Damals, als wir noch Papier gebraucht haben.

Groteske zum Thema Umwelt/Ökologie

von  max.sternbauer

(Der Text ist aus der Sicht eines Kulturjournalisten geschrieben, der in einer nicht allzu fernen Zukunft Resümee über seine Zeit zieht)


Der diesjährige Kultursommer in Wien hat wieder viele Höhepunkte, was schon chronisch anmutet,
erinnert man sich an die Programme der letzten Jahre. Mit einer gewissen Routine wurden die Themen der Galerien und Festivals meist lobenswert betrachtet. Heuer aber ist eine Überraschung im Veranstaltungskalender groß zu unterstreichen, die sicher einen fixen Platz im Gedächtnis einnehmen wird. Zum Positiven oder Negativen werden künftige Generationen entscheiden müssen. Apropos Generationen, mein Sohn spielt hier eine zentrale Rolle. 

In der Buckminster Fuller Galerie, die schon seit ihrer Gründung durch ein provokatives Programm sich um einen Namen verdient gemacht hat, ist seit April eine Ausstellung zu sehen, die eine spannende Zeitreise verspricht. In das Zeitalter einer untergegangen Technologie: der Toilette.
Es verwundert bei dem Anblick der Exponate der Ausstellung, dass die Elterngeneration (auch meine) solche Gerätschaften wirklich einmal benutzt haben soll. Bilder tauchen auf von Geräten, die gegen Erdstrahlung schirmen sollen, Fischkorsetts und Pastillen aus Quecksilber gegen die Syphilis.
Es ist das Recht einer jeden Generation, sich über die Vergangenheit die Augen zu reiben.
Mein Redakteur hatte mir vorher den Auftrag erteilt, eine Betrachtung über die Ausstellung selber zu verfassen. Aber als er mein Thema für meine nächste Kolumne hörte, wurde diesem der Vorzug gegeben.
Als ich mit meinem Sohn einen Rundgang zwischen den Vitrinen machte, fanden wir ein Exponat aus Japan. Eines der letzten Modelle. Ich hatte versucht, ihm die Funktionsweise zu beschreiben, soweit  meine Ahnung von der Technik reichte. Der Schock kam dann, als ich ihm den Gebrauch von Toilettenpapier erklärte. „Wie, was, Papier?“ Ich hatte genickt und weiter erzählt, als hätte er mir eine Bestätigung gegeben. Bis eine erschütterte Stimme mich aus meinem senilen Redeschwall riss. „Da habt ihr euch echt drauf gesetzt?!“ Es hatte dann lange gedauert ihm zu erklären, warum man sich nicht mit Wasser gereinigt hat, sondern mit Papier.

Ich überlegte, was er wohl in diesem Moment dachte. Seine Lebensrealität sieht komplett anders aus als meine.
Als dieses Modell zum Verkauf angeboten wurde, ging gerade das Erdölzeitalter zu Ende und der Planet war ziemlich klein geworden. Die Bevölkerung war bei knapp zehn Milliarden Menschen kurz zum stehen gekommen. Eine unfassbare Zahl. Das Wirtschaftssystem weltweit sollte von Konsum und Überproduktion auf regionale Subsistenzwirtschaften umgerüstet werden. Selbst in damaligen, sogenannten „Megacities 1, wie Dhaka oder Mexiko City, entstanden kommunale Nahversorgungsbetriebe. Die Beispiele aus der realen Wirtschaft schienen den Reformen recht zu geben. Die Ressourcen waren aufgebraucht. Deswegen schien es notwendig, vom Konsumkreislauf wegzukommen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Wiederverwertungsprogramme der Regierung für den Müll. Auch daran, dass die Preise für komplexe Geräte um ein vielfaches stiegen, aber in jeder Straße eine Reparaturkooperative aufsperrte. Obwohl die Wirtschaft weltweit von Erdöl abhängig gewesen war, versank die Welt nicht in Lethargie, nur weil sie sich geändert hatte. Die Atmosphäre war von einer Aufbruchstimmung geladen, die historisch sicher nur vergleichbar ist, mit dem Wirtschaftswunder 2 nach dem Zweiten Weltkrieg.
Ein Fortschritt war es auch, den gewaltigen Wasser- und Papierverbrauch in den sanitären
Anlagen durch Laser-gestützte Entsorgungssysteme zu ersetzen. Das typische Geräusch der Spülung in den Häusern, das Gefühl des Papiers zwischen den Fingern, verschwand in die Vergangenheit.
Als zeitliches Denkmal taugt so eine Toilette wenig, sind doch viel wichtigere Dinge geschehen. Aber die Reaktion meines Sohnes haben mich in diese Zeit zurückgeführt. Es ist etwas anderes, wenn man als Zeitzeuge dabei gewesen ist. Das persönliche Gefühl hängt einen an Ereignisse, wie eine Ankerkette. Ein Historiker könnte das wissenschaftlicher ausdrücken, was auch schon getan wurde.

Ich bin Zeitzeuge davon, als die nächste technische Revolution begann. Es war die Zeit, als technische Innovationen in der Raumfahrt es ermöglichten, Rohstoffe auf anderen Planeten und Meteoriten abzubauen. Die Rohstoffquellen konnten gar nicht mehr versiegen. Ein grenzenloses Wachstum war damit nun möglich. Was dies bedeutete, zeigt sich auch in einem Vergleich mit der Epoche vor ihr. Man war damals davon ausgegangen, dass diese Form des Wirtschaftens, die freie Marktwirtschaft, an ihr Ende gekommen sei. Die Ressourcen der Erde waren am Ende. Also auch das System. Aber nicht nur die Wirtschaft weltweit wurde befeuert. Der technologische Fortschritt
beschleunigte sich. Auf die Umwelt oder die Ressourcen musste nicht mehr geachtet werden.
Theoretisch müssten wir auch gar nicht mehr auf diesen Planeten leben. Der Mensch hat sich endgültig von der Natur losgesagt. Was bedeutet, nicht mehr ihrer Gewalt ausgeliefert zu sein.

Als ich diesen Text anfing zu schreiben, fand ich einen Essay, der vor beinahe einen halben Jahrhundert geschrieben wurde. Es war eine Warnung eines gewissen Robert Jungk gegen die Atomkraft. Ein rührseliges Zeitdokument. Aber mir half es ein wenig, die damaligen Ängste meiner Eltern ihrer Zukunft wegen nachzuvollziehen. Ein Blick in die Vergangenheit hilft manchmal seine eigene Epoche besser zu verstehen. Was ein Blick auf eine antiquierte Schüssel nicht alles bewirken kann...


Anmerkung von max.sternbauer:

Was macht Fortschritt aus. Nur das technische Fortkommen, wie das Wort es an sich schon aussagt.
Ist dafür eine kulturelle Stufe zu erreichen? Kann man es auch daran ablesen, wie diese Kultur ideologisch aufgebaut ist. Oder ist es einfach nur eine Selbstdefinition.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.07.13)
Ich würde den Text gerne lesen, aber der äußerst seltsame Zeilenumbruch und die komischen Lücken bereiten mir kein Lesevergnügen, sorry!

 max.sternbauer meinte dazu am 09.07.13:
Lieber Dieter,

Deine Anmerkung war sehr hilfreich. Ich habe nicht gesehen wie das Programm von keinVerlag den Text verändert hat.
Danke.
PS: Kannst du dir bitte die beiden Texte, zu denen du jeweils einen Kommentar geschrieben hast nochmal lesen. Mich würde deine Meinung dazu interessieren.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 09.07.13:
Die Zeiten sind hier recht schlampig verwendet worden. Nach der (im Grunde überflüssigen) Einleitung in Klammern erwartet der Leser natürlich mindestens ein Präteritum, aber dann kommt ein Perfekt-Satz, der ja, wie jeder weiß, usw.
...und plötzlich taucht im Text ein Präsens auf, der auch nicht so richtig passt:
"Die Atmosphäre war von einer Aufbruchstimmung geladen, die historisch sicher nur vergleichbar ist, mit dem Wirtschaftswunder 2 nach dem Zweiten Weltkrieg. "

BTW, "Wirtschaftswunder 2"? Was soll das denn sein? Der Begriff wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland geprägt und kennt weder Vorgänger noch Nachfolger, die man nummerieren müsste, bestenfalls identische Entwicklungen in anderen Ländern!

Den anderen Text lese ich erst ein weiteres Mal, wenn alle Schlampigkeiten entfernt/korrigiert wurden, das ist das Wenigste, was ein Leser von einem Autor erwarten kann, zumal (beim Papiertext) der Ich-Erzähler auch noch Kulturjournalist ist!!!
(Antwort korrigiert am 09.07.2013)
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