der Zeit. Die Gegenwart ist bloß eine variierte Wiederholung der Vergangenheit und die Zukunft ist die Fortsetzung diese Prinzips. Leben wiederholt sich im Großen und im Kleinen, in uns und in anderen. Wir müssen der Verlockung widerstehen, zu glauben, unser persönlicher zeitlicher und inhaltlicher Mikrokosmos sei für die Kunst relevant.

Die Kunst der Distanz ist gefühllos. Sie ist keine "Verkunstung" des Alltags und seiner in allen Menschen wiederkehrender kleinen Glücke und Unglücke. Sie thematisiert keine Ereignisse und keine Richtungen, es gibt weder Lob noch Tadel. Tagespolitik und beendete Beziehungen werden uns fortan nicht mehr einnehmen, denn wir haben ihre fehlende Bedeutung für das Wesen der Dinge erkannt. Wir beschreiben die Tiefenstruktur des Lebens, für die Handlungen und Figuren lediglich als Spiegel fungieren. Diese Kunst steht außerhalb des Lebens und ist daher unabhängig von diesem. Sie bezieht lediglich ihr Material aus dem Leben.

Die Kunst der Distanz hat nicht den Anspruch, schön zu sein, sie hat den Anspruch, wahr zu sein. Wir können uns daher frei jeder Schreibform bedienen. Wir können bestehende Schreibformen kombinieren und verwandeln, ihre Regeln beachten oder brechen.

Man mag vermuten, dass unsere Einsicht in die fehlende persönliche Relevanz und die Distanz zum Leben mit einem Gefühl der Verzweiflung einhergehen. Aber verzweifelt kann nur sein, dessen falsche Erwartung vom Leben enttäuscht wurde. Wir aber wissen, was zu erwarten ist. Das bedeutet nicht, dass wir nur noch vor uns hinleben und emotionslos auf das Ende warten. Wir nehmen unter Wahrung unserer künstlerischen Distanz am Leben teil und haben dabei die Möglichkeit, es von einer höheren Ebene aus zu betrachten. Wir reflektieren das Geschehen und geben ihm eine Form und einen Ausdruck. Es eröffnen sich neue, fernere Horizonte.


Anmerkung von Leitmotivation:

ein Entwurf

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Kommentare zu diesem Text

MelodieDesWindes (36)
(22.01.13)
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 Leitmotivation meinte dazu am 22.01.13:
Danke für Deinen interessanten Kommentar, MelodieDesWindes. Ich werde im nächsten Text den Versuch unternehmen, noch etwas näher auf einige Punkte einzugehen.

 toltec-head (22.01.13)
Im Nachhinein bereue ich die Wortwahl "Menstruationslyrik". Mir ging es eigentlich um etwas ähnliches, was Du hier versuchst. Ich hätte besser von "Literatur und Betulichkeit" gesprochen. Was ich im Vorfeld allerdings bereits auch einmal tat:

 Das ist doch alles betulicher Müll!

Nicht deckungsgleich mit Deinem Text aber es gibt Berührungspunkte:

Nicht immer dieses um Vati, Mutti und Beziehungskisten kreisen. Die Literatur den kosmischen Dingen gegenüber öffnen. Distanz durch Kosmos.

Die Kritik an der vom Mutterkuchen zehrenden Literatur zielt nur auf die Absolutsetzung der häuslichen Sphäre und der mit ihr verbundenen emotionalen Pest. Vater, Sohn, Ödipus -sie gehören genauso dazu, auch sie sind Teil der Kritik, was aber leider mit "Menstruationslyrik" nicht zum Ausrdruck gebracht wird. Ich werde den Begriff daher nicht mehr verwenden. Hab aber noch keinen ähnlich schlagfertigen gefunden.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 22.01.13:
Toltec-head, ich bin beeindruckt von deiner Offenheit.
Gruß
Ekki

 Leitmotivation schrieb daraufhin am 22.01.13:
Danke für Deinen Kommentar, toltec-head. Ich erkenne, dass Du einen ähnlichen Ansatz verfolgst und werde mir Deine Texte bei Gelegenheit genauer ansehen.

 EkkehartMittelberg (22.01.13)
Du hast klar beschrieben, was du meinst. Es hat sie immer gegeben und es wird sie weiter geben: die Kunst der Distanz. Aber sie wird nur immer eine Kunst neben anderen Künsten sein, weil sich Künstler durch Gegenentwürfe profilieren. Also : Die Kunst der Verstrickung kannst du nicht verhindern.

 Leitmotivation äußerte darauf am 22.01.13:
Danke für Deinen Kommentar, EkkehartMittelberg. Ich werde in einem weiteren Text auf einige Punkte noch weiter eingehen.
Fidibus (53)
(22.01.13)
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 Leitmotivation ergänzte dazu am 22.01.13:
Ich bedanke mich für Dein Lob, Fidibus.
hoor (22)
(22.01.13)
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 Leitmotivation meinte dazu am 22.01.13:
Danke für Deinen Kommentar, hoor. Die Gedanken sind größtenteils nicht neu, jedoch sehr in Vergessenheit geraten. Über die, zugegebenermaßen, schwierige praktische Umsetzung und deren Konsequenzen schreibe ich im nächsten Text mehr.
eilika (33)
(22.01.13)
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 Leitmotivation meinte dazu am 22.01.13:
Danke für den Hinweis, eilika. Die Stelle wurde gestrichen.

 RainerMScholz (03.12.17)
Diese Kunst steht außerhalb des Lebens und ist daher unabhängig von diesem...
Ein nicht zu erfüllender Ansatz, denke ich, der Distanz nur vorgaukelt, ohne sie erreichen zu können. Der Widerspruch, über etwas zu schreiben oder sich mit etwas zu befassen, ohne sich rekurrierend damit zu befassen, ist nicht aufzulösen. Die Distanz beinhaltet die Nähe, der Widerspruch steht in negativer Verbindung zum Objekt.
Grüße,
R.

 Willibald meinte dazu am 08.03.19:
Man denke (aber) an " universalia in singulis" und begutachte dann aus der Distanz die These von der notwendigen ästhetischen Distanz mit " angemessener" Bescheidenheit.
Greetse
ww
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