VOM RESPEKTLOSEN UMGANG DER LYRISCHEN SCHMIERANTEN * _ INNEN MIT IHREM HANDWERKSZEUG

Gedicht zum Thema Schreiben

von  hermann8332

DER LYRISCHE STIFT


Es war einmal

ein weißes Blatt


Da kam ein Stift

lief auf und ab


lief jede Zeile

rechts entlang


Worauf er wieder

links begann


Dann ging er fort

vom Papierort


Und als er verschwand

stand auf dem Blatt


so allerhand


was man sonst nicht

bei Texten fand :


lyrische Geschwafel

verquastes Geseiere

manierierte Diktion

hochgestochenes

Geleiere


emotionales Blablabla

seelisches Gequake

psychisches Gelabre


blöde

Impressionen

dumme

Illusionen


fade

Langweiligkeiten


ekelhafter

Gemütsschleim


alles stupid und nackt

exhibitionistisch bloßgelegt


doch lyrisch verpackt


Im Grunde

lauter Schmarren

für Träumer

und für Narren


und für alle

welche haben


etwas an der Waffel

oder ihrem Sparren



Anthroposophen

Esoteriker

Religiöse

Selbstsucher

Selbstfinder

Sebstermächtiger


Entrückte

Verrückte

Beglückte

Zerdrückte



Als es zur Korrektur kam

und man ihn in die Hand nahm

da packte ihn die Eigenscham

ob diesem ganzen kruden Mist


und die Fremdscham über den

Schreiberling * _ in dessen

Schreibknecht er gewesen ist


Und er litt so sehr

und er litt noch mehr

als er all das sah

was als Text stand da


von ihm selbst geschrieben

unter Druck und Zwang


Zeile für Zeile lang


Da begann er Seppuku,

Harakiri oder so


und brach sich selbst

die Spitze


als ob ihm das was nütze


denn man spitzte ihn

wieder zu im Nu ...


… sobald er sich

das Leben nahm

immer und immer wieder


So daß er

schließlich nur noch

ein kleiner Stummel war


und stellte keinen

richtigen Bleistift dar


So wurde er gestutzt

erniedrigt, ausgenutzt


Schließlich

erlöste ihn sein Herr

und schmiß ihn

in den Papierkorb


dem Nirwana

der Bleistiftstummel


und der Papier- Krüppel


als Restmüll

von Schreibblockaden

und Schreibversuchen

die mißraten


Der Schreiber*_in ling

das Lyrikschwein

griff sich einen neuen Stift

und ging so mit ihm um

wie ers mit dem Alten tat:


machtergreifend

übergriffig

machtmißbrauchend


toxisch

unwoke

und gemein


und bildete sich ein

empathisch und sozial

und liberal


woke und respektvoll

zu sein


und gerecht


und schrieb

mit dem neuen Stift

weiterhin:


grottenschlecht









Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Pensionstarifklempner (25.06.23, 16:02)
Wunderbar ! Da lacht der Bär. Kommt in meinen Zitatenschatz. Bitte jetzt noch einen Text über die Berufung des Schauspielers . Und über die Mathematiker : 
Dort hinter dem Baum lauert ein Integral.......

 niemand meinte dazu am 25.06.23 um 17:26:
Ich bin begeistert darüber, wieviel Selbstkritik der Schreiber hier imstande ist von sich zu geben. Und dann dieser absolut geniale Schluß:

"grottenschlecht"     8-) 

Bravo!

Sich dermaßen kritisch zu betrachten, das ist eine echte Leistung
und gehört anerkannt!
Agnete (66)
(26.06.23, 19:15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram