Regieanweisung für ein Leben im Kühlschrank

Groteske zum Thema Seelenkälte

von  tulpenrot

2. Fassung vom 06.03.2016


Das Ganze könnte man überall spielen:

1. Bild
Wie wir unsre wärmenden Mäntel zwanglos an der Garderobe zurücklassen und mit klammen Fingern die Tür von innen geschlossen halten. Die Kühlflüssigkeit rotiert monoton leise in den Wänden und hält die Innen-Temperatur. Auch ohne uns.
Unser Leben fahren wir nach und nach hinunter auf Minusgrade.

2. Bild
Wie wir auf kalt glitzernden Gittern sitzen und unsere Kinder mit gekühlter Muttermilch groß ziehen. Sie ist natürlich keimlos.

Selbstverständlich werden alle wärmenden Worte still gelegt. Sie wandern nicht mehr, gelangen weder von Mund zu Ohr noch bis zur Seele. Unsere Blicke erstarren in den Pupillen, bevor sie das Gegenüber erreichen.

3. Bild
Wir spielen, wie wir unsere Bücher einlagern, unser Wissen in Folie verpacken, jeden Gesprächsstoff auf Eis legen. Gesten des Zugewandtseins lassen wir erfrieren.

4. Bild
Wie wir allmählich gläsern werden. Manche lagern am Rand und haben es besser.
Dann husten wir uns eins und proklamieren die Eine - Welt - Stube im Kühlschrank.

5. Bild
Wie einzelne Frühaufsteher und Aussteigewillige gegen das Packeis arbeiten in der Hoffnung auf Erlösung. Sie glauben trotz Kälte und Dunkelheit an einen Weg hinaus.





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1. Fassung



Das Ganze könnte man überall spielen.

Wie wir auf kalten Gittern sitzen und unsere Kinder mit gekühlter Muttermilch groß ziehen. Sie ist natürlich keimlos.

Selbstverständlich werden unsere Worte still gelegt, unsere Blicke erstarren. Sie wandern nicht mehr von Mund zu Ohr, von Auge zu Auge.

Wie wir unsere Bücher einlagern, unser Wissen verpacken. Jeder Gesprächsstoff wird auf Eis gelegt. Gesten des Zugewandtseins lassen wir erfrieren. Das Leben fahren wir hinunter auf Minusgrade.

Wie wir unsre wärmenden Mäntel gedankenlos an der Garderobe zurückgelassen haben und mit klammen Fingern gegen eine Tür hämmern. Das hört sich stumpf an, sie ist gut isoliert. Die Kühlflüssigkeit rotiert in den Wänden und hält die Temperatur. Auch ohne uns.

Wir sind Frühaufsteher und arbeiten gegen das Packeis in der Hoffnung auf Erlösung. Wir glauben im Dunklen an einen Weg hinaus.

Wie wir allmählich gläsern werden.
Wir husten uns eins.
Die Eine - Welt - Stube im Kühlschrank. Manche lagern am Rand und haben es besser.

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Kommentare zu diesem Text


 idioma (02.03.16)
Ein wahrhaft bedenkenswerter trauriger Text.........

Wenn ihn Flüchtlinge läsen, wüssten sie, was sie erwartet.........

Ich wundere mich nur über den Titel :
"Regieanweisungen" fordern ja direkt auf, sie zu befolgen
und sich also dementsprechend zu verhalten....

Spontane Veränderungsvorschläge für Titel und ersten Satz :
"Lebenserfahrungen aus dem Kühlschrank"
oder
"Tiefgekühlte Lebenserfahrungen"

"Es kann sich leider überall so oder ähnlich abspielen :
....................................................................."

Aufwärmende Grüße !
idi

 tulpenrot meinte dazu am 03.03.16:
Hallo idi,
ich bin immer der Meinung, dass meine Texte nie fertig sind. Gestern habe ich aus Zeitnot zwei neue Texte einfach in die Öffentlichkeit geworfen, ohne sie zu Ende gedacht zu haben. Daher habe ich deine Vorschläge mit Interesse gelesen. Vielen Dank dafür.
An Flüchtlinge habe ich bei der Abfassung des Textes diesmal nicht explizit gedacht. Doch liegt die Interpretation eines Textes immer im Auge des Lesers.
Viele Grüße
tulpenrot
Hannahlulu (18)
(04.03.16)
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 tulpenrot antwortete darauf am 04.03.16:
Hallo Hannahlulu, ja, vielleicht musste ich das mal tun. Ich habe es jedenfalls versucht. Danke dir für Stern und Kommentar.
LG tulpenrot
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