„Die Lieferzeit von 6 Monaten ist eine Zumutung“, empört sich Helmut Altmann auf der Versammlung einer Jagdgesellschaft. Als er den Porsche Cayenne endlich abholen kann, fehlt das Zusatzpaket, eine abschließbare, fest eingebaute Box für Jagdutensilien. Verärgert schreibt er einen bösen Brief, droht, macht wie immer Druck. Der Erfolg, so hat er es verinnerlicht, gibt ihm Recht. Siebzig Jahre Frieden hat ihn zu einem Wohlstandsbürger werden lassen. Wie ein Korken schwimmt er immer oben, auch wenn die Wirtschaftsdaten mal nach unten zeigen. Er meint das verdient zu haben und sollte Gefahr drohen, geht man auf die Straße, natürlich nicht wirklich. Dafür gibt es Studien, Institute, Lobbyisten, Politiker……
Die riesige Landhausküche für seine Frau – obwohl die beiden Kinder schon aus dem Haus sind – wurde vor einem Jahr angeschafft. Jetzt das neue Bad, viel größer als das alte, wird steuerlich über sein Büro laufen. Als die Installationsfirma während der Arbeiten von einer Erhöhung der Löhne für die Facharbeiter überrascht wird, man spricht von 5 Prozent, also von 12 auf 12,60 Euro, teilt er selbstverständlich die Meinung der führenden Wirtschaftsinstitute, dass höhere Löhne generell den Aufschwung gefährden, ebenso der Mindestlohn. Er verlangt zwischen 200 und 300 Euro pro Stunde. Einen Vergleich lässt er nicht zu, und wenn nachgehakt wird, poltert er los. Er hat sich maßlos darüber aufgeregt, dass der Champagner über seine Kreditkarte abgerechnet wurde, obwohl er bar bezahlen wollte. War nun die Frau, die bei einer Tagung mit ihm aufs Zimmer ging, eine Kollegin oder eine Prostituierte?
Zehn Tage auf einer Jagdfarm im Norden Namibias hatte er gebucht. Wenn die Toyotas und Range Rover am Nachmittag von der Jagd zurückkommen, begrüßt eine junge Frau ihren Mann, nicht vom Pool kommend, sondern aus Richtung der Hütten für die Angestellten.
Abends an der Bar sucht er sie und kommt mit ihrem Begleiter ins Gespräch. Sie sprechen über ihre gemeinsame Automarke. „Wenn Sie nicht so lange auf einen Porsche warten wollen, müssen Sie ihn in Amerika kaufen. Zwei Monate und Sie haben ihn.“ Dann fragt er seine Begleiterin: „Warum jagen Sie nicht oder kommen einfach mit?“ Ernst antwortete sie: „Ich möchte nicht töten, sondern Leben schenken. Ich wünsche mir ein Kind.“ Ein anders Mal: Als er sich lautstark bei einer Angestellten wegen des Moskitonetzes beschwert, tritt sie hinzu und sagt scharf: „Wissen Sie eigentlich, was diese Leute im Monat bekommen? So viel, wie Sie hier für eine Nacht bezahlen. „Selber schuld“, murmelt er.
Jetzt sitzt er mit den anderen Jägern aus Deutschland in der „Twin Otter“ und wartet auf den Rückflug. Kurz bevor die Kabinentür geschlossen wird, steigt noch eine Frau ein und da neben ihm – ganz hinten – noch ein Platz frei ist, setzt sie sich zu ihm. Trotzdem verspätet sich der Start, der Pilot hat noch Wetterdaten eingeholt. Unmut wird laut. Man befürchtet, den Anschlussflug zu verpassen. Die Menschen, die hier gebucht haben, deren Zeit scheint kostbar und teuer zu sein. Der Flug von Katima Mulina nach Windhoek führt über die Kalahari Wüste. Turbulenzen erschüttern den Flieger, eine riesige Sandwolke von starken Aufwinden aufgewirbelt, zwingt den Piloten zu einer Notlandung. Sie misslingt, das Fahrwerk wird abgerissen, die Maschine schleudert und bricht hinter der Tragfläche auseinander. Der vordere Teil gerät in Brand und nur die beiden überleben. Er ist verletzt, Platzwunden an Kopf und Beinen, sie ist auf wunderbarer Weise unverletzt. Drei Tage brauchen die Retter. Sie findet Wasser und versorgt die Wunden. „Be fearless“, sagt sie einmal, schaut ihn an und lächelt.
Zu Hause wiederholt sich oft der Absturz in seinen Träumen. Nach so einer Nacht geht er nicht ins Büro, sondern Richtung Stadtpark, schaut den Kindern und Müttern zu, beobachtet, wie eine schwarze Mutter jedes Mal ihr Baby küsst, wenn sie es aufnimmt. An einem Nachmittag sieht er einen großen Schmetterling und ist fasziniert von der Schönheit des Fluges. Ende September werden seine Flügel brüchig, bald kann er nicht mehr fliegen und stirbt.
Warum sie und nicht ich?
Sein Büropartner möchte sich von ihm trennen. Er willigt ein und wird von ihm finanziell über den Tisch gezogen. Immer wieder denkt er an Afrika, sucht die Orte und Kneipen in der Stadt auf, wo man schwarze Menschen findet, sucht sie. Er sitzt im Wintergarten und beobachtet zum ersten Mal, wie eine Amsel unermüdlich ihre Jungen füttert oder wie aus einem gelben Punkt auf dem Rasen ein kunstvolles Gebilde kleinster Fallschirmchen wird, unmöglich so etwas nachzubauen.
Seine beiden Kinder befürchten, ihr Erbe zu verlieren, weil er größere Geldbeträge nach Namibia überweist. Seine Frau spricht mit einem befreundeten Rechtsanwalt, der ihr zur Scheidung rät.
Nach zwölf Monaten kündigt die Leasingfirma den Vertrag. Am nächsten Tag wird der Porsche abgeholt.