Invasion der Hühneraugen

Gedicht

von  Beislschmidt

Invasion der Hühneraugen


Aus’m Flieger quellen sie in Massen.
Olé! - die Invasion der Hühneraugen
verteilt sich gleich auf den Terrassen,
um die Kanaren Sonne aufzusaugen.


Die Schrumpelhaut mit rosa Söckchen,
bestückt mit prollig dicken Klunkern,
den Hängearsch im Seidenröckchen,
bei Cocktails übers Alter flunkern.


Mit Sonnenbrille im Safari Look,
klappert vorne weg der eitle Bock,
dahinter Omi mit Korallen Schmuck -
Walking Stöcke tackern Tock - Tock - Tock.


Sie grabschen nach dem allerletzten Glück
und nehmen Bänke, Schirme in Beschlag.
Sie feilschen um des Kuchens letztes Stück,
kontrollieren hinterm Komma den Betrag.


Sie sind von echtem Gore-Tex Adel,
von Hamburg bis zu den Galapagos.
Träger von der golden Gin Seng Nadel.
Es sind die Borg, Widerstand ist zwecklos.


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Kommentare zu diesem Text

Muckelchen (70)
(01.06.23, 16:24)
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 Beislschmidt meinte dazu am 01.06.23 um 21:49:
Sicher ist das böse Muckelchen. Ich habe das in dieser geballten Ladung nirgendwo sonst gesehen und ich sage das, weil ich selber alt bin. Es ist würdelos wenn die Lesezirkel Klientel sich so benimmt. 

Gelassenheit, vielleicht auch Humor, das würde ich mir wünschen. Aber ja, ich gönne es ihnen, muss ich wohl oder übel.
Beislgrüße

 Tula (01.06.23, 22:46)
Hallo Hans
Die auf den Kanaren und anderswo freuen sich doch über das Geld, das die Touristen bringen. Die ältere Generation richtet dabei doch keinenerlei Schaden an, sitzt nachmittags friedlich in der deutschen Konditorei, die auch im spanischen Urlaubsort nicht fehlt, und liegt um 22 Uhr im Bettchen. Die Leute, welche mir als selber-Urlauber das Gewissen foltern, sind jünger, d.h. von sehr jung bis in mein mittleres Alter hinein. 

LG
Tula

 Beislschmidt antwortete darauf am 02.06.23 um 08:35:
Hallo Tula,
Vom ökonomischen Standpunkt her gesehen, hast du natürlich recht. Die Senioren sind als Residenten und auch als Kurzurlauber eine wichtige Einkommensquelle. Vielleicht bin ich auf Teneriffa auch nur am falschen Ort gelandet. Ich habe mich dann aber lieber in die englischen Bars gesetzt aber auch dort war die gröhlende und saufende Kundschaft aus Manchester im Feinripp und Ganzkörpertatoos gewöhnungsbedürftig. 
:D
Vielleicht bin aber auch nur in einem engen Bewußtseinsfeld festgefahren, wie man sich in einem Urlaubsort "angemessen" verhält. Wenn ich mir meine Großeltern vorstelle, kriege ich das nicht in ein stimmiges Bild. Es ist die klischeehafte Wahrnehmung und der Zynismus, der mich an diese Strandarmada erinnert.
Beislgrüße


Antwort geändert am 02.06.2023 um 08:38 Uhr

 Rosalinde schrieb daraufhin am 02.06.23 um 11:28:
Hallo Beislschmidt,

dein Gedicht ist nicht zynisch, wie du annimmst, sondern ihm fehlt lediglich die gesunde Erkenntnis, dass der Deutsche auch im Urlaub immer noch der Deutsche bleibt. Um ihn aufzugabeln, muss man aber nicht unbedingt nach Teneriffa reisen, man findet ihn auch in Berlin, direkt unter der Siegessäule, und dann stammt er aus Schwaben oder Bayern. 

Du als der gepflegte Mitteleuropäer erwartest, dass der Deutsche im Urlaub zum Kosmopoliten wird. Der Fehler liegt in diesem Fall bei dir. Der zivilisierte Mensch übersieht,  was er nicht ändern kann, und schreibt kein Gedicht über die deutsche Trampligkeit.

Rosalinde

 Beislschmidt äußerte darauf am 02.06.23 um 12:52:
Nein, ändern kann ich es sicher nicht. Ein deutscher Kosmopolit ist ja schon Kabarett live, wie Reinhard Mey schon getextet hat aber wieso soll man keine Gedichte darüber machen?

 lugarex (02.06.23, 11:36)
Gezwungenermassen & ungewollt lasse ich Skechers Verkäufer gut verdienen. Bei meiner Therapie, die hauptsächlich aus Gehen besteht,
habe ich echte Invasion von Hühneraugen und wechsle Laufschuhe viel zu oft. :angry:

Sportgruss Luga

 Beislschmidt ergänzte dazu am 02.06.23 um 12:55:
Ein Leidensweg, ich weiß Luga. Probier doch mal Nike für den Sport und Finn für den Alltag. Das senkt die Chickeneyes.
Beislgrüße

 Rosalinde meinte dazu am 02.06.23 um 20:19:
Beislschmidt, das habe ich nicht geschrieben, dass man darüber kein Gedicht schreiben sollte. Es wird einfach nicht getan, das ist es. Der Grund scheint zu sein, dass jeder vor sich selbst Angst hat, eines Tages deutscher Rentner mit Reiseambitionen zu sein, und Beislschmidt schreibt darüber ein Gedicht. Du selbst hast da wohl keine Zukunftsängste?

Sieh mal, ich als Ostdeutsche habe noch gut die Westberliner in Erinnerung anlässlich des Passierscheinabkommens, wie sie vor uns dicke taten mit ihrem Gelumpe von Aldi. Die Großzügigkeit war herzerweichend. Hm, Westkaffee! Hm, Westgraupen! Hm, Westbananen! So dämlich konnten nur Ostdeutsche sein, immer bescheiden und ergeben. Tja, wie die Zeiten sich ändern.

Rosalinde

 Beislschmidt meinte dazu am 03.06.23 um 09:54:
Hey Regina, ich habe nicht den Eindruck, dass die Ostdeutschen ergeben sind - im Gegenteil! Eher streitlustig und renitent und das ist gut so, denn sie haben erkannt, dass der süße Westbrei zur Selbstverleugnung führt. 

 Du selbst hast da wohl keine Zukunftsängste?
Nein, habe ich nicht, obwohl ich seit drei Jahren im Rentenalter bin. Im Gegentei, ich bin dankbar,  dass ich nach 40 Jahren Plackerei mehr Zeit zum Nachdenken und Schreiben habe. Wenn ich mich aber nicht mehr aufs Moped setzen könnte - das würde mich schon hart treffen. Noch geht's. 

Beislgrüße

Antwort geändert am 03.06.2023 um 09:56 Uhr

 Rosalinde meinte dazu am 03.06.23 um 13:06:
Schön, dass du mich umgetauft hast. Dass die Ostdeutschen nicht mehr so ergeben sind, wie sie  gegenüber dem Westen nach der Beschallung durchs Westfernsehen damals sind, habe ich angedeutet. Jetzt haben wir ja nur noch Westfernsehen, und inzwischen hat sich ja auch einiges in der Welt geändert. Wobei die Nordostdeutschen erdverbundener sind als die aus den südlichen Randgebieten. Bin beinahe stolz auf meine Ostdeutschen geworden. Wenn sie jetzt noch zum Kern der Sache durchstoßen könnten, würde ich das "beinahe" streichen.

Soso, du fährst Moped. In deinem Alter, Alterchen! Wobei ich wahrheitsgemäß zugebe, dass ich zu den Radfahrern gehöre. Mir geht es genauso, wenn ich nicht mehr radfahren kann - wozu noch weiterleben?

Regina-Rosalinde

 Beislschmidt meinte dazu am 03.06.23 um 14:30:
Ups, das war ein Versehen Rosalinde. August der Starke wäre mehr als stolz auf euch, weil ihr euch nicht einlullen lässt. Die ganze Ostgeschichte habe von meinen damaligen Gastrobedienungen nachgeholt. Unvergessen, die quirlige Kirsten aus Bautzen. War ne schöne Zeit, damals mit den Geschichten von Jugendweihe etc - wir kannten das nicht.
Beislgrüße

 Pearl (03.06.23, 17:09)
Das mag ich. Kunst darf auch kritisieren und Menschenliebe versteckt sich nicht zuletzt in so manchem Spott. Daumen hoch von mir :)

Liebe Grüße,

Pearl

 Rosalinde meinte dazu am 03.06.23 um 19:37:
Naja, ist klar, ihr habt überhaupt nichts gewusst von uns, Beislschmidt, ihr kanntet nur den verlogenen Sülz des Westfernsehens. Dies zum Thema "Damals waren die Medien besser als heute". Übrigens, Jugendweihe gab es auch im Westen. Die wurde von den Freidenkern organisiert. Nicht so wie in der DDR, aber unter humanistischem, antireligiösem Aspekt. 

Rosalinde

 Beislschmidt meinte dazu am 03.06.23 um 20:25:
@Pearl
Für Daumen hoch sag ich Danke ....
Beislgrüße 

Doch werd ich niemals mich beklagen,
weil ich geschlafen und den Zug versäumt.
Mein Weg kennt wohliges Versagen,
wo andre ihre Träume ausgeträumt.

Deshalb brauch ich keine fremden Herren,
werd mich lieber täglich neu erwehren.
Ich bleibe gern der unbequeme Spötter,
verzicht auch gern auf eure schönen Götter.

 Beislschmidt meinte dazu am 03.06.23 um 20:30:
@ Rosalinde,
Das wusste ich nicht, wie so vieles, das uns fremd geblieben ist und unbekannt. Zeit ist nun genug vorhanden für Kurzgeschichten und Reportagen aus der alten DDR. Ich bin gespannt.
Beislgrüße

 Rosalinde meinte dazu am 04.06.23 um 21:29:
Das mit der alten DDR ist so eine Sache. Dachtest du an eine neue DDR? Adäquat der alten BRD, die neu Deutschland heißt bzw. Germany?

Von mir wirst du keine Geschichte aus der DDR lesen.
Ich kann mir vorstellen, was da von manch einem Ostbürger kommen kann, Erfahrungssache. Da halte ich mich strikt raus. Es sei denn, mir wird es zu bunt mit den Schreckenserzählungen aus der DDR. 

Rosalinde
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