Der Sommer floss träge dahin. Er fühlte sich an wie zäh fließender Honig. Doch unter dieser klebrigen Schicht verbarg sich der Alltag. Wie jedes Jahr erfüllte das Surren der Fliegen die Luft – bedauerlicherweise in meiner Küche.
Es gab letztlich nur zwei wirksame Mittel gegen dieses Gesurre: die unvermeidlichen klebrigen Fliegenfänger, bei deren Anbringung man höllisch aufpassen musste, sich nicht in ihnen zu verfangen und die dann korkenzieherartig von der Decke herabhingen und den Stubenfliegen zu einem elenden Tod verhalfen. Nicht schön, aber wirksam. Meist vergaß ich sie und entfernte erst im kommenden Frühjahr die Leichen, wieder mit der in dem Fall noch schlimmeren Gefahr, sich in all den Fliegenleichen zu verheddern. Eine ekelhafte Vorstellung. Die zweite Waffe war die klassische Fliegenklatsche. Deren Einsatz erforderte jedoch eine Menge Aufmerksamkeit und Energie. Und schön sah es auch nicht aus, wenn sich die Leichen im eigenen Umkreis nach und nach ansammelten.
So kam es, dass ich an einem dieser klebrigen Sommertage auf die aberwitzige Idee kam, in eine Art von Verbindung mit diesen Tieren, von denen ich mich fragte, wozu ihnen ein Platz in der Schöpfung eingerichtet wurde, zu kommen. Es musste doch möglich sein, dass ich als durchschnittlich intelligentes Wesen diesem Morden ein Ende setzen würde.
Mit der Zeit erwies sich das als ein vollkommen sinnloses Unterfangen, und ich begann ernsthafte Zweifel an meiner intellektuellen Überlegenheit zu haben. Die Fliegen zeigten nicht das geringste Interesse, im Gegenteil, der Sommer wurde heißer, die Fliegen wurden mehr. Sie surrten und schwirrten am liebsten um meinen Kopf herum, störten sich offensichtlich nicht im geringsten an meiner Gegenwart.
Jedes Paradies brauchte seine Schlange, in diesem Fall in Form von Stubenfliegen. Ich verlor die Beherrschung, und das aktive Morden mit der Fliegenklatsche ging weiter. Und kam zu der Erkenntnis, dass die Daseinsberechtigung von Stubenfliegen wohl darin liegen müsse, die Geduld des Menschen zu prüfen. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich bei dieser Prüfung eindeutig durchgefallen.
Das Ende des Sommers nahte und nach und nach erlagen die Stubenfliegen ihrem Schicksal. Zumindest die meisten. Eintagsfliegen, so nannte man sie doch, das konnte ja nicht mehr lange dauern. Weit gefehlt, die verbliebenen Exemplare schafften es problemlos, auf meinen Nerven herum zu geigen. Trotzdem, es musste möglich sein, standhaft zu bleiben und meine Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Ich wollte mich nicht von ein paar Stubenfliegen unterkriegen lassen.
Viele Kubikmeter Raum umgaben mich,aber die verbliebenen Flugobjekte fanden immer den Weg in meine Haare, in mein Gesicht, was mich jedesmal zum Fluchen brachte. Ich kam zu dem Schluss, dass es eine Art magische Anziehungskraft zwischen Fliege und Mensch geben müsse. Ich spielte immer wieder mit dem Gedanken, den Störenfrieden den Garaus zu machen, aber wenn ich sie jetzt töten würde, käme ich mir noch lächerlicher vor.
Neujahr war seit zwei Tagen vorbei. Es gab weiterhin Überlebende, und ich hegte den Verdacht, dass sie sich irgendwo heimlich vermehrten. Durchhalten war die Devise. Wenn ich jetzt aufgab, wären alle willentlichen Anstrengungen umsonst, vergebens gewesen. Seit Wochen frage ich mich, ob sie gar bis zum nächsten Frühling durchhalten würden.
Irgendwann Ende Januar fiel es mir auf. Keine Fliege mehr, keine einzige. Ruhe im Saal. Ich hatte es tatsächlich geschafft, keine Fliege mehr, die unbedarft auf dem Tisch saß und ihre Beinchen putzte, mit dem brachialen Schlag der Fliegenklatsche zu töten, sie plötzlich und unvermittelt aus ihrem Leben zu reißen. Aber was das ein Grund zu triumphieren?
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