Autor ohne Werk

Kritik zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  Bergmann

WERK OHNE AUTOR
Film von Florian Henckel von Donnersmarck

Mein Urteil ist gemischt. Den morali(sti)schen Aufschrei gegen die unkommentiert gezeigten Bilder von der Vergasung der Tante Elisabeth, der fallenden deutschen Soldaten und dem brennenden Dresden finde ich nicht berechtigt. In den Augen des kleinen Barnert geschah es so, wobei er die Vergasung allerdings nicht sah. Ob man das Innere einer Vergasungskammer, also die Vergasung selbst, filmen soll, führt zu der Frage, ob der Völkermord in einem Gedicht dargestellt werden kann. Auch hier bin ich der Meinung, dass es kein Tabu geben darf. Die genannten Szenen hätten besser realisiert werden können - mich störte hier wie in vielen anderen Szenen die fast sentimentale Schönheit ihrer Ausleuchtung, die wunderbaren Farben, ergo: die Ästhetisierung des Leids und der Verbrechen. Ein weiterer Einwand gegen den insgesamt hochinteressanten Film: Die Frauen der wichtigen Rollen sind unglaublich schön (wie in den Netflix-Filmen) und werden primär in ihrer körperlich-erotischen Ausstrahlung gezeigt, hinzu kommen etliche Glanzarsch-Szenen, und man muss kein Feminist sein, um das kritisch zu sehen. Hier wäre weniger mehr gewesen. Manche Szenen des realistisch auftretenden Erzählfilms gelangen im Rahmen gewohnter Konventionalität auch gut und berührend. Aber was hätte ein Ingmar Bergman daraus gemacht!
Mit Abscheu sah ich die polemische Karikatur der Düsseldorfer Akademie am Tag der Offenen Tür, das war Kunst- und Geistfeindlichkeit. Kein Kunstkenner wird abstreiten, dass es fragwürdige Versuche gegeben hat in der Akademie, aber diese ist immerhin eine pädagogische Einrichtung und dient dem Durchgang der Studenten durch Stile und Anti-Stile auf der Suche nach einem eigenen Ausdruck, im Übrigen wäre der historische Kontext zu berücksichtigen: die Kunst-Situation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die Nachholbedürfnisse nach dem Kunstmord des Dritten Reichs; zu bedenken ist auch, dass Düsseldorf eine führende und avantgardistische Rolle in Europa und in der Welt einnahm. Die Beuys-Darstellung hat zwar authentische bzw. vergleichbare Wurzeln in der Wirklichkeit, aber auch hier fehlte der richtige Ton in der Darstellung, es fehlte die Schwebe zwischen Scharlatanerie, Schamanentum und Kunstradikalität als (schul-)politische Aktion, so dass dieser Professor erst in der Erzählung seiner Kriegserlebnisse (Filz und Fett) angemessen wirkte und mit dem Urteil über die noch sehr unfertigen und imitatorischen Kunstversuche Barnerts. Mich wundert nicht Gerhard Richters Verurteilung dieses Films als „reißerisch“. Einigermaßen sympathisch wirkte der Studienkollege als Günter-Ücker-Parodie, dessen Kunst man allerdings auch verfilmte als das, was die Reichen sammeln und kaufen, und das wird Günter Ücker nicht gerecht.
Auch der Durchbruch Barnerts zu seiner Kunst, die in der ersten Ausstellung gipfelte, die als Presseereignis gezeigt wird, überzeugt mich nicht. Das Ringen des Künstlers, wie und warum er sich löst von seinen bisherigen Versuchen, das wird nicht deutlich, schon gar nicht an den schrecklichen Bildern, die als reißerische Karikaturen der echten Bilder Richters auftreten. Ob Werk ohne Autor das trifft, was Gerhard Richter malte, bezweifle ich. Und was der Film da zeigt, das zeigt letztlich einen seichten Künstler, dem man den Welterfolg nicht abnimmt. Da müsste man viel stillere Szenen zeigen und den jungen Künstler auch ein wenig mehr sprechen lassen - denn sein offenbar absichtliches Schweigen und das Verweisen auf die Bilder, das überzeugte mich nicht. - Der Schluss des Films - die geheimnisvolle Erkenntniskraft der künstlerischen Intuition in einem Fall, der zum Mysterium geradezu esoterisch hochstilisiert wird, das ist schlicht und einfach: Unfug.

-

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (29.01.21)
Der Text ist so schlüssig, dass ich mich nur anschließen kann. LG

 erasmus meinte dazu am 29.01.21:
Ist die Schlüssigkeit einer Rezension Garant dafür, dass die Rezension dem, was sie rezensiert, gerecht wird? Ich stelle mir einen Rezensenten vor, der den Film hervorragend findet. Ist der dann nicht in der Lage, seine Argumente dafür schlüssig zu formulieren?

 Reliwette (16.03.21)
Ich habe leider nur die Hälfte des Filmes gesehen. Die hübsche Lebensgefährtin des Protagonisten war tatsächlich eine Augenweide.
Zu dem Porträt von J.B. in seinem Atelier in der Eiskellerstraße habe ich mit einem seiner Studenten diskutiert: Wir sind beide der Meinung: Beuys ist nicht so gespielt und interpretiert, dass man ihn ohne Abstriche wiedererkennen könnte. Die Weste war falsch, der Hut, der rheinische Akzent nicht getroffen und von den Inhalten seiner Lehre war so gut wie nichts zu sehen oder zu hören. Obwohl: der Film hat guten Unterhaltungswert. Aber ist das im Sinne der Kunst? Beuys Botschafr an die Gesellschaft war: Denken, denken und nochmals denken. Zitat:"Wer nicht denken will - fliegt." Zugutehalten will ich dem(den Urheber/n des "Streifens". - "Autor ohne Werk", dass das Hauptaugenmerk ja dem Maler / Studenten galt, der mit seinem Vater in heftige Konfrontation geriet und nicht den Beuys`schen Lehren. Wie Uecker sein vernageltes Innenleben auf den Lehren seines Lehrers gegründet hat, ist mir bis heute schleierhaft. Ein Gesellschaftsmodell ist es mit Sicherheit nicht. Für mich ist der umstrittene Meisterschüler von ihm, Johannes Stüttgen, einer der wenigen Studenten, die begriffen haben, was Beuys eigentlich wollte, Zugegeben, mein Einlass zu der Rezension vom Kollegen Bergmann - und damit zum Filmwerk, betrifft ja nur einen kleinen Teilbereich des Gesamtthemas.
Mit herzlichem Gruß an den Autor!
Hartmut

 Bergmann antwortete darauf am 16.03.21:
Lieben Dank für die Ergänzung zu Beuys, lieber Kunstmeister!
Venceremos!
Uli
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram