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Text

von  Undina

Die Fahrt mit dem Bus in die Stadt dauerte zu Clemens' Überraschung nur 10 Minuten. Gemessen an dem kleinen Kaff, in dem er nun festsaß und den Bäumen, von denen es umrundet war, fühlte es sich an, als wäre die nächste Zivilisation mindestens eine Tagesreise entfernt.. Aber tatsächlich war es dann doch nicht ganz so dramatisch, die Stadt war zwar verglichen mit seiner alten Heimat auch nur ein Städtchen, aber immerhin hatten sie ein Kino und sogar zwei Supermärkte, zumindest zwei, an denen der Bus vorbeifuhr.

Das Schwimmbad war natürlich auch nicht der Rede wert aber Clemens hatte keine Zeit mehr für Vergleiche, denn er war jetzt nur noch erfüllt von prickelnder Vorfreude. Er folgte zwei Mädchen, die mit Taschen über der Schulter in Richtung Eingang gingen und noch bevor er sich selbst die Frage stellen konnte, wo er jetzt hingehen sollte, nachdem er hinter ihnen durch die Tür getreten war, sagte eine Stimme neben ihm: „Ah, da ist da das neue Gesicht.“

Er drehte den Kopf und sah einen Mann in Trainingshosen, einem weißen T-Shirt, dem eine Pfeife um den Hals hing und der ihm jetzt die Hand hinhielt während er ihn anlächelte. „Du bist doch bestimmt Clemens, oder?“ Und nachdem Clemens genickt hatte, „Ich bin Dirk. Freut mich, dass du heute bei uns reinschnuppern willst. Bist du vorher schon einmal im Verein geschwommen, oder ist das heute dein erstes Mal?“

„Nein,“ antwortete Clemens. „Bevor wir umgezogen sind, bin ich auch Wettkämpfe geschwommen.“

Auf Dirks Gesicht erschien ein breites Grinsen. „Wirklich?! Das ist ja super. Welche Technik?“ und nachdem Clemens „Kraulen“ gesagt hatte, leuchteten seine Augen auf. „Na, dann hoffe ich mal, dass es dir heute bei uns gefällt und du dich dazu entscheidest, hier einzutreten. Wir haben nämlich nur einen Krauler und bräuchten dringend noch einen zweiten! Und jetzt komm, ich zeig dir, wo die Umkleidekabinen sind.“

Am Ende der Stunde, die für Clemens Geschmack viel zu schnell vorbei ging, war es für ihn mehr als sonnenklar, dass er hier Mitglied werden würde. Es hatte unglaublich Spaß gemacht, endlich mal wieder zu schwimmen und natürlich auch, Dirk seine Fähigkeiten im Kraulschwimmen vorzuführen und durch dessen anerkennende Worte fühlte Clemens sich gleich zehn Zentimeter größer.

Die anderen schienen auch ganz in Ordnung zu sein, Clemens schnappte zwar den ein oder anderen Blick von jemandem auf, aber er war niemals abfällig sondern vermutlich einfach nur der Tatsache geschuldet, dass er der Neue war. Allerdings nahm er diese Blicke eher nebensächlich wahr und Getuschel, wenn es denn welches gegeben hatte, war ihm auch nicht aufgefallen, weil sich alles in ihm nur noch aufs Schwimmen konzentriert hatte.

Als er sich umgezogen und seine Sachen zusammengepackt hatte und mit ein bisschen Wehmut im Herzen, weil er wirklich noch stundenlang so hätte weiterschwimmen können, in Richtung Ausgang ging, hörte er jemanden seinen Namen rufen und als er stehenblieb und sich umdrehte, sah er Dirk auf ihn zulaufen.

„Entschuldige bitte,“ stieß der etwas atemlos hervor. „Ich wollte dich eigentlich schon früher drauf ansprechen, aber ich hab den ganzen Papierkram einfach nicht gefunden.“ Er holte einmal tief Luft. „Weil ich gesehen habe, dass du heute echt Spaß zu haben schienst, hab ich gleich ein Anmeldeformular mitgebracht. Also, wie sieht es aus?“

„Ich bin auf jeden Fall dabei!“ erwiderte Clemens enthusiastisch und Dirk lächelte. „Wunderbar, wunderbar.“ Er hielt Clemens ein Blatt Papier hin. „Das einmal ausfüllen und von deinen Eltern unterschreiben lassen und uns dann wieder zurückschicken, per Post oder per E-Mail oder du bringst es mir bei nächsten Training einfach wieder mit, wie ihr es möchtet.“

Clemens nahm das Blatt, sagte „Danke und bis zum nächsten Mal,“ und ging dann los zur Bushaltestelle. Und auf dem Weg dahin merkte er, dass er die ganze Zeit lächelte. Diese Stunde heute hatte ihn schon fast mit dem Umzug versöhnt. Aber nur fast.

Denn als er im Bus nach Hause saß und seinen Gedanken nachhing, musste er wieder an zuhause denken und daran, was Jakob und die anderen jetzt wohl machten. Sie schrieben sich zwar Nachrichten und Jakob schickte ihm auch hin und wieder einmal Fotos, aber das war natürlich nicht das Gleiche. Und so wie früher würde es auch nie wieder werden. Dank seinen Eltern, die meinte, ihn einfach herumschubsen zu können, wie ein Kleinkind.

Als er bei diesem Gedanken angekommen war, ballte Clemens unbewusst die Hand zur Faust und spürte, wie er wütend wurde. Aber wütend zu sein war definitiv falsch, wenn er seine Eltern gleich bitten wollte, das Anmeldeformular zu unterschreiben und sich damit einverstanden zu erklären, dem Verein monatlich Geld zu bezahlen.

Also nutzte er den Rest der Busfahrt dazu, sich wieder abzuregen, indem er an die zurückliegende Stunde dachte und glücklicherweise half es.

In der Sekunde, als er die Haustür aufschloss, kam seine Mutter aus der Küche auf ihn zugestürzt und musterte ihn einmal von oben bis unten. Dann lächelte sie. „Du musst gar nichts sagen, Liebling, ich sehe es dir an deiner Aura an, dass es dir heute gefallen hat. Ich bin wirklich glücklich darüber.“ Sie umarmte ihn und drückte ihn einmal fest an sich.

„Es hat wirklich Spaß gemacht,“ murmelte Clemens an ihrer Schulter, aber er hatte keinerlei Interesse dran, ihr mehr darüber zu erzählen denn die Aura-Aussage hatte ihm schon völlig ausgereicht und er wollte wirklich nicht noch mehr darüber zu hören, oder über Chakren oder sonstigen esoterischen Kram. Deswegen beeilte er sich auch, auf sein Zimmer zu kommen, nachdem sie ihn losgelassen hatte, um das Formular auszufüllen. Seine Tasche warf er achtlos in die Ecke, darum würde er sich später kümmern.

Mit dem ausgefüllten Formular ging er zu seinem Vater, der im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und Tee trank. „Und? Wie war's?“ fragte er, als Clemens sich ihm gegenüber in den Sessel setzte.

„Es war super,“ erwiderte Clemens begeisterter als er es eigentlich geplant hatte und hielt seinem Vater das Formular hin. „Könntest du das vielleicht unterschreiben? Und dann so schnell wie möglich zurückschicken?“

Sein Vater nahm das Papier und warf einen Blick drauf. Dann lächelte er Clemens an. „Freut mich wirklich, dass du da mitmachen willst. Ich dachte schon, ich krieg vielleicht nie wieder die Gelegenheit, bei einem Wettkampf mit dabei zu sein. Die waren immer so aufregend.“

Sie lachte einmal beide, dann nahm sein Vater einen Stift und unterschrieb. Anschließend stand er mit dem Papier in der Hand auf. „Ich werde es jetzt auch gleich auf dem elektronischen Weg zurückschicken.“

Glücklicherweise war Schwimmtraining immer Montags und Mittwochs, denn Clemens konnte es gar nicht mehr abwarten, wieder hinzugehen. Lesen, im Wald spazieren gehen oder zocken, das war bloß, um die Zeit bis dahin zu vertreiben.Allerdings machte er auch an verschiedenen Tagen einen Spaziergang durchs Dorf und hielt unauffällig danach Ausschau, ob er vielleicht jemanden aus dem Schwimmkurs sah. Aber entweder wohnte keiner von ihnen hier oder derjenige war an diesen Tagen nicht da.

Als schließlich die Zusage vom Verein kam, dass Clemens aufgenommen worden war, wurde er nur noch ungeduldiger und die Zeit schien noch langsamer zu vergehen. Er fing sogar an sich zu wünschen, dass die Schule wieder anfing. Natürlich hatte er nicht wirklich Bock auf Unterricht und neue Mitschüler und Hausaufgaben, aber immerhin würde es helfen, dass der Tag schneller herumging. Aber bis es wieder losging waren es immer noch zwei Wochen.

Aber endlich hatte er das ziemlich öde Wochenende hinter sich gebracht, konnte voller Vorfreude seine Tasche packen und sich auf den Weg zum Bus machen. Er war so begierig, loszuschwimmen, dass er während der ganzen Fahrt mit dem Fuß wippte.

Diesmal empfing ihn Dirk nicht am Eingang, aber das war kein Problem, denn Clemens wusste noch, wo er hinmusste. Auf dem Weg dorthin traf er auch schon auf ein paar bekannte Gesichter, die ihm zunickten oder ,Hallo' sagte.

In der Schwimmhalle angekommen, bemerkte Clemens überrascht, dass heute viel mehr Leute da waren, als beim letzten Mal. Und obwohl er Dirk eigentlich ganz nett fand, war es wirklich nicht so toll von ihm, ihn noch einmal extra mit Namen zu begrüßen und zu sagen, wie unglaublich super er es fand, dass Clemens jetzt auch dabei war. Denn natürlich bewirkte das, dass sich alle zu Clemens umdrehten und ihn ansahen und er sich für einen Moment unwohl fühlte. Aber das Gefühl verschwand schnell, als Dirk einmal laut pfiff und alle ins Wasser sprangen.

Als Clemens grade aus dem Wasser gestiegen war, um einen Kopfsprung vom Startblock zu machen, hörte er Dirk seinen Namen rufen und ihn auf sich zugehen. In der Hand hielt er ein rundes schwarzes Ding und Clemens wusste sofort, dass das eine Stoppuhr war und was jetzt auf ihn zukommen würde.

„Was dagegen, wenn ich mal deine Zeit messe?“ fragte er. „Erst mal auf 50 Meter. Du weißt ja, der nächste Wettkampf kommt bestimmt.“

„Na klar,“ erwiderte Clemens. Er hatte absolut nichts dagegen, wieder ein paar anerkennenden Worte einzuheimsen.

Er war jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr so geschwommen und hatte den Eindruck, unglaublich langsam zu sein und als er aus dem Becken stieg, hatte er ein ziemlich ungutes Gefühl, vor allem, als er sah, wie viele Leute sich um Dirk versammelt hatten, um mit auf die Stoppuhr zu sehen. Aber das Gejohle und Geklatsche, das ihn empfing, zeigte ihm, dass er wohl doch nicht so schlecht gewesen war, wie er dachte.

„Super Zeit,“ erwiderte Dirk und nickte ihm einmal anerkennend zu. „Sieht so aus, als hättest du endlich Konkurrenz bekommen, Timo,“ sagte er dann zu einem blonden Jungen, der etwas abseits stand.

Als Clemens ihn ansah, verschränkte er die Arme vor der Brust und funkelte ihn wütend an.

Clemens fühlte sich mit einem Schlag unwohl. Er hatte es früher auch schon mit Konkurrenten zu tun gehabt, vor allem natürlich bei den Wettkämpfen, aber da war es wirklich immer sportlich geblieben. Wohingegen dieser Timo nicht unbedingt den Eindruck machte, sportlich bleiben zu wollen.

„Genug herumgestanden, los weitermachen!“ Dirks laute Stimme und sein Klatschen rissen Clemens zurück aus seinen Gedanken. Er wollte mit den anderen zurück ins Becken springen, aber Dirk hielt ihn zurück. „Bereit für die 100 Meter?“ wollte er wissen. „Das war es dann auch erst mal.“

„Natürlich,“ erwiderte Clemens und sah sich unauffällig nach Timo um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.



Anmerkung von Undina:

Es ist schon über zwanzig Jahre her, dass ich selbst in einem Schwimmverein gewesen bin und natürlich habe ich jetzt keine Ahnung mehr, wie das damals abgelaufen ist und das, was ich hier schreibe, ist meine Vorstellung (und Google) davon, wie es in einem Schwimmverein ablaufen könnte.

Also, wenn jemand Verbesserungsvorschläge hat, nehme ich die gerne. :)

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Kommentare zu diesem Text


 Mondscheinsonate (17.05.22, 21:18)
Mir gefällt dein Text. Was ich schade finde, dass die Eltern eigentlich in den Gedanken unsymphatisch dargestellt werden, aber sich total freuen. Ich mag die.

 Undina meinte dazu am 19.05.22 um 18:23:
Ach Teenager und ihre Eltern - das ist ja immer so eine Sache :D  Jetzt so im Nachhinein würde ich sagen, dass meine Eltern damals eigentlich auch super in Ordnung gewesen sind, aber sie sind mir trotzdem unglaublich auf die Nerven gegangen.

 Dieter_Rotmund (19.05.22, 15:13)
 sah eine Mann ->  sah einen Mann 

 Undina antwortete darauf am 19.05.22 um 18:23:
Vielen Dank für den Hinweis, ich hab's ausgebessert :)

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 20.05.22 um 09:08:
Dirks laute Stimme und sein Klatschen riss Clemens zurück aus seinen Gedanken. 

->

Dirks laute Stimme und sein Klatschen rissen Clemens zurück aus seinen Gedanken. 

 Undina äußerte darauf am 20.05.22 um 17:49:
Hab ich ausgebessert, vielen Dank für den Hinweis :)
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