Der Wolf und die Klonschafe - eine moderne Fabel

Fabel zum Thema Genetik/ Gentechnik

von  ochsenbacke

Der Wolf hatte in einer Herde von Klonschafen ohne Not gewildert. Zehn Tiere waren ihm zum Opfer gefallen. Er wurde deshalb bei Gericht verklagt. In seiner Not wandte er sich an den Fuchs, der als gerissener Verteidiger bekannt war.
  Hilf mir, bettelte der Wolf, es soll dein Schaden nicht sein.
  Beruhige dich, sagte der Fuchs, dein Fall ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Ich werde mein Bestes tun, aber versprechen kann ich nichts. Der Staatsanwalt ist ein scharfer Hund und der Löwe ein strenger Richter.
Und so kam es auch. Der Hund legte sich ordentlich ins Zeug. Er schilderte den Wolf als notorischen Mörder und verlangte lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
  Dann erhob sich der Fuchs und sprach: Hohes Gericht, der Wolf ist keineswegs der Bösewicht, zu dem ihn der Staatsanwalt hier macht. Zwar hat er zehn Schafe gerissen, aber es handelte sich dabei um Klonschafe, die alle das gleiche Erbgut besitzen und deshalb nicht als verschiedene Personen betrachtet werden können. Streng genommen hat er also nur ein einziges Schaf gerissen, allerdings zehnmal hintereinander. Da aber noch weitere Klonschafe aus dieser Züchtung existieren, liegt hier kein Massenmord, noch nicht einmal einfacher Mord, sondern höchstens schwere Körperverletzung vor. Ich plädiere deshalb auf eine Gefängnisstrafe von achtzehn Monaten ohne Bewährung.
  Hm, sagte der Löwe, und dachte nach. Solch ein Fall war ihm noch nicht vorgekommen und stellte ihn als Richter vor ganz neue Herausforderungen. Außerdem hätte er gerne ein Exempel statuiert, denn dem Wolf mangelte es in letzter Zeit am nötigen Respekt ihm gegenüber. Schließlich sagte er: Es ergeht folgendes Urteil: Der Wolf wird zu achtzehn Monaten Freiheitsentzug ohne Bewährung verurteilt, allerdings zehnmal hintereinander.
  Damit war der Wolf zur Zufriedenheit der Schafe für fünfzehn Jahre aus dem Verkehr gezogen.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (29.10.21)
Für mich eine gelungene Fabel mit Wiedererkennungswert.

Recht haben und Gerechtigkeit erhalten sind problematische Gegebenheiten, die in diesem Gerichtssaal "salomonisch" gelöst werden: Die Schafe sind jedenfalls zufrieden.

Ein Patzerlein gilt es allerdings zu korrigieren, vermutlich ein Übertragungsfehler: ". . . der Wolf ist keineswegs der Bösewicht, für den ihn der Staatsanwalt hier macht." ?

Liebe Grüße
der8.

Kommentar geändert am 29.10.2021 um 06:40 Uhr

 ochsenbacke meinte dazu am 29.10.21:
Hallo AchterZwerg!
Vielen Dank für deinen Kommentar. Es ging mir neben dem, was du richtig angemerkt hast, auch noch um die rechtliche Situation geklonter Lebewesen. In der Fabel stehen die Tiere ja für Menschen, deren Klonen in Europa zwar verboten ist - allerdings wie lange noch? Das Sezieren von Leichen war Jahrhunderte lang auch verboten, und es geschah trozudem. Sind die Mitglieder eines Klons noch Individuen oder nur der Klon in seiner Gesamtheit? Oder ist der Begriff "Individuum" hier gar nicht mehr anwendbar, da ja alle erbgleich sind? Was ist, wenn einer erschlagen wird? Vielleicht Sachbeschädigung wie beim Tier? Fragen die man sich stellt wenn man keine anderen Sorgen hat, aber trotzdem interessant. Der Löwe jedenfalls wich einer eindeutigen Antwort aus.
(Kann ich das Patzerlein noch verbessern?)
LG

Antwort geändert am 29.10.2021 um 20:10 Uhr

Antwort geändert am 29.10.2021 um 20:11 Uhr
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