kONFESSIONEN EINES NACHKRIEGSALKOHOLIKERS
Gedicht
von hermann8332
KONFESSIONEN
EINES INFANTILEN
NACHKRIEGS-ALKOHOLIKERS
JAHRGANG 1942
Als ich ein Büblein war
im Grundschulalter
da schickten mich meine Eltern
mit einer 1,5 Liter Alu-Milchkanne
vor dem Abendbrot zu einem
nahegelegenen Wirtshaus
mit einer Gassenschenke
wo ich im Eingangsflur
am Schalterfensterchen
stand
mit der Kanne in der Hand
und sie mir auffüllen ließ,
nachdem ich geklingelt hatte …
… bis zum Eichstrich …
und dann
mit dem vollen Gefäß
gemessenen Schrittes
das Bier heimtrug
ohne Verzögerung
Umschweife
oder sonstigen Unfug
damit es nicht überschwappte
und pünktlich zu Hause ankam,
denn mein Herr Vater war
ein strenger und durstiger Mann
Doch heimlich und verstohlen
nippte ich unterwegs
vom Gerstensaft
erst ein paar Schlückchen
und dann immer mehr
Da gingen meine Eltern her
und wollten sich beim Wirt
beschweren …
Dies konnte ich
gerade noch abwehren,
indem ich einen Löffel
mitnahm
und kurz bevor ich
nach Hause kam
das Bier umrührte
so daß der dichte Schaum
am Kannenrande stand
und weder meine Frau Mutter
noch mein Herr Vater
an der Füllmenge
etwas auszusetzen fand
Doch als ich süchtig
wurde und immer mehr und mehr
vom Kannenbiere trank
auch weil es verboten war
da wurde mir klar
ich brauchte einen neuen Trick
um die Eltern zu betrügen
sonst würde ich meine Prügel
kriegen …
Ich nahm ein Fläschen
mit Wasser mit
und streckte das Bier
und verdünnte es so sehr
daß sich meine Eltern über die
Qualität mokierten
die auf Dünnbier Niveau stand
und man eine andere Wirtschaft
mit Gassenausschank fand
die weiter weg lag …
Als es im Sommer heiß war
und ich schwitzte
und ich die schwere Kanne
trug , da war mir alles Wurst
denn ich hatte Durst
und trank gierig
einen halben Liter
jach in mich hinein
Und als ich war daheim
viel mir als Ausrede nur
ein :
ich sei ausgrutscht am Rinnstein
und das Bier floß in die Gosse
Die Eltern glaubten mir
die Posse
doch ab jetzt
mußte ich vorsichtig sein
und schwankte
zwischen Angst und Gier
was - bitteschön glauben Sie mir -
einen zwangsneurotisch macht
denn damals
entwickelte sich schon
meine Bierobsession
So kam es ,
daß durch das Bierstibitzen
ich zum Lügner wurde
und zum Dieb und zum Betrüger
und zum Säufer obendrein
Ich machte mir Gewissensbisse
wähnend ich sei ein Schwein
und hatte mir nix dir nix
einen Minderwertigkeits -
Komplex
hinsichtlich des Überichs
den ich überkompensierte
mit Unmengen von Alkohol
als ich dann studierte
Die Schuld an dieser Sucht
muß man den Eltern wohl
anhängen
Sie seien verflucht !
Und den Gassenschenken
welche die Persönlicheit
deformieren und verrenken
Durch die Klingel und das
knirschende Schiebe- Fenster
werden Pawlowsche Reflexe
generiert
was dann
zum Reinforcement führt
und schlielßich
zum Feed – Back wird
auf behavioristische Weise
in einer endlosen
Suchtschleife
so daß mir der Speichel floß
wenn ich die Klingel drückte
und an die Fensterscheibe
drosch …
Das Schiebefenster
und die Klingel
sie machten mich
zum bösen Schlingel
verlogen frech
und unverschämt
der nur nach Alkohol
sich sehnt
machiavellistisch
opportunistisch
utilitarisch
egoman und egoistisch
alkoholabhängig
und suchtkrank
( und vorzeitig
lebenstüchtig )
( Gottseidank … )
und ich brach
mein Studium ab
und ging zur Post
und Eisenbahn
weil ich sowieso
nichts kann
Und wurde Lehrer
ohne h
dafür mit zwei e
weil ich statt in die Schule
viel lieber in Wirtshaus geh
Als Knäblein hat ich einen Traum
doch der zerplatzte wie Bier-
schaum
Am liebsten wär ich
Wirt geworden
und würde an der Quelle
sitzten und bräuchte nicht
mein Bier stibitzen
Wer nichts wird wird Wirt
und der wer ist
besonders dumm
der geht ins Ministerium
und wer von Klein auf trinkt
der es zum Säufer bringt
( und wer belügt und betrügt
sein Bierquantum abkriegt )
( und wer statt in die Uni
in die Wirtshäuser geht,
den Universitäten des Lebens,
der die Welt versteht )
und kann zur Feder greifen
um das zu beweisen
Ich wurde zum Poet
und auf meinem Bierkrug
steht
„ Wie ein beim Bader
eingeseift Gesichte
schaut mich
aus diesem Glas
der Bierschaum an:
Das ist der edle Blut-
und Drüsensaft
der mir den Fidelbogen
strafft “
Ich wurde zum Dichterling
und zum Fabulist
und zum
versoffenen Poeten
Viele viele hats
schon gegeben
dieser schreibenden
Schluckspechte
dieser Schreiberlinge
selbst in der Weltliteratur
in Wahrheit nichts
als Säufer nur
trainiert an den Gassen-
schenken durch ein laxes
Elternpaar:
Coalkoholiker fürwahr …
förderten sie unbewußt
die literarische Kultur
Dafür sei ihnen gedankt
dafür muß man sie lobpreisen
statt sie moralisch zu zerreißen
Eltern
von großen
versoffenen Literaten
mit genialen Gaben
Ihr Verdienst ist groß
und was heißt da
sie schickten doch bloß
ihren Sprössling zur
Gassenschenke …
Nein , man bedenke:
Sie tolerierten
und akzeptierten
den schlechten Ausschank
(dem Himmel sei dank )
und den
Dünnbiergeschmack
( Coole Eltern
Schwer auf Zack )