An einen Gentleman-Hartz4-Empfänger

Gedicht zum Thema Abschied

von  toltec-head

Ist von des Nordens Joch jetzt schon im Januar die Winterwelt befreit,
Weht lau der Zephir durch Kreuzbergs Gassen weit,
Und fängt - Greta zum Trotz - der Lindenbaum, der erste,  an zu grünen,
Erscheine ich in deinem WG-Zimmer, wie ich bisher erschienen,
Du Nachfahr Adornos; ich sehe schon das immer noch besetzte Haus,
Wo revolutionäre Parolen der Aussenfacade dieses edlen Baus
Auf Konformitätsgeist und Esprit de Corps der Innenbewohner deuten
Die jeden Tag der Begeisterung voll dies Zauberwerk aufs Neu erbeuten.

Du kennst des Lebens Ziel : du, glücklich heiterer Mann,
Lebst, um zu leben. Ja, du hast von Jugend an,
Die bunte Welt auf  Acid&Speed und des Sozialamts Scheck genossen,
Schon getanzt als andere noch gerobbt und G11 geschossen;
So ging dein Leben dir in Lust und Ehren hin.
Als junger Alt-BRD-Schmarotzer, sie erscheint heut als unsere Kaiserin,
Studiertest du bis 33 in Frankfurt - der graue, busengrapschende Meister,
Der listige, kühne Herr des Jargons aller nicht-eigentlichen Geister,
Der es genoss wie die Jugend der ganzen Welt ihm untertan,
Sprach im Seminaroberton dich mit Grabesstimme an.
Es überhäufte dich mit Altweiber-Klaggesang-Pathos der Spötter
Und benotete dein Referat mit "sehr gut", dem Trank der irdischen Götter.
Dann ließest du die Mainebene, um nach Berlin zu ziehen.
Hier war lange, lange Zeit kein Mensch imstand, was kam, vorauszusehen.
Gedenkst du des Kitkat-Clubs, des Berghains und ihrer Maskeraden?
Dir aber konnten keine noch so synthetischen Gifte schaden;
Schriftsteller zu werden schien dir nun zeitweis verführerisch;
Und du zogst dich zurück. An deinem kargen Tisch
Erschienen nun sämtliche französischen Strukturalisten,
Eines Abends ließest du dich von Foucault auf einer Toilette fisten.
Er hatte eine Perücke auf und schloss, vom Poppers berauscht,
Sein Aug - predigte und fistete. Und du hast fromm gelauscht,
Während du hinhieltst, dem Wort des ungläubigen Islamisten
Und stauntest wie ein Skyth vor griechischen Sophisten.
Nun zog dich Paris aber selber an. Weil es ohne BRD-Knete dir dort nicht gefiel,
Fuhrst du bald wieder fort. Gefällig und agil
Wie ein berühmter Held, wahrhaftig zum Entzücken,
Erglänzte  gar bald schon Helmut Kohl hell vor deinen Blicken,
Da hast du dich als Aussteiger flux nach Spanien gewandt.
O zauberreiche Strände, gebeneites Land!
Von den Bäumen wachsen dort statt Sozialhilfe Apfelsinen
O sag mir, wie die Jungens dort sind und wie es ihnen
Gelingt, sich ficken zu lassen und zugleich ihrer Mama liebes Kind zu sein?
Mit welchen Zeichen lud man sich damals ohne Internet zum Stelldichein?
Erzähl vom Mitte-40er mir, der bang und liebentbrannt,
Splitternackt, in Hündchenstellung hinter einer Düne stand?

Dies alles schwand. Du sahst die stürmischen Migrantenwogen branden,
Du sahst, wie mit dem Geist politischer Korrektheit sich Furien verbanden,
Wie Antidiskriminierung, grausam-wild, ihr Recht sich aufgestellt,
Sahst Adorno als alten weißen Mann geköpft, den Kitkat-Club entseelt,
Sahst, wie blutige antirassistische Wut durch alle Straßen tollte.
Dann brach das Virus los, das durch die Länder rollte.
Schon lange schwieg das Seminar. Esprit und Urteil und Ekstase
Vergaß man lange schon. Dein Habermaß mit seiner komischen Nase,
Luhmann mit seiner Fistelstimme, sie sind nicht mehr. Sie her: um dich herum
Schäumt twittrig nur das Neue auf - was war, ist tot und stumm.
Die Jugend, die den Glanz alter bundesrepublikanischer Welt nicht gesehen,
Erinnert sich nicht mehr und weiß kaum, was geschehen.
Der einzige Geltungsanspruch, den man noch vernimmt:
Wer nicht für ARD & ZDF arbeitet, ist per se verstimmt.
Sie haben keine Zeit auf Klappen rumzulungern und dort zu speisen,
Um Verse sich zu mühen. Der Klang von neuen Weisen
Selbst Houellebecqs Gedichte vermag sie kaum zu freun.

Nur du bliebst, der du warst. Tritt ich in deine WG hinein,
Dann spür ich gleich: ich geh auf Suhrkamps Spuren.
Die Ikea-Regale, van Gogh-Poster und selbstgemachte Skulpturen,
Die Kippen im Abwasch in der Küche - das alles ruft mir zu,
Dass du die Musen liebst - in deiner nobel subventionierten Ruh
Beschützt du sie und ehrst sie unter deinem Dache.
Ich höre dir gerne zu: denn deine noch von der Titanic geschulte Sprache
Ist voller Jugend. Du empfindest tief und ganz
Der Schönheit holde Macht. Du schätzt nach Wert und Glanz
Die Pornos, die du den ganzen lieben langen Tag bei Limo siehst
Dank den paar Groschen, die du in deinem hohen Alter dem Merkelchen stiehlst.
Und fremd der Welt, die fern an dir vorüberbraust,
Siehst du aus deinem Haus sie lächelnd an und schaust
Die Wege des globalisierten Chaos, die sich im Kreise drehen.

So, fern dem Weltenlärm, bei Kunst und Müßiggehen,
Genoß im Marmorhaus, im kühlen Porphyrbad
Den Lebensabend einst ein römischer Magnat.
Trump, jetzt ich, ein abgesetzter Feldherr, ein Orator,
Stattet ihm hier seinen Besuch ab, ein düsterer Diktator,
Um sich an einem Tag nur einmal üppig schön
In deinem Kreuzberg auszuruhen und wieder fortzugehen.

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Kommentare zu diesem Text

Dieter Wal (58)
(27.01.21)
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 toltec-head meinte dazu am 27.01.21:
Versicherungsvertreter!
greto (53) antwortete darauf am 27.01.21:
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Dieter Wal (58) schrieb daraufhin am 27.01.21:
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