An allen Dingen

Gedicht

von  unangepasste

hängt ein dumpfer Schrei.
Das Wilde zwischen ihren Silben
löst ihn nicht.

Bis an die Stirn
reicht mir der Ruf von einst.
Ich fülle ihn mit Gelb,
damit die Ahnen leiser
durch die Risse meiner Sprache
klingen.

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Kommentare zu diesem Text

Jo-W. (83)
(13.04.19)
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 unangepasste meinte dazu am 13.04.19:
Vielen Dank, freut mich, wenn eine Wirkung rüberkommt. Einen Morgengruß zurück!

 juttavon (14.04.19)
Wieder sehr intensive Bilder, die Beziehung und Sprache umkreisen. Schön auch die Anlehnung an J. v. Eichendorffs "Schläft ein Lied in allen Dingen"...

Mit der mittleren Strophe habe ich es schwer, vor allem mit "Und in den Worten schwimmen Geister". Das hat etwas Ungeschicktes, etwa als ob Du die Fantasie von Kindern nachahmen wolltest.
(Kannst Du die Strophe ganz weglassen?)

HG Jutta

 unangepasste antwortete darauf am 16.04.19:
Danke! Ja, ich überlege, denke spontan auch, die Strophe kann entfallen, aber hätte gern eine zweite Meinung dazu :)
Vielleicht äußert sich ja noch jemand dazu.

Edit: Ich ändere es, poste aber hier noch die alte Fassung:

An allen Dingen

hängt ein dumpfer Schrei.
Das Wilde zwischen ihren Silben
löst ihn nicht.

Und in den Worten schwimmen Geister,
drückt mich unser Schweigen
mit der Hand aus dem Gespräch.

Bis an die Stirn
reicht mir der Ruf von einst.
Ich fülle ihn mit Gelb,
damit die Ahnen leiser
durch die Risse meiner Sprache
klingen.

Antwort geändert am 16.04.2019 um 15:11 Uhr

 juttavon schrieb daraufhin am 18.04.19:
So spricht das Gedicht mich wirklich ganz an.

Außerdem klingt der helle "i"-Laut von "Beginn" bis "klingen" in fast jeder Zeile durch das ganze Gedicht. Davon hebt sich das "u" in "dumpfer" und dann in "Ruf" gut ab, und so wirken die beiden Worte wie ein Echo.

HG Jutta

 FrankReich (23.04.19)
Für mich lässt dieses Gedicht nur einen Schluss zu.
Gibt es von Deiner Seite eine eindeutige Interpretation dazu, oder lässt Du Dir selbst Wege offen?
Ich frage das deshalb, weil der ursprüngliche Zwischentext auch meiner Meinung nach ein Füllsel darstellte, und mich interessiert, ob es sich insgesamt um eine reine Gedanken,- Gefühlsarbeit, oder eine Mischung daraus handelt.
Ciao, Ralf

P. S.: Ich hätte mich besser vorher auf Deiner Seite umsehen sollen. Sorry, Du bist absoluter Profi, aber dennoch: Wie viele Bedeutungen hat es für Dich?

Kommentar geändert am 24.04.2019 um 16:15 Uhr

 unangepasste äußerte darauf am 25.04.19:
Danke für deinen Kommentar! Und nein, bitte denke nicht, ich sei ein Profi und das ein Grund, zurückhaltend zu sein. Wenn ich hier Texte einstelle, dann häufig deshalb, weil ich mir unsicher bin, wie sie bei möglichen Lesern ankommen. Oft grabe ich alte Entwürfe von meiner Festplatte hervor und frage mich, ob sie für eine Veröffentlichung (in Zeitschriften etc.) taugen. Ich freue mich über jede Rückmeldung dazu.
Zu deiner Frage:
Entstehungshintergrund war ein Wettbewerbsthema. Dieser Text ist für die Ausschreibung entstanden, aber letztlich habe ich ihn nicht eingereicht. Somit kann man es meiner Meinung nach weder richtig als Gedankenarbeit noch als Gefühlsarbeit bezeichnen. Oder vielmehr: je nachdem, was man darunter versteht. Gefühle kommen natürlich auf, aber sie entstehen meist im Schreiben, somit ist es keine Verarbeitung. Eher würde ich sagen: Ich beginne etwas und bin selbst gespannt, wo es mich hinführt, was ich dabei fühle und sehe. Vielleicht kann man den zweiten Schritt als Gedankenarbeit bezeichnen: das Überarbeiten, nachdem ich den Text eine Weile weggelegt habe. Dann gehe ich in der Regel nämlich sehr rational vor, während beim ersten Entwurf das Intuitive im Vordergrund steht.

Natürlich habe ich beim Schreiben selbst eine Bedeutung im Kopf. Aber es ist nicht falsch, wenn der Leser andere Nuancen erkennt, die im Text sicher auch stecken. Worte sind eben doch ein seltsames Ding, und ein Autor gibt ihnen Leben, das sich manchmal verselbständigt.
Hier ging es mir darum, dass an allen Worten eine Vergangenheit, eine konventionalisierte Bedeutung haftet, von der sie sich nicht befreien können, oder besser gesagt: ich als Schreibende sie nicht befreien kann. Somit kann ich mit den Worten auch immer nur einen begrenzen Bereich transportieren - dabei will ich darüber hinausgehen, denn das Gedanken-Gefühlskonstrukt, dieses "Etwas", das es vor dem Schreiben gibt, ist viel vielfältiger, und kein Wort reicht für alle Nuancen aus. Dennoch versuche ich gerade bei Lyrik den Ausbruch, das Unsagbare doch irgendwie in die Zeilen zu legen, den Worten mehr zu geben als Konvention ...
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu ausführlich.
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