So, jetzt kannste dir einen kalten Arsch holen.
Das anhaltende Klingeln des Weckers riss mich aus dem Schlaf. Vergebens suchte ich, ... nichts. Schlaftrunken machte ich die Nachttischlampe an. Der verdammte Wecker, friedlich war er aus dem Bett gefallen, er war es nicht, denn es klingelte noch immer.
Das Telefon! Nun musste ich aufstehen, denn ich hatte gestern Abend vergessen den Hörer mit rein zu nehmen. Ich schaute auf die Uhr 1°°, wer rief um diese Zeit an? Gerade wollte ich abnehmen, war es still. Unheimlich still.
War es einer meiner Söhne, ist jemand krank, oder gar etwas Schlimmes passiert? Der Hund musste raus, eigentlich nicht üblich um diese Zeit.
So ging ich auch zur Toilette. Auf diesen Schreck hin dauerte es etwas länger und genau da klingelte es wieder. Jeder weiß wie das ist, wenn man bei dieser Sache gestört wird. Nun rannte ich wieder zum Flur. Bis ich dort war, wieder nichts. Jetzt nahm ich den verdammten Hörer mit ins Bad. Wer hatte so etwas Wichtiges mit mir zu sprechen, dass es keine Zeit hat bis morgen?
Nun bellt der Hund, er wollte rein. Die Nachbarn werden sich morgen wieder mal beschweren, denn so klein ein Dackel ist, mit seiner lauten Stimme nimmt er es spielen mit einem Großen auf. Zumal wenn er etwas will.
Ob die Zeitung schon da ist? Ich schlurfe in den Pantoffeln zum Briefkasten. Gerade als ich den Schlüssel einsteckte, klingelte es wieder. Ich rannte, dabei verlor ich den einen Hausschuh, doch bis ich dort war, ...Stille.
Mein Grübeln nahm kein Ende. Sollte ich doch mal bei meinen Söhnen anrufen? Aber wenn nichts ist, weckte ich sie umsonst, alle sind berufstätig und mussten schon sehr früh aufstehen. Ich zog den Rollladen in der Küche hoch, denn ich wusste nach der gestörten Nachtruhe werde ich morgen früh etwas länger schlafen. Es musste ja niemand davon wissen, und die Leute werden sonst denken ich bin mal wieder weg. Es wurde sowieso viel getratscht. Angeblich hatte ich es mit jedem Mann, dort im Friedhof, der bei mir stehen blieb. Dabei habe ich so etwas überhaupt nicht im Sinn. Ich freue mich nur, für die Teilnahme, denn das ist viel zu selten.
Beim Nachbar brannte auch noch Licht. Schnell noch mal ins Bett, mittlerweile war es 2°° Uhr. Schön mollig, schlafe ich auch gleich ein. Natürlich war es dann am Morgen 9°° als ich erwachte. Nach dem Frühstück machte ich meinen täglichen Besuch bei meinem Mann. Es dauerte immer eine Weile, weil fast alle Leute ein Schwätzchen halten wollte. In der letzten Zeit waren sehr viele Frauen verstorben. Natürlich blieb ich bei dem Einen oder Anderen stehen, weil ich die Frauen gut gekannt hatte. Nebenan goss ein Skatbruder meines Mannes das Grab seiner Frau. Sie waren beide im gleichen Zeitraum gestorben.
„Geht es Dir nicht gut, du siehst so schlecht aus.“ Dabei legte er sanft seine Hand auf meinen Arm. Alles kann ich leiden, nur das nicht. Keine Berührung von einem Fremden. Ich zuckte zurück, er bemerkte es und ging sofort auf Abstand.
„Ich habe schlecht geschlafen.“ Zu Hause rief ich meine Kinder an. Sie wussten beide nichts von einem Anruf,
„da hatte sich einer einen Scherz erlaubt“, sagten sie. In der nächsten Nacht, das gleiche Spiel. Vorsichtshalber hatte ich den Hörer mit ans Bett genommen. Schon beim ersten Klingelzeichen hob ich ab, und nannte meinen Namen. Ich hörte nur ein hartes Atmen. Entsetzt legte ich sofort wieder auf, aber es klingelte wieder. Ich beschimpfte ihn mit allen unflätigen Worten die mir einfielen.
Erschöpft und zitternd legte ich auf.
„So, der hat genug“, dachte ich, weit gefehlt. Es klingelte abermals. Ich nahm den Hörer und legte ihn in den Kühlschrank.
„Jetzt kannst du dir einen kalten Arsch holen“, sagte ich und musste lachen, bei dem Gedanken. Trotzdem war die Nacht für mich zu Ende. Ich holte mir die Zeitung aus dem Rohr, dabei bemerkte ich bei unserem Nachbar Licht. Wieder mal. Er hielt den Telefonhörer in der Hand.
„Na warte“, dachte ich laut,
„Morgen früh setzt es etwas, das kannst du was erleben, du Schwein.“ Ich passte ihn ab, als er ins Auto einsteigen wollte und stellte ihn zur Rede. Konsterniert schaute er mich an,
„was soll ich gemacht haben?“ Ich ließ ihn aber nicht zu Wort kommen,
„ich werde es deiner Frau sagen.“
„Na dann kannst du es sofort machen, da kommt sie gerade.“ Er erzählte ihr von meinem Vorwurf, jetzt wurde ich doch unsicher. Mit ernstem Gesicht kläre sie mich auf, dass sie um diese Zeit immer mit ihrer Tochter in Amerika telefonieren, so früh, oder wie mal will, so spät, wegen der Zeitverschiebung. Tausendmal entschuldigte ich mich. „Schwamm drüber. Wir kommen heute Mittag zu dir, dann reden wir weiter.“
Solange wollte ich nicht warten, ging zur Polizei und sie beantragte eine Fangschaltung. Nächste Nacht passierte nix, ‚hatte er etwas gemerkt?’ Am Morgen machte ich meine Arbeit wie gewohnt, schrieb ein wenig am PC, bis das Telefon klingelte. Wirklich nichts ahnend, ging ich dran, wollte aber nur noch den Mithörer ausschalten, es musste ja nicht jeder meine Privatgespräche hören. Einem inneren Impuls folgen ließ ich es. Gut dass ich es nicht tat. Er war wieder dran, jetzt musste ich ihn solange hinhalten, bis man seinen Apparat geortet hatte. Es dauerte meistens fünf Minuten. Keiner glaubt wie lange fünf Minuten sein können. Nun wusste ich nicht ob das Gerät funktionierte. Was soll ich sagen, sie hatten ihn. Es war Edgar Heim, mein Grabnachbar. Er hatte sich nicht getraut offen mit mir zu reden, Seit langem verehrte er mich. In den Nächten war seine Sehnsucht so stark, dass er meine Stimme hören wollte. Da das aber eine Straftat ist, bekam er eine Verwarnung und darf sich mir nicht nähern.
Aber ich werde trotzdem seiner Frau die Blumen gießen.