Das Medium der Trennung

Text zum Thema Geld

von  Hoehlenkind

Dass es vielen Menschen so schwer fällt, dankbar zu sein, ist eine Wirkung des Geldsystems, das von zentraler Bedeutung für die Organisation des zwischenmenschlichen Umgangs in dieser Gesellschaft ist.

Im üblichen dinglichen Denken ist Geld eine gute Sache. Wenn ich Geld habe, geht es mir gut, wenn es mir fehlt geht es mir schlecht. Man kann es aber auch umdrehen und nicht das Haben, sondern das Brauchen betrachten. Dann ist es schlecht, wenn man es braucht und gut, wenn man es nicht braucht. Das wäre schon mal ein Ansatz zur Kritik am Geld. Ich fühle mich dort am wohlsten, wo man kein Geld braucht: In der Natur, in der Familie, unter Freunden. Wo schenken üblicher ist als verkaufen.

Das auf Haben und Brauchen beschränkte Denken über Geld als konkretes Zahlungsmittel macht es schwer, die Wirkungen des Geldes als Organisationsprinzip der Gesellschaft zu erkennen und zu bedenken. Nur wenige machen sich Gedanken darüber. Dazu kommt, dass es als so selbstverständlich und unverzichtbar angesehen wird, dass es sinnlos erscheint, sich darüber überhaupt Gedanken zu machen. Es fehlt an Distanz, um es überblicken zu können.

Oft behauptet, dass Geld notwendig sei, weil man sonst immer Waren mit sich herumschleppen müsste, um sie gegen andere Sachen zu tauschen. Tauschen ist aber keine Alternative zum Geldsystem, sondern nur eine andere Form der Grundeinstellung, dass es für alles eine Gegenleistung geben muss.

Die Vorstellung, dass man für alles, was man tut oder gibt, einen Gegenwert bekommen muss und für alles, was man braucht oder will, etwas zahlen muss, ist zugleich Grundlage und Ergebnis des Geldsystems. Je mehr man sich danach verhält, umso selbstverständlicher erscheint es.

Wie schon erwähnt, ist unser Gesellschaftssystem einem Monopolyspiel ähnlich. Ohne Geld oder Geldersatz hätte es keinen Sinn. Es ist aber kein Naturgesetz, dass wir so ein Spiel spielen müssen, wir könnten auch ganz andere Spiele spielen. Spiele nicht gegeneinander, sondern miteinander, die keinerlei Art von Geld brauchen.

Geld ist eine Art von Beziehung, oder treffender Nichtbeziehung. Geld ermöglicht, andere etwas für uns tun zu lassen, ohne Freundschaft, Wertschätzung oder Dankbarkeit zu empfinden. Als wären sie unsere Sklaven, die wir meist nicht mal kennen.

Die Abkehr von der Sklavenhaltung wird als großer humaner Fortschritt gefeiert. Das Prinzip der gnadenlosen Ausbeutung von anderen Menschen ist aber geblieben, und der Fortschritt dient eher den Ausbeutern als den Ausgebeuteten. Die Geldwirtschaft vermittelt die Ausbeutung und anonymisiert sie. Die Sklavenhalter von heute brauchen nicht mehr die Peitsche zu schwingen, die ökonomischen Zwänge sorgen schon dafür, dass die gewünschte Arbeit erledigt wird.

Die Sklaven sind jetzt frei, sich zu entscheiden, ob sie auch zu schlechtesten Bedingungen arbeiten oder verhungern wollen. Nahezu jeder, der sich am Wirtschaftssystem beteiligt, ist zugleich Sklave und Sklavenhalter, jedoch in unterschiedlichem Maße. Als Produzent oder Anbieter ist er Sklave, als Konsument oder Auftraggeber ist er Sklavenhalter.

Doch durch die extrem ungleiche Verfügung über Geld sind da viele, die faktisch nur Sklave sind und einige, die in erster Linie Sklavenhalter sind. Wenn jemand ein hundertfach höheres Einkommen hat als andere, kommt das auf dasselbe hinaus, als ob er über 100 Sklaven zu bestimmen hat, was sie tun sollen.

Geld ist das Medium der Trennung und Vereinzelung. Trennung von unseren Mitmenschen, von der Natur, also unseren Mitlebewesen. Und es zerreißt den Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen unseres Handelns.

"Geld stinkt nicht" heißt es. Es bedeutet, dass es uns nicht interessiert, woher das Geld kommt, das uns angeboten wird oder das wir bekommen. Das Blut, der Schweiß und die Tränen von Vielen, durch die der Reichtum von Wenigen zustande kam, haftet dem Geld nicht an. Nicht einmal der Leichengeruch von Kriegen und Massakern.

Ebenso wenig interessiert, wo das Geld hingeht, das wir ausgeben, was damit gemacht oder verbrochen wird. Für oder gegen wen oder was es verwendet werden wird. Geld ist pure Abstraktion, deshalb geschichts- und gesichtslos. Vergangenheit wie Zukunft wird ausgeblendet, das Denken in Quantitäten gefördert und Qualitäten vernachlässigt.

Das Einzige, was interessiert, ist das Mehr oder Weniger vom Geld. So wird die vieldimensionale Welt auf eine Dimension reduziert, sie wird platt gedacht. Es bleibt nur noch der Schatten vom Schatten vom Schatten, eine Zahl auf einer Skala, und doch glaubt man, damit das Wesentliche der Welt abbilden zu können. Genauso gut könnte man die Telefonnummern einer Stadt aufaddieren, um etwas über sie auszusagen.

Die Unbegrenztheit des Geldes, ob von Einkommen und von Vermögen, macht die Menschen, die ihm verfallen sind, gierig und maßlos.

Maßlosigkeit ist das Ergebnis ungeregelten Strebens. Ungeregelt nicht in dem Sinne, dass es zu wenig normative Regeln gäbe, sondern im technischen Sinn, dass es keine geeignete Rückkopplung gibt für die Regelung. Wenn man bei einer Heizungsregelung statt eines Temperaturfühlers einen Helligkeitssensor anschließen würde, würde sie bei Dunkelheit maßlos bis an andere Grenzen heizen und ebenso maßlos das Heizen ganz einstellen, wenn die Sonne scheint oder sonstiges Licht auf den Sensor fällt.

Maßlosigkeit im menschlichen Bereich ergibt sich daraus, dass die sogenannten "Ersatzbefriedigungen" nicht wirklich befriedigen. Wenn jemand aus Hunger isst, wird er aufhören, wenn der Hunger weg ist. Isst er aber zB aus einem Bedürfnis nach Sicherheit heraus, wird er erst aufhören zu essen, wenn es weh tut oder kein Essen mehr zur Verfügung steht. Weil das Bedürfnis nach Sicherheit durch das Essen nicht wesentlich reduziert wird. Ebenso wird eine, die Geld zum Überleben braucht, das Geldverdienen nur solange wichtig nehmen, bis es reicht.

Wenn hinter dem Streben nach finanziellem Erfolg jedoch ein unerfülltes und nicht eingestandenes Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung steckt, wird es auch nie ein Genug geben. Da dessen Befriedigung nur gerade mal reicht, um die Illusion aufrecht zu erhalten, dass sie auf diesem Wege erreicht werden könnte.

Dabei spielt auch das Statusdenken in unserer Gesellschaft eine Rolle. Denn mit Reichtum und Statussymbolen, die das zeigen, ist auch etwas Anerkennung verbunden. Reichtum gilt für viele als erstrebenswert und wer es erreicht hat, als vorbildlich. Selbst der Neid kann als Bestätigung empfunden werden. Solche Anerkennung ist zwar eine sehr oberflächliche, aber das spielt kaum eine Rolle, da die finanzielle Gedankenwelt von sich aus oberflächlich ist.





Anmerkung von Hoehlenkind:

Ein Kapitel aus meinem Buch  "Danke, dass du anders bist"

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (17.07.24, 12:38)
Es gibt auch Gesellschaften, wo das Schenken das Prinzip ist, aber die haben auch große Nachteile. Da wird Verantwortung auf wenige abgeschoben, Faulheit, Korruption und Mangel eben auch gefördert.

 uwesch (17.07.24, 13:08)
Interessantet und vielseitiger Text.
In meinem BWL-Studium wurden solche Gedanken natürich nicht gewälzt LG Uwe

 Dieter_Rotmund (17.07.24, 17:42)
Sehr ordentlich geschrieben, aber auch ein extrem trockener Text. Ich würde ihn mit Beispielen aus der menschlichen Geschichte anreichern.
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