Stimmungen

Gedankengedicht zum Thema Gesundheit

von  HarryStraight

1.
Ich bin nicht so allein,
als dass ich Lieder über die Einsamkeit
schreiben, oder hören würde.
Meine Mutter – sie ist immer da,
kocht essen, Putzt den Flur, oder wäscht Wäsche.
Bei ihr fühle ich mich geborgen.
Die Stadt ist belebt, nicht tot und fahl.
Immer wieder gehe ich den Weg auf das Haus zu,
gehe durch den Garten und klingele.
Hier ist immer klassische Musik an
und die Katzen drehen ein  paar Funny-Cat-Videos.
Die Nachbarn schicken über den Gartenzaun Wolken von Fliegen.
Nachts schlief ich draußen auf einem Schlauchboot,
doch das ist diesen Sommer im Keller verstaut.
Die meiste Zeit bin ich sowieso in der Psychiatrie.
Ich sah neulich einen Arzt in einem weißen Kittel.
Komisch, eigentlich tragen sie nie weiß.
Sollten die alten Zeiten wieder anbrechen?
Selbst von Elektrokrampftherapie war schon die Rede.
Davor habe ich große Angst, denn es ist eine alte Methode,
und Menschen wurden schon mit Strom gefoltert – in Psychiatrien.
Manchmal weiß ich nicht, ob ich gut aufgehoben bin.
Es ist alles so schwer.
Man muss begreifen, dass der eigene Verstand Grenzen hat
und dass andere vielleicht die Lage besser überschauen können.
Man muss die Angst vor der Schulmedizin verlieren,
wo die meisten Menschen noch Vorbehalte haben.
Sei ein Pionier, denke ich zu all den anderen Betroffenen.
Sei ein Pionier und lass das alles mal mit dir machen.
Wie komisch jetzt die anderen zu sehen in der Klinik -
Leute, die ganz neu dort sind
und noch keine Krankheitseinsicht haben.
Sie denken, die Ärzte wären irgendetwas Böses,
und die Tabletten wären Gift.
Die Nebenwirkungen sind auch nicht ohne,
aber was wären wir ohne die Tabletten?
Heilung geht nur sehr langsam voran.
Man muss lebenslang Pillen nehmen.
Ich habe sie weggeworfen
und nach drei Tagen schon wieder eine Psychose bekommen.
Samuel, Ambrosius, Juliana – die Stationen auf denen ich war.
Überall nette Leute, geben mir viel Kraft.
Wir leihen untereinander CD´s aus und spielen zusammen Gitarre
und singen.
Die Nächte werden besser;
Ich höre niemanden mehr im Schlaf reden.
Auch die Ärzte sind nett,
aber sie haben wenig Hoffnung und Mittel.
Das Ende naht.
Oder sollte ich umdenken?
Meine Zeit in der Psychiatrie wird zu Ende gehen,
aber werde ich auch geheilt werden,
Ich weiß es nicht…

2.
Ich kann nicht verstehen, dass die Kindheit vorbei sein soll,
vor allem die späte Kindheit der Jugend.
Ich sehe all die alten Fotos noch in den Händen des einstmals Jugendlichen.
Diese Hände, sie notieren noch die Namen der abgebildeten Personen auf den Fotorückseiten,
die Fingernägel angemalt und nach Nagellack riechend.
Fotos, auf denen jetzt nurnoch Geister zu sehen sind.
die Orte sind verlassen,
einst von Spaß und Rufen erfüllt.
Süße Zusammenkünfte – ein Wirgefühl ohne Zukunft.
Warum darf und kann Freude nicht überleben?
Das ist es was ich will und wieder sehen will:
Kliquenbildung wie in der Jugend.
Warum sollte sie als Idee verenden?
Es erfüllt mich mit Zorn, wenn ich daran denke.
Die Filme hatten recht.
Leere Weinflaschen liegen in meinem Zimmer,
ohne Flaschenpost.
Die Kameras haben die ganze Banalität der vergangen Zeit festgehalten,
den Leidensdruck der Gesichter und die feigen Intrigen.
Menschen, die sich nur in den Vordergrund spielen, sich an Kühlschränken vergreifen
und irgendetwas gegen ihre Langeweile tun müssen.
Irgendwo auf dieser Wegstrecke habe ich auch meine CD-Alben aufgenommen.
Ich bin stolz, die Silberlinge in den Händen zu halten.
Wir tragisch für die neuen Bands, der Verlust der Tonträger.
Aber was schwätze ich wie ein alter Mann?
Vielleicht weil ich einer bin…

3.
Du bist als Jugendliche in meinem Kopf,
auch wenn ich dich als Jugendliche gar nicht kannte.
Keine Ahnung wie du damals warst;
ich kenne nur die Fotos.
Vielleicht hättest du dich nie geändert,
wenn wir uns früher gekannt hätten.
Wir hätten uns auf die Band Tagtraum geeinigt
und wären dabei geblieben.
Ein Kondom von unserem Nachttisch ist davongekrochen wie eine Schnecke,
hinaus in den Garten, um dort im Gras zu verröcheln.
Auf dem Plattenspieler springt der Sound immer hin und her,
irgendwo zwischen „I got The spirit“ und „but lose the feeling“.
Was hast du gemeint als du sagtest Joy Division sei der Tod?
Die Erinnerungen an dich sind voller Sex.
Kein Ort und keine Stellung haben wir ausgelassen.
Selbst unsere Filme und unser Streit handelte von Sex.
Am Schluss konnte keiner treu bleiben.
Auch ich nicht, das muss ich endlich einsehen.
Konnte meine Finger nicht von dieser Frau lassen,
würde sie sogar jetzt noch beknabbern.
Da ist keine Sehnsucht mehr, es ist vorbei.
Ein Meer von Geschichten öffnet sich mir –
ich kann sie alle noch lesen.
Warum also verzagt sein
und Angst haben, nicht mehr zum Zug zu kommen,
für immer einsam zu sein,
wo doch die Hoffnung aller Ortens am Leben ist –
in jedem künstlerischen Zeugnis von Menschen.

4.
Ich hatte mal Angst blind zu werden
so stark waren meine Sehstörungen ausgeprägt.
habe heute immer noch welche,
und frage mich was das soll,
ob die Menschen das nicht sein lassen können.
Eine Welt voller bösen Zauber.
Vielleicht bist du ja eine Nette -
Frau die mich ansprach und deren Haare so rot waren.
Wenn ich nur nicht so stark sabbern würde, wenn ich dich sehe.
Ich komme dir sogleich zu nahe und du merkst es,
da ist unangenehm.
Jedenfalls hast du wenigstens nicht mit der Gabel in meinem Magen rumgestochert.
Du schnarchtest mich nicht zu
und du gabst mir nicht den Baby-Punkt.
Das kann alles noch kommen, oh je.
Katastrophe.
Katastropohenleben dort in der Psychiatrie.
Wen darf ich endlich endlich lieben.
Warum laufen alle immer nur weg vor mir?
Es ist darum, damit ich irgendwann die Eine finde und sagen kann:
Oh Baby, die Welt war leer ohne dich! Wie haben gerade wir uns finden können, so ein WUNDER!
Also mal ehrlich – ist es ein Wunder wenn wir vorher nicht den tristen Alltag gekannt haben?
In Restaurants essen sie Schnecken.
Doch auch der Fraß in der Kantine ist zum Würgen.


Anmerkung von HarryStraight:

To be continued.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (03.08.16)
Beste Stelle: "die Katzen drehen ein paar Funny-Cat-Videos"

Aber Ich-Erzähler, die in der Psychatrie sind, gibts hier bei kV wie Sand am Meer, dadurch wirde der zweite Teil sehr bleiern. Warum nicht mal Protagonisten, die mit beiden Beinen im Leben stehen?

Und "putzen" ist ein Verb.
David_Sternmann (34) meinte dazu am 03.08.16:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 HarryStraight antwortete darauf am 06.08.16:
Mit beiden Beinen im Leben stehen, der Anspruch gilt auch für Patienten. Wir sind Experten in eigener Sache und bieten jeden Tag den schwierigsten Umständen die Stirn.
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