Frau Paulsen

Text

von  Viriditas

Frau Paulsen saß in ihrer Amtsstube. Sie lauschte dem leisen Ticken der Wanduhr und beobachtete, wie sich der Zeiger unaufhörlich weiter schob. Ansonsten war kein Geräusch zu hören.
Für Frau Paulsen schien sich die Zeit ins Unendliche zu dehnen. So ging das schon zwanzig Jahre, und Frau Paulsen beschlich das Gefühl zu verstauben.
Auch der Blick aus dem Fenster war alles andere als verheißungsvoll. Sie schaute hinaus auf den Parkplatz im Innenhof und an die Hauswand des gegenüberliegenden Gebäudes. Grau, alles grau.
Grau war die Farbe im Leben von Frau Paulsen. Sie schaute an sich hinunter, ja, da war auch alles grau. Selbst ihre Träume waren im Laufe der Jahre verblasst, und ein Grauschleier hatte sich auch über diese gelegt.
Ihr Blick fiel auf den Stapel Akten vor ihr auf dem Tisch. Ihr kam es vor, als hätte er immer die gleiche Höhe, ganz unabhängig davon, wieviel sie abarbeitete.
Immer das ewig Gleiche. Wie oft hatte Frau Paulsen sich gewünscht, dass sich etwas Besonderes, Ungewöhnliches, Aufregendes ereignen würde. Irgendwann wurde auch dieser Wunsch grau und nebulös.
Sie starrte auf die Akten, unfähig, etwas zu denken oder zu fühlen. Nach einer zeitlosen Weile horchte sie auf und hörte: Nichts. Absolute Stille. Es dauerte einen zähen Augenblick, bis Frau Paulsen erfasste, was geschehen war. Der Sekundenzeiger der Wanduhr war bei sechsunddreißig Sekunden stehengeblieben.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (05.02.19)
Jetzt, wo sich die schicksalhafte Frage auftut, ist das der Moment, der in Frau Paulsens Leben schlagartig eine Wende bringt...?
Ich vermute sie lässt sich pensionieren
LG TT

 Viriditas meinte dazu am 06.02.19:
Kann man noch nicht sagen ... mal sehen ...

 princess (07.02.19)
Jetzt schlägt's aber 36! Nachdem der Stillstand nun wahrnehmbar eingetreten ist, hat Frau Paulsen endlich eine hervorragende Ausgangsposition, um sich in Bewegung zu setzen.

LG p.
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