Schmerz und Kunst

Bericht

von  Beislschmidt

Schmerz und Kunst

Niemand konnte hinter Werners Fassade schauen. Niemand wusste, dass er einer der zehn Millionen Schmerzpatienten war und einen Schrank voll mit Medikamenten hatte, die er aber nur in äußerster Not einnahm. Nur im Schmerzforum konnte er sich - anonym natürlich, mit anderen austauschen.

Der Schmerz war Antriebsfeder und Lähmung zugleich, so sagte auch sein Verleger einmal zu ihm, dass wenn er zwischenzeitlich gesundheitlich gute Phasen hatte, er keinen vernünftigen Satz zustande bringen konnte.

Hingegen wenn ihn die Migräne fest im Griff hatte, konnte er vier/fünf Kapitel in einer Woche schreiben. Er ahnte selbst, dass der Schmerz eine ungesunde Abhängigkeit erzeugte, der ihn wie eine Droge beherrschte und ihn wie ihm Rausch unnachahmliche Satzkonstellationen schreiben ließ.

Dazu hatte er auf seinem Schreibtisch noch Zeichenblock und Tagebuch liegen, die er neben seiner Arbeit akribisch füllte. Selbst über die T Werte seiner Osteoporose oder die Mitochondriendichte führte er genaustens Buch.

Seine Alpträume mit klaustrophobischer Enge in Kellergewölben notierte er in seinem Tagebuch. Sein Hirn löste sich jede Nacht - so hatte er den Eindruck, in seine Bestandteile auf, bis er schweißgebadet aufwachte, um endlich ein paar Schlafsterne einzunehmen.

Aber sein Leiden war auch von Erfolg gekrönt, denn sein letztes Buch war schon in der dritten Auflage, Interviews mit Radiosendern und Lesungen auf Buchmessen standen auf seinem Terminplan. Werner hatte keine Freunde und seine besitzergreifende Mutter war letztes Jahr verstorben. Nur der pochende Schmerz war sein Freund und wenn er mit melancholischem Blick am Büchertisch saß und seine Werke signierte, konnte niemand hinter die Fassade von Werner schauen.

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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (12.05.23, 17:55)
Hoffentlich ist das kein Auszug aus Deiner angekündigten Autobiographie, werter Dichterfreund ...
Agnete (66) meinte dazu am 12.05.23 um 18:42:
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 Beislschmidt antwortete darauf am 12.05.23 um 19:39:
Keine Bange, Aron. Mir geht's gut aber in meinem Umfeld mache ich in letzter Zeit seltsame Beobachtungen.
Beislgrüße

 Beislschmidt schrieb daraufhin am 12.05.23 um 19:46:
Mir geht's gut Moni,  aber vielen offenbar nicht. Das Problem Schmerz wird unterschätzt.
Hier ein interessanter Artikel 
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https://www.deutschlandfunkkultur.de/schmerz-und-kreativitaet-kopfattacken-100.html
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Danke für Kommentar und Reinlesen.
Beislgrüße 

Antwort geändert am 12.05.2023 um 19:47 Uhr
Agnete (66) äußerte darauf am 12.05.23 um 20:02:
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 Beislschmidt ergänzte dazu am 13.05.23 um 08:55:
@Agnete... Der körperliche Schmerz ist nach OP nochmal was anderes als der seelische, denn hier besteht die berechtigte Hoffnung auf Linderung und Heilung. Trotzdem muss man sich mit dem Schmerz arrangieren, auch wenn es langwierig ist. Mit Physiotherapie kann man gut gegensteuern aber auch mit Ernährung, gerade bei Problemen wie Osteoporose. Ich denke, da hast du gute Chancen auf Besserung. 
Beislgrüße 
Off topic ... mein jüngster Sohn hat eine seltsame Krankheit, Details erspare ich mir hier aber demzufolge koche ich seit über einem Jahr ganz anders. Kein Gluten, keine Milchprodukte... und? Es hat auch mir gut getan. Viel Gemüse und Salat, wenig Fleisch, das geht alles. Ich krieg das ganz gut hin.

Antwort geändert am 13.05.2023 um 08:55 Uhr

Antwort geändert am 13.05.2023 um 08:56 Uhr

 Oops meinte dazu am 13.05.23 um 10:41:
Guter Papa:).
LG Oops
Daniel (50)
(13.05.23, 03:10)
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 Beislschmidt meinte dazu am 13.05.23 um 09:06:
Die Liste der Betroffenen ist lang, Daniel. Von Nietzsche über Kafka bis Amy Winehouse. Ein vielfach unterschätztes Problem. Wenn Schmerz zum kreativen Ideengeber, wie bei Hölderlin oder Heine (meine Matrazengruft) wird, ist es ein besonderes Paradoxon, denn dann wird Schmerz zum Bestandteil des künstlerischen Ichs. 
Eine Bekannte lehnt (deshalb?) alternative Medizin völlig ab und leidet lieber mit allopathischen Medis vor sich hin.. Aber auf der anderen Seite schreibt sie phantastisch und ist auch als Malerin erfolgreich. Seltsam?
Beislgrüße
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https://www.deutschlandfunkkultur.de/schmerz-und-kreativitaet-kopfattacken-100.html
Antwort geändert am 13.05.2023 um 09:07 Uhr

Antwort geändert am 13.05.2023 um 09:09 Uhr

Antwort geändert am 13.05.2023 um 09:11 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 13.05.23 um 10:15:
Herrjeh, was für Memmen auf kV. Wie heißt es doch so treffend bei Novalis:

Man sollte stolz auf den Schmerz sein. Jeder Schmerz ist eine Erinnerung unseres hohen Ranges.
In der Tat ...
Daniel (50) meinte dazu am 13.05.23 um 11:40:
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Muckelchen (70) meinte dazu am 13.05.23 um 11:58:
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 Beislschmidt meinte dazu am 13.05.23 um 14:26:
@Lothar 
So sind sie, die auf dem Schlossgeborenen.

Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt

Antwort geändert am 13.05.2023 um 14:27 Uhr
Daniel (50) meinte dazu am 13.05.23 um 14:47:
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 LotharAtzert meinte dazu am 14.05.23 um 12:39:
@ Beislschmidt
Novalis hatte eine wesentliche Bedeutung in meiner Entwicklung. Als ich vernahm, daß er als Ernst Lothar Hoffmann reinkarnierte, nahm ich sofort Kontakt zu seinem Orden auf.

Lama Anagarika Govinda (*  17. Mai  1898 in  Waldheim Sachsen als Ernst Lothar Hoffmann; †  14. Januar  1985 in  Mill Valley Kalifornien) war ein moderner deutscher Interpret des  Buddhismus und  Daoismus, Schriftsteller, Kunstmaler und Gründer des Ordens  Arya Maitreya Mandala.
Wikipedia

Eine Anlaufstelle des Ordens AMM war in Wiesbaden. Hab dann alle seine Bücher gelesen und glaube eigentlich auch, daß es sich um Novalis handelte. Hab das auf kV alles schon erzählt, jedoch hats unter hiesigen Dichtern und Denkern keinen interessiert. 
Begegnet bin ich ihm leider nie, da er damals in Indien lebte und ich andere - tibetische - Lehrer fand.

Gruß
Lothar

 Beislschmidt meinte dazu am 14.05.23 um 13:32:
@ Lothar 
Mit der Reinkarnation ist das so eine Sache, ebenso mit dem ganzen Brahman Atman, Schiwa Zeuch und den Sanskrit Schriften. 

Ich bin ein politischer Künstler und lege da sofort den Schalter um und frage mich: Was für eine Bedeutung hat diese Lehre und Weisheit, wenn ein Milliardenvolk mit größter Selbstverständlichkeit ihren Parias das Trinkwasser verweigert oder Massenvergewaltigungen, Frauen und Witwenverbrennunungen, Abtreibungen von weiblichen Föten, Kindermorde und ähnliche Scheußlichkeiten tagtäglich ungestraft praktiziert?

Dieses Land werde ich nicht betreten, obwohl ich Hermann Hesse mag.
ich habe mich auf der Leselupe mit einem damaligen Moderator in einer Weise gestritten, dass dasTischtuch auf ewig zerschnitten ist.
Deshalb bin ich bei solchen Themen sehr vorsichtig geworden.
Beislgrüße

Antwort geändert am 14.05.2023 um 13:35 Uhr

Antwort geändert am 14.05.2023 um 13:36 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 14.05.23 um 14:31:
Es gibt einen Text: "Bramatschibatschi für Beislschmidt" - ich wollte dich nur vorwarnen. Muß noch ein bißchen dran feilen.
Daniel (50) meinte dazu am 14.05.23 um 16:35:
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 Beislschmidt meinte dazu am 14.05.23 um 19:03:
@Daniel
Ich weiß natürlich, dass dieses Thema vermintes Gelände ist. In dem bevölkerungsreichstem Land gibt es zwar formal Gerichte und Wahlen die demokratische Verhältnisse vorgaukeln, an die sich aber kaum jemand hält, von einigen Präzedenzfällen mal abgesehen. Von dem Bill Gates Pharmaskandal habe ich auch gelesen.

Warum ich das Geschwätz meiner Bekannten über Baghwan, Poona und dieses Harekrishnagetue nicht mehr hören kann, liegt in der Bewußtmachung dieser inneren Brutalität, die in diesem Lande herrscht.

Jeder kann sein Seelenheil oder Spiritualität suchen und finden wo er will - ich, für meinen Teil, finde dieses durchgewokte, transzendale Blabla eine Attitüte gelangweilter Wohlstandsbürger.

Wer sich informieren möchte - und das kann heute jeder, wird zwangsläufig auf die Doppelbödigkeit dieser gurubeseelten Gesundbeter stoßen. Für mich bleibt es jedenfalls ein Ort den ich nicht bereisen werde. Ich hänge nun mal an der ELF (Egalité, Liberté, Fraternité).
Beislgrüße

Ein paar Informationen unterschiedlicher Quellen, wie das Töten nach Plan abläuft und das ist längst nicht alles.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschlechtermord-zwei-millionen-tote-frauen-pro-jahr-100.html

https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wo-wir-helfen/asien/indien/gewalt-frauen-indien

https://netzfrauen.org/2023/05/09/india-34/

Antwort geändert am 14.05.2023 um 19:06 Uhr

Antwort geändert am 14.05.2023 um 19:19 Uhr
Daniel (50) meinte dazu am 15.05.23 um 02:17:
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 Beislschmidt meinte dazu am 15.05.23 um 14:27:
Ich kann nur für mich selbst sprechen und es bleibt jedem selbst überlassen auf welche Art der Spiritualität er sich einlässt. In Europa ist auch nicht alles gold was glänzt und wir haben weiß Gott allen Grund uns an die eigene Nase zu fassen. 
Beislgrüße
Daniel (50) meinte dazu am 15.05.23 um 15:36:
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 Beislschmidt meinte dazu am 15.05.23 um 16:03:
Wenn man losgelöst von dem fernöstlichen Brimborium in die Thematik einsteigt, bekommt sogar der Überbegriff des Dalai Lama Risse. 
Europa hat für die Gleichberechtigung und die Menschenrechte jahrhundertelang gekämpft, mit vielen Opfern. In Indien haben sich, trotz Mahatma Ghandi die Kasten bis heute erhalten, trotz Verfassung und Justiz.
Mir unbegreiflich.
Beislgrüße

Antwort geändert am 15.05.2023 um 16:13 Uhr

Antwort geändert am 15.05.2023 um 16:14 Uhr

Antwort geändert am 15.05.2023 um 16:14 Uhr
Daniel (50) meinte dazu am 15.05.23 um 17:39:
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 nadir (13.05.23, 16:17)
Der Text ist wirklich gut! im Ernst, aber auch traurig und bedrückend ...

LG
Patrick

 Beislschmidt meinte dazu am 13.05.23 um 20:39:
Danke für die Blumen, Patrick.
Beislgrüße

 Pensionstarifklempner (13.05.23, 22:33)
Der Weg vom Schmerz zum Humor ist gar nicht so weit.

 Beislschmidt meinte dazu am 14.05.23 um 14:09:
Humor ist wenn man trotzdem lacht.
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