richtig sein

Erzählung zum Thema Abendstimmung

von  philippjonas

Sie lacht und sagt zu mir: „Lern liaba wos gscheits, sonst fährst immer am Limit“, und ich denk mir: der Wunsch nach einem Ergebnis muss Gift für jede kreative Arbeit sein.
Ich will mich nur ausdrücken, und mir ist egal, was das aus psychologischer Sicht bedeutet. Warum habe ich tausend Ideen, aber keine ist gut genug, warum bin ich immer schlau, wenn keiner da ist und warum spare ich mir immer meine Meinung. Außer bei mir selbst. Ich gehe auf jeden Fall immer weiter und bin es immer gegangen, nur vergesse ich vorher jedes mal die passenden Dinge für die Reise einzupacken und darum fällt mir der Weg zu schwer.
Entweder ich habe so viel, dass mir meine Füße schwer werden oder so wenig, dass sowieso alles ohne Aussicht läuft.
Wohin mit all meinen Gedanken? Am besten hebe ich sie auf, in einem großen Depot, so dass ich immer Zugriff auf sie habe.
Schließlich will ich heute Abend ja über mein Verhalten und meine Beziehung zu anderen nachdenken, das ist doch normal. Schließlich denkt jeder nach.
Ich denke, ich denke, ich denke, während du sprichst, wie meine Schuhe aussehen. Ich sehe dir auf die Lippen und frage mich, was du gerade denkst. Deine Worte sind schon verschwunden und sind nie richtig da gewesen. Ich blicke in die Ferne und beobachte die Wolken, die wie in Zeitlupe an uns vorbeiziehen und die Sonne verdecken, sodass der ganze Himmel in ein lebendiges Rot getaucht wird, und begreife, dass etwas getan werden muss.
Ich lache über die Absurdität dieses Momentes und schließe die Augen, doch die Welt kehrt nicht zurück in meinen Kopf. Nach wie vor verstehe ich deine Worte nicht. Einzelne Wörter werden in meinem Kopf nicht zu Sätzen gebildet, ich sehe dich direkt an, nein, ich starre dich an, und der erste Gedanke ist, ob dieses Starren dir Angst macht, so wie es mir Angst macht.
Ich fasse einzelne Wörter auf: „Arbeit, gschissene, so a, lauter, geht, gehen, laufen, schwimmen, fliegen, fliegen, fliegen, fliegen“.

Die Szene verschwindet, ich bin wieder bei mir, ich atme durch und stelle zwei banale allgemeine Fragen, um meine Aufmerksamkeit zu beteuern, schließlich hat man ja gesellschaftliche Verpflichtungen.
Und schließlich ist die Einfachheit des Erfolgs immer das, was schon vor einem liegt, in meinem Fall sind das wohl deine Fußstapfen.
Das Problem ist nur, dass du schon lange gegangen bist. Du sprichst nicht mehr. Vielleicht hast du es nie getan.
Nie gesprochen und auch nie gelacht.
Ich erinnere mich nicht an deine Antworten auf meine Fragen.
Ich denke nach, der Himmel ist purpurrot und die Wolken ziehen in langen dünnen Schwaden über den Horizont. Ich vergesse, warum ich hier bin. Ich habe es wohl nie gewusst. Dein Name will mir auch nicht mehr einfallen und ich streiche den Pullover auf meinem Bauch glatt. Mein Kopf fühlt sich leer und schwer an, ich bin müde und meine Augen brennen. Ich fühle mich einsam und tot, obwohl die Wirkung deines Verschwindens aus Erfahrung nachlässt, das habe ich mir gemerkt.
Ich denke an alles nur nicht an das gerade Passierte, ich kann es nicht und überhaupt, denken ist so schwer, wer soll mir das schon übelnehmen?

Mir fällt dein Name wieder ein und ich schreibe dir ein im Nachhinein dummes „sorry“.
Du antwortest nicht und wirst es nie tun.
Ich werfe mein Handy weg, breite meine Arme aus und hebe ab. Ich fliege immer höher und weiter und immer tiefer und weiter. Immer weiter.

Aber diesmal rufst du an und holst mich mit deinen wohl kilometerlangem Arm zurück auf die Pflastersteine des Hauptplatzes. Du lächelst und gibst mir einen Kuss auf die Wange. Ich atme ein und spüre die Weichheit deiner Lippen und deine Wärme. Du gehst weg. Ich blicke dir nach, ohne ein Wort zu sagen, ich spiele nur mit meinem Autoschlüssel in der Hosentasche.
Ich begreife, dass ich nie zu viel oder zu wenig hatte, sondern immer genau das richtige viel oder wenig.

Das richtige genau so.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(30.12.14)
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 philippjonas meinte dazu am 30.12.14:
Ist überarbeitet.
(Antwort korrigiert am 02.01.2015)

 Dieter_Rotmund (31.12.14)
Klassischer Nabelschau-Text: Ich, ich , ich.

Herzlich willkommen bei kV.
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