warten und fast nichts tun - außer den Lippenstift benutzen

Kurzprosa zum Thema Warten

von  tulpenrot

Da liegen oder sitzen wir im Wartebereich des Flures im Krankenhaus und wissen nicht, wie unser Leben weitergeht. Wir üben das zwar alles lebenslang immer wieder neu und können es trotzdem nicht. Das Warten. Es ist einfach zu lang. Und das Behandelt-werden-müssen ist immer wieder ungewohnt. Wir sind zwar alt und gelten als erfahren, aber wir wissen dennoch zu wenig über das, was uns bevorsteht, oder können es nur andeutungsweise ahnen.
Wir sind ziemlich viele Leute hier. Man wird uns aufrufen, dann sind wir „dran“ – aber wann?

Der Mann dort drüben im Bett scheint schwer krank zu sein, er wartet hier sicher auf seine Operation. Niemand ist bei ihm. Hat er Angst? Er hat bestimmt viel vor sich und sicher auch schon viel hinter sich. Er tut mir Leid. Bald ist Weihnachten, ich wünschte, dass man ihn hoffentlich ins nächste Jahr retten kann.
Was Menschen so alles aushalten können und aushalten müssen im Laufe ihres Lebens…
Andere Patienten werden im Verbandzimmer behandelt, mein Knie fällt da nicht ins Gewicht im Vergleich zu anderen Schmerzen oder Verletzungen. „Frau B. in Kabine 7“ brüllt eine Lautsprecherstimme über den Flur.

Es riecht nach Rosen. Oder ist es Parfüm? Rasierwasser? Rosenwasser.
Die Gehhilfen eines Patienten machen ein klackerndes Geräusch auf dem Boden. Ich höre, dass hinter mir gesprochen wird.
Ein Herr Michael wird Ende Januar aufhören, berichtet man sich, und wo anders arbeiten. Er hat sich verbessert, weiß man. Ein Pfleger? Ein Arzt? Jemand vom Personal, denke ich, bin mir aber nicht sicher. Der Kollege gratuliert. Gesprächsfetzen. Auch das hat seine Zeit.
Dazu all das Warten der ausharrenden Patienten. Und alles auf dieser begrenzten Fläche, diesem Flur.
Ein leeres Bett wird vorbeigeschoben.
Ein Mensch eilt mit wehendem Kittel vorüber.
Geschäftigkeit, das tägliche Getümmel.
Hier wird gelaufen, den ganzen Tag. All die Fußabdrücke, die die Menschen verursachen, all die Kilometer, die Zeit, die mit ihrem Tun verbraucht wird.
Besucher kommen, suchen nach dem Weg. So viele Türen und Gänge. Verwirrend.
Auch ich warte. Mein Knie schmerzt.
Ich warte nun schon 1 Stunde - es ist  öde, dieses Nichts-tun-können - und male mir die Lippen rot.  Nur zur Pflege natürlich!

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Nachtrag: Es wurden 2 ½ Stunden.
2012

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