Spanien (Erinnerungen)

Kurzgeschichte zum Thema Erinnerung

von  Hartmut

Es war 1963 sein erster Urlaub am Mittelmeer. Nach Süden mit Freunden, 1000 km weit weg, dorthin, wo das Meer ganz nah, blau und warm ist.
„Help, I need somebody“, tönt es aus der Musikbox abends am Strand.
Er ist gerade zwanzig, Sprachkenntnisse: I want to …Die  Mädchen um ihn herum sind abends besonders schön. Das Licht der Abendsonne verleiht ihrer Haut einen warmen Glanz. Und da ist eine Bar direkt am Meer, man sitzt und wartet auf den Sonnenuntergang und dann auf das Tanzen.
Er geht auf einen kleinen Tisch zu, schaut das Mädchen an und bittet zum Tanz. Sie ist nicht alleine, eine ältere Frau sitzt neben ihr. Das Mädchen steht auf, aber bevor sie mit ihm auf die Tanzfläche geht, schaut sie sie an.“Help, I need somebody help“, ertönt es wieder. Danach  kommt  etwas Spanisches, sie singt leise mit, während er sie betrachtet. Ist sie schön? Hell ist ihre Haut, und die Haare keineswegs schwarz.
Am nächsten Tag ist er mit seinen Freunden am Strand, vergeblich, er kann sie nicht entdecken. Dafür sitzen die beiden wieder abends am gleichen Tisch. Sie hat ihn sicher gesehen, steht auf und tanzt mit einem Fremden. Er schaut mehrmals zu ihr, dann setzt sich der Tänzer, redet, man scheint sich zu kennen. Plötzlich ist der Tisch leer, ein Augenblick nur und die Welt hat sich weiter gedreht.
„This is my aunt“, wird ihm am nächsten Abend ihre ständige Begleiterin vorgestellt. Diese betrachtet ihn, prüft ihn mit dem Blick einer erfahrenen Frau. Er wird in der folgenden Zeit, obwohl sie immer anwesend ist, nichts über sie erfahren. Dafür erproben sie gemeinsam ihre Englischkenntnisse und erfühlen heimlich beim Tanz ihre Körper.
Es ist sein letzter Abend. Er bittet sie mit ihm  ins L` Arto zu gehen, ein alter Weinkeller, umgebaut zu einer Disco. Ein Ort zum Küssen. Ein kurzes Gespräch mit der Tante, sie redet auf sie ein, dann ein fast unmerkliches Nicken.
Sie gehen schnell die schmale Gasse hoch, Hand in Hand.
Sie tanzen, er umfasst ihre Taille, zieht sie an sich und spürt jene Unterwerfung, wie Liebende es tun, wenn sie ihre Körper in Gefühl und Bewegung verwandeln. Wie aus dem Nichts ist sie plötzlich da. Nur ein Satz wird gesprochen. Sie löst sich aus seiner Umarmung. „Good bye, sorry, I have to go.”
Er steht alleine auf der Tanzfläche. Die Stimme von Paul Mc Cartney
hört er nicht.
„ I once had a girl or should I say she once had me …
And when I awoke, I was alone.”

Nach vielen,vielen Jahren ist er wieder in Port de la Selva, sitzt wieder in dieser Bar direkt am Meer. Fast zur gleichen Zeit, fast am gleichen Platz zum Sonnenuntergang. Kaum hat sich etwas verändert, andere Tische, neuer Sonnenschutz, der graue Betonboden wurde gestrichen. Bestellt wieder den süßen Wein, einen Valencia Dulce. Keine Musik ist zuhören, dafür das Meer und die Straße.
Aber das Mädchen sitzt wieder dort, wo er sie damals zum Tanzen aufgefordert hat. Hell ist ihre Haut und die Haare keineswegs schwarz. Sie trägt eine einfache  weiße Bluse, natürlich keinen Rock, Jeans und Mundschutz. Sie hat einen Markierstift in der Hand, den sie fleißig gebraucht, liest  in einem  Heft, schreibt,  die Sonnenbrille im Haar. Die Cola ist bestimmt schon warm. Konzentriert arbeitet sie, so dass er sie unbemerkt anschauen  kann.
Plötzlich schaut sie auf, vielleicht spürt sie seinen Blick, schaut  aufs Meer, setzt ihr Sonnenbrille auf, legt das Heft beiseite, nimmt ihr Smartphone. Er steht auf um zu bezahlen, muss an ihr vorbei..:"Los tiempos del Caudillo Franco",
liest er.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (31.08.20)
Verstehe nicht, was Franco damit zu tun hatte...

Ansonsten gerne gelesen!

P.S:: L` Arto -> L'Arto
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