Meinungsbildung

Schauspiel zum Thema Verlangen

von  Oreste

Als ich mich gestern mit einem befreundeten Psychiater auf einen Latte Macchiato in Mitte traf, erzählte mir dieser, dass unser Gehirn nicht kategorisch zwischen Fantasie und so genannter Realität unterscheide. Gemäß einer aktuellen Studie spiele sich beides zwar in räumlich getrennten Regionen ab, dennoch ließe sich unser Gehirn – etwa zu psychotherapeutischen Zwecken – mittels Imagination wunderbar austricksen.
Ich fand das äußerst spannend und fragte rein interessehalber, wie sich das mit diesem Phänomen konkret verhalte, wenn jemand circa fünf bis siebzehn Mal am Tag daran denke, ja sich bildhaft vorstelle, ein alternierendes Stück Menschheit um sich herum mit einem äußerst stumpfen Gegenstand zu erstechen.
Nun, erläuterte mir der befreundete Psychiater, seien die Gedanken ja bekanntermaßen frei und auch die Einbildung täte niemandem weh; überhaupt handele es sich um einen großen Irrtum, dass ausgeprägte Gewaltfantasien Realität erschafften – vielmehr verhinderten sie diese!
Staunend nippte ich an meinem Kaffeemixgetränk und hatte dazu keine Meinung.

Zum Dank für dieses gleichwohl denkwürdige Gespräch beschloss ich, den befreundeten Psychiater einzuladen. Da ich nun niemand bin, der Großzügigkeit gern zur Schau stellt, wartete ich auf eine günstige Gelegenheit, dies still und heimlich zu tun. Und wie es der Zufall wollte, bekam der befreundete Psychiater einen Anruf auf seinem Smartphone, woraufhin er das Lokal kurz verließ.
Es lässt sich in Zahlen nicht ausdrücken, wie viele Zeichen und Laute ich fortan bemühte, die Bedienung möglichst rasch auf mich aufmerksam zu machen. Sehr genau lassen sich hingegen die Blicke deuten, welche sie mir dabei zuwarf. Drei unmissverständliche Botschaften spiegelten sich in ihnen wider:

1. Ich seh dich.
2. Ich weiß, was du vorhast.
3. Nein.

Sie ließ mich buchstäblich aussehen wie einen Hampelmann. Dabei lieferte ich ihr nicht den geringsten Grund für ein solch niederträchtiges Verhalten – es ist schließlich nicht meine Schuld, dass sie als Fortysomething noch immer Tische abwischen, Aschenbecher leeren und fremden Leuten schöne Tage wünschen muss. Zu Recht. Ich biss vor Wut ein drittes Loch in meinen Strohhalm.
Just als der befreundete Psychiater mir gegenüber wieder Platz nahm, stand sie mit natürlich wirkendem Lächeln samt Rechnung an unserem Tisch. Dazu gab es zwei kleine Zartbitteraufmerksamkeiten. Noch ehe ich irgendetwas auf den … schönen Tag, welchen sie uns wünschte, erwidern konnte, war sie mit raschem Schritt und üppigem Trinkgeld auch schon wieder verschwunden. Der befreundete Psychiater verstaute seine Geldbörse, nickte mir zu und begab sich schon mal zur Garderobe.
In diesem Moment stach mir dieser formschöne Latte-Macchiato-Löffel ins Auge. Ich nahm ihn unauffällig in die Hand und gab dem befreundeten Psychiater zu verstehen, dass ich noch etwas sitzen bliebe, um mir eine Meinung zu bilden.


Anmerkung von Oreste:

2015 [überarbeitet]

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (14.02.19)
jetzt beginnt die denkarbeit des interpreten. (ich mach mir dann mal meine gedanken.)

 Oreste meinte dazu am 16.02.19:
Haben deine Gedanken schon etwas Konkretes hervorgebracht?

 LottaManguetti (14.02.19)
Zartbitteraufmerksamkeiten! Sei ehrlich: Du hast nur den Text drumrum geschrieben, weil dir dieses Wort auf der Zunge zergangen ist!

:D

(Kenn den noch, den Text. Schön, dass er wieder hier ist)

Lotti (war hier :D)

 Oreste antwortete darauf am 16.02.19:
Mit deiner kühnen Analyse bleibt mir kein Millimeter Raum mehr, dir ein X für ein U vorzumachen, Lotta.

Danke! (-:

Oresti (campt hier)

 tulpenrot (14.02.19)
Kann ich jetzt auch einen Latte-Macchiato-Löffel im Auge haben? Bitte!

 Irma schrieb daraufhin am 14.02.19:
:D Darum wollte ich auch gerade bitten. Also gleich zwei, bitte! LG Irma
Paulila (55) äußerte darauf am 14.02.19:
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Iktomi (74) ergänzte dazu am 14.02.19:
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 Oreste meinte dazu am 16.02.19:
2 x Auge (könnte aber weh tun)
1 x Herz (dito)
1 x Zartbitteraufmerksamkeit (mit legendärem Schmelz)

-> Läuft!
Fisch (55)
(14.02.19)
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 Oreste meinte dazu am 16.02.19:
Fisch, Fische sabbern selten.

Danke!

Regenwurmgruß
O.
MichaelBerger (44)
(15.02.19)
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 Oreste meinte dazu am 16.02.19:
Wie schön. Danke! (-:
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