Im von Hinkelsteinen und Felsen mit Quarzadern natürlich dekorierten Wald- und hügelreichen Edelstein-Gebiet um Idar Oberstein, bei Birkenfeld residieren im Dörfchen Abentheuer 20 bunte Gemeinschaftsmenschen auf einem Hof. Kein Wunder, dass in der Gegend eine keltische Ruine gefunden wurde.
Idyllisch, fast utopisch wirkt der Hof. Mit großem alten Gästehaus auf der einen Seite, Bruchstein-Wohnhaus und Hare-Krishna-Tempelhaus auf anderer. Ein Holzfensterläden-schmuckes Wohnhaus. Sie nennen es Bachhaus, da hinter diesem zwei Bäche vereint unter der eigenen kleinen Brücke plätschern.
Nach den tollen Wanderetappen waren wir hier zu einem Mal die Hindu-Gemeinschaft Beschnuppern-Kurzurlaub und den Drachenflieger-Freund besuchen. Und wirklich konnten wir hier leibhaftig erfahren, wie die ihr eigenes Brunnenwasser als Leitungswasser, Gartengemüse und Streuobst, Kräuter und Blumen, einen Holzgasofen für Wärme und Küchengas hegen und pflegen.
Gewächshäuser flankieren die Blumen- und Gartenbeete wie Werkstattschuppen. Alte Bäume und ein angestauter Teich, darüber eine Himmelsschaukel am Baum, säumen das Grundstück von der einen Seite zusammen mit dem Bach und dem nachbarlichen Landhaus mit Pferden, von der anderen. Hangaufwärts die Landstraße zu dem Govinda-Werk: passenderweise für indische Delikatessen mit Bioqualität. Denn hier gibt es Prasadam, das ist das im Tempel von den Gottheiten als Prasad angenommene und geweihte Essen, ayurvedisch sattvisch, von mit achtsamer Zubereitung betrauten initiierten Hindus köstlich frisch gekocht und gebacken.
Hier mitten in Deutschland leben die westlichen Hindus mit wechselnden internationalen Gästen als Familien mit eigener Wohnung oder sonst als WG, chanten im festlichen Tempel das Mahamantra: „Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna Krishna, Hare Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama Rama, Hare Hare.“
Für Vishnu-Anhänger, auch Vaischnavas genannt, sind es die in den Upanishaden so besungenen Namen, Inkarnationen des Höchsten Gottes, sie chanten um sich des Göttlichen gewahr zu sein; mit Harmonium, Krugtrommeln, Klangschellen und Panflöte begleitet so schön, so klar, so meditativ, dass ich mir etwa dachte: „Klar, dass der Familienmann - so in seiner Mitte - auch beim Fliegen ganz natürlich weltspitze ist.“ Eine Enklave von indischer Feinsinnigkeit, Leben zelebrierend.
Es dünkt mir, dass die Kinder hier noch frei und froh Kind sein können; erklärt sich von selbst, wie etwa die Londoner Lehrerin für Drama-Theaterkurse, mit dem Kürzestnamen V, hier zum Vollenden ihrer Schreibprojekte hinkommt, oder wie eine junge Frau aus Heidelberg hier ihre Überstunden abfeiert, indem sie im Garten Blumengirlanden für den Tempel fädelt. – Seva, Dienst ist das übrigens.
Auch wir dürfen Seva machen, im Tempel putzen, wo man im Schneidersitz mit Kissen auf dem Parkettboden sitzt.
Wer mag, kann sich auch im Tempelshop einkleiden, die Bewohner dort tragen Tulsi-Holzperlenketten, das heilige Tulsikraut aromatisiert wie unser Basilikum, ziert auch verschiedene Kuchen. – Auf der Zugfahrt heim esse ich meinen veganen gedeckten Zwetschgenkuchen, auf dem ein duftendes Tulsistängelchen tront, der Rastafari mir gegenüber schmunzelt mich an wie ein Insider-Marihuana-Kuchengesicht. Ich strahle ihn an.
Eindrücke von Abentheuer lebendig, öffne ich das mir geschenkte Buch über Krishna.
Wochenlang höre ich Chants auf Youtube, schaue nach Saris sowie Salwars.
Was ist das eigentlich da genau für eine Gemeinschaft? – Vor Ort habe ich erfragt, sie existiert seit 1996, einige sind seither dabei, sie ist organisiert als Verein und Freundeskreis namens Goloka-Dhama. Auch erfuhr ich, Entscheidungen werden in Abstimmung getroffen, es gibt einen gewählten Präsidenten, derzeit ist das ein Französisch Muttersprachler Schüler des aus dem Körper gegangenen Gurus, A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada, der zwischen 1896 und 1977 lebte.
Prabhu, wie er liebevoll von seinen Anhängern genannt wird, gründete 1966 in New York ISKCON – die Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein. Bekannt ist es hierzulande unter dem Namen “Hare-Krishna-Bewegung“, 1969 in Hamburg, verbreitete sich diese Bewegung als Großstadtreligion weltweit. Sechs in Deutschland gelegene Standorte finde ich im Internet.
Der Tempel ist Sri Sri Radha Madana-Mohanas. Das ist die Deity, ein als weibliche und männliche Gottheit dargestelltes Paar.
Bei Vorträgen wird hier generell Englisch gesprochen, für die Gäste aus aller Herren Länder. Während ich da für drei Übernachtungen bis zum Sonntag gewesen bin, waren da auch einige. Ein Dia-Vortrag während des Sonntagsfestes einer Deutschen Wahl-Inderin aus Mayapur gab einen Rundgang, eine Reisebeschreibung mit Insidertipps für die Lotosblüten-Blätter-Inselstadt.
Auf der Homepage finde ich weitere Informationen, zu den Aufgaben und Inhalten der Freundeskreismitglieder gehört natürlich das tägliche Puja - also dem Verehrungsablauf, für Gottheiten und den Guru -, das wöchentliche Sonntagsfest, Festivals und Seva – übrigens nicht nur Dienst generell, auch Speisung – der Vaishnavas, Blumen und Altardekoration, und dann auch zu renovieren, anzubauen, auszubauen.
Übrigens: Alle Hindus können sich einigen auf einen Konsens zur Heiligkeit von Om, zum Folgen der Shastras, wie der Veden, der Bhagavadgita. Dieses Gita-Bild entstammt der Freundeskreis-Internetseite.