(3) - Im Siechbett

Lyrischer Prosatext

von  autoralexanderschwarz

I
Im Siechbett träumen wir von Rapunzeln und langen Haaren,
wie Ophelien treiben wir durch unsinnig lange Krankenhausflure,
wie junge Ratten haben wir eine schöne Jugend verbracht
und versuchen nun verzweifelt
uns daran zu erinnern:

wir haben dabei wohl zu oft an psychedelischen Kröten gesaugt,
sind selbst ein willfähriger Proteus geworden,
quaken nicht mal mehr herum
und verharren selbst bei Sonnenschein
auf der untersten Stufe der Leiter.

Unser Krankenbett läuft währenddessen geräuschlos auf Rollen,
in OP-Hemd und Netzhöschen versuchen wir die Kontrolle zu behalten,
„sachte, sachte“, flüstern wir halb betäubt den allzuhastigen Pflegern zu,
die so garstig unser Bett immer wieder gegen Ecken und Kanten stoßen.

II
„Kommt doch alle hinzu“, rufen wir den Assistenzärzten und Studenten zu,
„wir haben genug Eiter für euch alle.“

Wenn wir wohl auch den Krieg verloren haben,
haben wir doch zumindest den größten Abszess davongetragen,
in den jeder gerne einmal selber hineinschneiden möchte:

Mit multiresistenten Keimen haben wir uns einen Flohzirkus gebaut
und warten lange, bis sich endlich die kleine Wippe bewegt
– wir beobachten uns dabei sehr genau –
doch irgendwann setzen sich dann nach und nach
auch die anderen Gerätschaften in Bewegung.

Nur unser kleines Karussell will sich nicht mehr drehen.

III
Wir lachen ziemlich alleine über das bisschen Schmerz,
weil unser Schmerzzentrumsschwerpunkt sich längst
in eine ganze andere Richtung verschoben hat,
wir hören nur das Schmatzen,
als der Chirurg
mit dem Skalpell
lächelnd
in den Abszess schneidet,
– wir beobachten ihn dabei sehr genau –
wie Schlittschuhkufen gleitet die Klinge durch das Fleisch,
nur noch eine letzte Pirouette fühlen wir,
dann tanzen wir durch die Drainage in die Betäubung.

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Kommentare zu diesem Text

Marjanna (68)
(03.08.18)
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