Mäzen 2

Text zum Thema Traum/ Träume

von  baujahr71

Nach einigen weiteren Gängen zum Automaten, nach einigen Runden auf den warmen Fließen um den Pool herum, nach einigem Schnuppern am Duft der wunderbaren Kaiserin Farah formte sich die folgende Idee:

 

Motto ausdrucken

mit Abriss-Schnipseln versehen

am schwarzen Brett anbringen

 

Wie gesagt, ich stehe für das geschriebene Wort, daher erschien mir der antiquierte Griff zum Druck gerade recht. Bei der Auswahl der Bütte, der Größe und Art der Typen und dem Satz des Schriftstückes gab es keinerlei Fragezeichen oder Bedenken, das würde mir leicht von der Hand gehen. Mit den Schnipseln, die wie Klaviertasten am Rand des Zettels angeordnet waren, tat ich mich lange schwer. Mir war schon klar, dass diese Art des sharings überholt ist, aber ich wollte damit einen maßgeblichen Zweck verfolgen: Konditionierung. Meine Absicht bestand keineswegs nur darin, massenhaft beliebiges Interesse einzusammeln. Vielmehr zielte ich darauf ab, eine spezielle Neugier zu wecken, von der ich annahm, dass sie selten ist. Kurzum: ich wollte echte Passion statt kurzweiliger Laune. Außerdem musste ich irgendwie verhindern, dass der Zettel fotografiert wird und so die Idee der Abrisschen verschwindet. Nein, nur den Besitz des Schnipsels wollte ich gelten lassen. Ich wusste, dass das eine harte Nuss werden würde, deshalb schob ich den Komplex erstmal beiseite und begann derweil mit der Planung des dritten Anstriches.

Eingangsbereiche infrage kommender Institute waren für gewöhnlich immer der Standort schwarzer Bretter. So hatte ich das zumindest in Erinnerung, als ich zu TH-Zeiten einmal Kohldampf hatte und etwas verzweifelt einen Kantinenplan suchte. Ich wurde da auch sicher fündig und merkte schnell, dass hier alle möglichen geradlinigen und abseitigen Neuigkeiten ihren Platz hatten. Die Masche mit den Abrissen war allgegenwärtig: von abenteuerlichen WG-Gesuchen über suspekte Lebenskünstler bis zu Nachhilfe gegen schmale Taler war alles vertreten. Ich würde also zunächst auskundschaften müssen, ob das immer noch so ist und fragte auch gleich den Gärtner, ob er heute Erledigungen in der Stadt hat. Zum Glück war das der Fall und so saß ich eine halbe Stunde nach dem letzten Kaffeechen mit klarster Mission im Beifahrersitz des Jeeps auf dem Weg nach L.

Wie gesagt, Recherchen vor Ort gehören dazu. Beim Einbiegen in die G.-F.-Straße stellte ich beim Blick durch die Scheibe jedoch schnell fest, dass ein Hausbesuch nicht reichen würde, um das Terrain für meinen Coup zu sondieren. Die Gegend hatte sich baulich stark verändert und ich hatte Mühe, das Gebäude von einst aufzuspüren. An die Fassade konnte ich mich erinnern, eine breite aber kurze Treppe führte zum Eingang. Kübel aus Waschbeton bildeten den Saum, in denen man das Experiment unternahm, die Optik des Zweckbaus durch Begrünung aufzuheitern. Ob das damals gelang weiß ich nicht mehr, jetzt stellten sie jedenfalls nur noch traurige Blöcke dar, die von Bikes und Scootern umfasst waren. Ich erkannte an diversen Abbruchstellen einige gescheiterte Versuche, die Konstruktionen zurückzubauen, aber alles war viel zu solide errichtet und man überließ es offenbar sich selbst. Selbiges galt für die Schwingtüren des Eingangs, dessen wuchtige Messingstücke eher einen Eindruck an unförmige Hanteln statt an Klinken hinterließ. Das nächste Wagnis bestand darin, die Öffnungsrichtung zu erraten, denn push/pull war nirgends zu lesen. Ich ging also auf Risiko und stemmte mich gekonnt gegen das Metall.

So trat ich ein und fühlte mich wieder wie an jenem Tag, als ich auf der Suche nach Bekanntmachungen hier an Land ging. Ja, die Aufgänge mit ihren metallenen Handläufen waren noch da, ebenso der zentral gelegene Fahrstuhl. Doch das Objekt meiner Begierde war verschwunden. An seiner Stelle waren zwei riesige flats montiert, die ich erst gar nicht als solche wahrnahm. Sie zeigten gerade noch einen Banner der Einrichtung, wechselten aber automatisch den Inhalt, als ich davor stand. Etwas verloren und niedergeschmettert blickte ich mich im Bereich um und machte dabei eine überraschte Miene. Weiter oben im Haus danach zu suchen empfand ich schnell als zwecklos, das Ding musste direkt hier unten sein -- Reichweite und so.

Auf dem linken flat war jetzt ein schmuck gemachter Iso vom Gebäude zu sehen. Die Zonen der Fachrichtungen waren wunderbar dargestellt und ich bildete mir sogar ein, dass die Farbwahl passend zum Lehrinhalt ausgewählt war. Bei den Naturwissenschaften beherrschten satte Grüntöne die Darstellung, die Technik war mit schwarzen Formen abgebildet, durch die gelbe Diagonalen zogen. Die Geisteswissenschaften waren durchweg in pantone neon gegliedert und durch Gänge mit gekonnten Gradienten verbunden. Am Portal zu diesem Bereich entdeckte ich dann auch ein Icon, welches mir Hoffnung machte.

Der Weg in den Fünften begann dann steinig, weil ich keinerlei Tasten am Fahrstuhl finden konnte. Ich war schon im Begriff, die Treppe zu nehmen und touchte zur Orientierung mit dem Finger über die Anzeige, um mir den Weg einzuprägen. Sesam öffnete sich und ich stiegt mit einem anerkennenden Gesichtsausdruck ein. Ohne Geräusch schlossen sich hinter mir die Schiebetüren und die bodentiefen Spiegel der Kabine verwandelten sich überdimensionale Displays, die einen sanften Scroll ineinander übergehender Textpassagen aus der Antike anzeigten. Eine Stimme kündigte das Reiseziel an, wunderbar, hier wollte ich noch oft mitfahren.

Nachdem ich das Gerät verlassen hatte, betrat ich eine kleinere Halle, von der mehrere Adern tiefer in das Gebäude führen mussten. Ich hatte mich an orange zu halten, um an das Icon zu gelangen. Früher waren die Gänge mehrfach von Zwischentüren unterbrochen, die hatte man jetzt aber offensichtlich entfernt. Hmm, Transparenz war gut gemeint, aber der Haken fiel mir gleich auf: die Eingänge zu den Zimmern, die sich rechterhand befanden, verkamen jetzt zu Laubengang-Optik, das war eindeutig ein Rückschritt.



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