Station machen

Akutstation: Dem jungen Typen hängen die Jeans fast in den Kniekehlen. Er flüstert auf sich selbst ein und raucht Kette. Die Frau aus dem Zimmer gegenüber streichelt ihren gewölbten Bauch, sie lächelt und lächelt, aber ihre Stimme klingt nach Weinen. Ist sie überhaupt psychisch krank? Ich tippe eher auf eine mittlere Intelligenzminderung. Vielleicht beides. Um das Baby wird sie sich nicht allein kümmern können. War sie einverstanden mit dem Sex? Im ersten Zimmer bleibe ich nur eine Nacht. „Jaja, das wussten wir gleich, dass die wieder geht, die gehört nicht hierher“, sagt Frau Kroll an mir vorbei. Etwas zieht sich in meinem Magen zusammen. Ich laufe in Unterwäsche zum Schrank, um mich anzuziehen. „Sie sind aber schön schlank!“, plötzlich doch zu mir. Im neuen Zimmer sucht Elektra in ihrem Schrank nach eine Flasche Weizenkeimöl. „Sie hat es mitgenommen, ich bin nur einen Moment rausgegangen“. Aus dem Garten brüllt eine Männerstimme auf Schwäbisch: „I bin Na-tio-nal-so-zi-a-lischscht!“ Elektra sieht den Schreck in meinem Gesicht: „Das ist ein ganz Lieber“.  „No“, nickt die Sozialarbeiterin, „fahren Sie erstmal nach Westdeutschland“. Westdeutschland? Alle lieben Ursula. Sie trägt bunte Leggings, Graffitioptik, und rüttelt an der Tür zum Garten. Allein darf sie nicht nach draußen, sie ist zu wacklig auf den Beinen. Ich warte auf die letzte Visite. „Kann ich dir etwas Gutes tun?“, fragt Ursula, „Du bist so schön!“.

In der Psychiatrie fühle ich mich auch wieder nicht richtig. Die fällt als Zufluchtsort also weg. Es bleiben: Gefängnis und Kloster.