Der Kamm einer hohen Welle

Glosse zum Thema Absurdes

von  max.sternbauer

Die Ruine.

Dem Haus in der Lindengasse, Bezirk Neubau, hatte man schon eine gewisse Abgelebtheit angesehen. Nichts desto weniger hatte ein alternatives Zentrum dort eine, wenn auch kurze, Heimstatt gefunden. Das ganze Projekt sollte den poppigen Titel Epi-Zentrum bekommen.
Damals, als ich dort war, es war Anfang Nacht, war der Großteil des Besetzerpersonals ausgeflogen.
Genaue Hintergrundinformationen hatte ich nicht. Woher ich von dieser Aktion wusste, kann ich auch nicht mehr sagen. Was jetzt nicht heißen soll, zu diesem Zeitpunkt durchflog ich die ersten Symptome einer beginnenden Senilität. So etwas hört man einfach aus einer Ecke und das verdammte Echo verschwindet dann zu schnell, um seine Startbasis wieder ausmachen zu können. In dem Haus fand ich einen Raum, der als Tauschbörse fungierte. So etwas trägt oft den zuckersüß klingenden Namen „Kost-Nix-Laden“. Ich tausche dort einen Topf gegen ein Paar Socken. Wobei es keine fixen Tauschkurse gibt. Man nimmt was und legt was hin oder nur eine von diesen Optionen. Ein Lyrikband von Pablo Neruda gegen einen Eimer Uran. Aber das kam noch nie vor. Na ja.
Hinter einem Ständer mit Jacken fand ich ein dickes Rohr. Was aussah, als hätte es Cousins
auf einer Bohrinsel. Darauf nistete eine kleine neongrüne Plastiksprühflasche. Das Areal unter dieser Flasche war ein angenietets Teilstück. Auf den Nähten des Metalls schien so eine Art
Froschlaich zu liegen. Bis ich das schaumige Blasen werfende Konzentrat als Seifenschaum  identifizierte. Die Sprühflasche war auch damit entmystifiziert.
Der Dramaturgie dieser Szene folgend, fiel mein Blick in den Nachbarraum. Und diesmal vor allem
auf die Wände und den Fußboden. Die zum Nichtrauchen gemahnenden Warnschilder sah ich nun in einem anderen Licht. Und das war grell.
Im Hof sagte mir jemand, dass der Seifenschaum als Vorwarnsystem dient, um zu wissen, wo die undichten Stellen in der Gasleitung zu finden sind. Und das Gas wäre vor allem dann ein Problem, wenn der Raum bis zur Decke gefüllt sei. Deswegen  wird auch regelmäßig gelüftet.

                     
Che Guevara, Kinderkreuzzüge und Gaslecks.

Es gibt, glaube ich, eine Gemeinsamkeit zwischen Guevara in Bolivien, Kreuzzüge von Minderjährigen im Mittelalter und Gaslecks in besetzten Häusern. Wenn man eine politische Idee hat, egal welche, ist eine Motivation daran gehängt, wie diese Welt aussehen sollte.                      Che versuchte dreimal dasselbe. In Kuba, in Angola und in Bolivien. In Kuba funktionierte die Art der politischen Taktik. In Afrika flog er das erste mal auf die Nase. Und aus Bolivien kam er nicht mehr zurück. Im Mittelalter zogen Kinder und Jugendliche durch Europa  mit dem wagen Ziel, ein Königreich Gottes auf Erden zu errichten. Dass Mythen und Religion vor Tausend Jahren einen anderen Stellenwert gehabt haben als heute, ist klar. Aber schon damals hatten sich  Menschen den Kopf gekratzt, als die Armeen gepanzerter Ritter gen Jerusalem aufgebrochen waren.
Fundamentalismus oder politische Engstirnigkeit ist, wenn sämtliche Faktoren, jede Skepsis, die dem gewünschten Ergebnis widersprechen, ausgeblendet werden. Und nur wie in einem Tunnel das Ziel im Blick ist. Oder extrem ausgedrückt, man jagt seine Jünger durch eine Wüste. Denn dort könnte ja Gott sein, hinter eine der zahllosen Dünen.                                                             
Vielleicht wollte die Wiener Stadtverwaltung an dem Haus in der Lindengasse wirklich Profit schlagen. Und eine solche Politik der Kommunen ist auch mitschuldig an den Mietsteigerungen der letzten Jahre in Wien und anderen Großstädten. Was die Hausbesetzerszene eben kritisiert. Vielleicht wurde dieses Haus aber nur deswegen abgerissen, weil es baufällig geworden war (siehe Gasleck).


Der Journalist Hunter S. Thompson beendete ein Kapitel seines Buches Fear an Loathing in Las Vegas mit folgenden Worten, mit denen er die Stimmung Ende der Sechziger beschreiben wollte:

Wahnsinn in jeder Himmelsrichtung, zu jeder Stunde. Funken schlagen konnte man überall. Und es herrschte dieses fantastische universale Gefühl, alles was wir taten sei richtig, und das war glaub ich, der Hacken. Dieses Gefühl, der Sieg über die Kräfte des Alten und  Bösen sei unausweichlich, und gar nicht auf militärische Art und Weise. Unsere Energien würden sich einfach durchsetzen. Hinter uns stand eine Naturgewalt.Wir ritten auf dem Kamm einer wunderschönen hohen Welle
Und jetzt, keine fünf Jahre später, kannst du in Las Vegas auf einen steilen Hügel klettern und nach Westen blicken. Und wenn du die richtigen Augen hast, kannst du die Hochwassermarke sehen.
Dort, wo sich die Welle brach und zurück rollte.


Anmerkung von max.sternbauer:

Politische Ideen bewegen sich immer zwischen zwei Extremen: Pragmatismus und Vision.
Beides sollte immer im Gleichgewicht bleiben, sonst läuft man in eine politische Sackgasse.
Dieser kleine Essay folgt der Spur von Fundamentalismus oder auch einfachen menschlichen Blödsinns.

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