Parataxe - Gehen, ging, gegangen oder der Scheitan in Mainkofen von Jenny Erpenbeck à la Fjiodora Michailaja Dostojewskaja

Volksstück zum Thema Andere Kulturen

von  toltec-head

Aus der deutschen Wikipedia zum Roman von Erpenbeck:


Richard, als Altsprachen-Professor kürzlich emeritiert, lebt allein. Seine Frau ist vor fünf Jahren gestorben, seine jüngere Geliebte hat ihn verlassen. Er kann gut von seiner Pension leben, bewohnt ein Haus in der Nähe von Berlin, das er nach der Wende gekauft hat. In dem See, an den das Grundstück grenzt, ist im Sommer jemand ertrunken. 

Auf dem Alexanderplatz treten zehn männliche Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern in einen Hungerstreik. Sie weigern sich, ihre Namen zu nennen. Durch einen Bericht in den Abendnachrichten wird Richard auf die Problematik aufmerksam und beginnt, sich über die Situation der Protestierenden zu informieren. Er erkennt, dass sie, ähnlich wie er, unter dem Arbeitsverbot leiden. Durch die Untätigkeit sind auch sie gezwungen, sich ausschließlich mit sich selbst und ihren oft sehr schmerzlichen Erinnerungen zu beschäftigen. Er beschließt, darüber eine Recherche zu machen, und beginnt, Gespräche mit ihnen zu führen. Er trifft sie zunächst auf dem Oranienplatz, wo sie über zwei Jahre hinweg ein Protestcamp errichtet hatten, um auf die Mängel der europäischen Asylpolitik aufmerksam zu machen. Im Zuge einer „Vereinbarung“ mit dem Berliner Senat werden sie bald darauf in verschiedenen Unterkünften (im Roman „Heim“ genannt) untergebracht, um wenige Monate später, nach „Prüfung der Einzelfälle“, wieder nach Italien, ihr Erstaufnahmeland, zurückgewiesen zu werden. Dort hatten sie aber bereits, bevor sie nach Deutschland kamen, vergeblich versucht, Arbeit zu finden. 

Richard begleitet die Flüchtlinge mit seinen Recherchen ungefähr ein Jahr durch diese verschiedenen Phasen hindurch. In seinen Aufzeichnungen bezeichnet er anfangs einige der Männer mit Namen aus der griechischen und deutschen Mythologie („Apoll“, „Tristan“), die ihm durch seinen Beruf vertrauter klingen als deren afrikanische Namen, die anderen nennt er später bei ihren bürgerlichen Vornamen („Ali“, „Karon“, „Osarobo“, „Rashid“, „Rufu“). Richard wird im Zuge der Gespräche, die er mit den afrikanischen Männern führt, in deren Alltag verwickelt, begleitet sie zu Terminen bei Anwälten und zu Sprachkursen, übersetzt amtliche Schreiben für sie, beschafft ihnen kleine Jobs, erteilt ihnen selbst Deutschunterricht. Einem bringt er die Anfangsgründe des Klavierspiels bei, einen anderen lädt er zu Weihnachten zu sich nach Haus ein. Während er so mehr und mehr über das Leben der afrikanischen Männer erfährt, informiert er sich parallel dazu durch Lektüre und Internetrecherche über geografische und politische Hintergründe und Fluchtursachen in deren westafrikanischen Herkunftsländern. Schließlich wird er selbst politisch aktiv, so meldet er zum ersten Mal in seinem Leben eine Demonstration an, erlebt Räumungen und Konflikte der Flüchtlinge mit Behörden und mit der Berliner Polizei. Um der Familie eines Ghanaers das Überleben in Ghana zu ermöglichen, kauft er für 3000 Euro ein Grundstück in Ghana. Ein Einbruch in sein Haus wird für ihn und seine Freunde zum Anlass, über ihre eigenen Vorurteile, über Vertrauen und Privatbesitz grundlegende Überlegungen anzustellen. Nachdem die meisten der Oranienplatz-Aktivisten, mit denen Richard in Kontakt ist, auf die Straße gesetzt wurden, nehmen er und seine Freunde in ihrem bürgerlichen Umfeld einige der Flüchtlinge bei sich zu Hause auf oder geben ihnen in Büros und Ladenlokalen zumindest einen Schlafplatz. Am Ende des Romans, als Richard die Afrikaner zu seiner Geburtstagsparty in den Garten einlädt, kommt zum ersten Mal die ihnen allen gemeinsame Einsamkeit zur Sprache. Während die jungen Männer sich an die Zeit in ihrem Leben erinnern, als sie noch in einen Familienalltag und liebevolle Beziehungen eingebunden waren, erzählt der verwitwete Richard in aller Offenheit von Fehlern, die er während seiner Ehe gemacht hat. „Damals (…) ist mir klargeworden, dass das, was ich aushalte, nur die Oberfläche von all dem ist, was ich nicht aushalte.“ Die geflüchteten Männer verstehen ihn – denn so ging es ihnen auch bei der Überfahrt von Libyen nach Europa: Auf leichten Booten haben sie sich gerettet, die Angst vor dem tiefen, unergründlichen Meer aber blieb die ganze Zeit über gegenwärtig.
Grüß Gott! 

Mein Name ist Mohamed S. und ich wurde 2000 in Mogadischu in Somalia geboren. Ich bin ein Incel. 

Ich wuchs als jüngstes Kind mit neun Geschwistern, sechs älteren Brüdern und drei älteren Schwestern, bei seinen Eltern in Somalia auf. Mein Vater  arbeitete als Viehhändler, meine Mutter als Verkäuferin. Meine Eltern und meine Geschwister leben in Somalia. Ich hatte eine normale Kindheit, nie irgendwelche Gewalterfahrungen oder Kriegserlebnisse gehabt. Geordnete Verhältnisse à la Mogadischu.

Dann kam 2016, ich hatte Merkel im Internet gesehen, und fasste den Entschluss, nach Europa auszuwandern.  Reiste mit dem Bus von Somalia aus durch Äthiopien in den Sudan, wo ich ca. vier Monate lang blieb. Vom Sudan aus dann nach Libyen, wo ich ca. ein Jahr lang in einem Lager untergebracht war. Dort wurde ich geschlagen. Meine Eltern mussten  7.000 $ über Western Union überwiesen, da wurde ich aus dem Lager entlassen. Nach der Entlassung aus dem Lager versuchte ich mit einem Boot über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, wurde jedoch auf der Fahrt von Soldaten aufgehalten und zurück nach Libyen und anschließend nach Niger gebracht. In Niger dann   ein Jahr lang in einem Lager untergebracht. Dort erhielt ich unter Vermittlung des UNHCR am 09.10.2018 im Rahmen des Programms zur „Neuansiedlung von Schutzsuchenden“ (sog. Resettlement) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Aufnahmezusage und wurde mit dem Flugzeug am 15.10.2018 nach Deutschland gebracht.

Nach meiner Ankunft in Hannover am 15.10.2018 wurde ich für ca. zwei Wochen im Grenzdurchgangslager Friedland aufgenommen. Anschließend wurde ich auf den Freistaat Bayern bzw. den Regierungsbezirk N. verteilt und lebte nach Zuweisung durch die Regierung von N. ca. ein Jahr lang in einer Asylbewerberunterkunft in B. Danach wohnte ich sechs Monate lang in einem Mitarbeiterzimmer eines Besteckfachhandels in P., bei dem ich als Spüler arbeitete. Nachdem das Arbeitsverhältnis im Juli 2020 gekündigt worden war, musste ich aus dem Zimmer in P. ausziehen, so dass ich in der Folge versuchte, wieder in die Asylbewerberunterkunft in B. zurückzukehren. Da mit die Rückkehr in die Asylbewerberunterkunft in B. jedoch nicht gestattet wurde und ich keinen festen Wohnsitz hatte, wurde ich  durch die Polizei in die Obdachlosenunterkunft in der B. Straße  in R. gebracht, in der mir durch die Stadt R. ein Zimmer zur Verfügung gestellt wurde. 

Ich bekam Heimweh nach Somalia. Ich versuchte deshalb bei der somalischen Botschaft in Berlin die erforderlichen Papiere für eine Rückkehr nach Somalia zu beschaffen, jedoch ohne Erfolg. Ein Gericht ordnete meine Betreuung an, die folgende Aufgabenkreise umfasst: Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vertretung in Arbeitsangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten.  

Ich hatte nie eine Berufsausbildung begonnen. Nachdem ich Somalia verlassen hatte, arbeitete ich vier Monate lang als Ziegenhirte im Sudan.

Nach meiner Ankunft in Deutschland nahm ich an einem sechsmonatigen Deutschkurs an der Volkshochschule in R. teil. Ich erhielt Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von ca. 350 € im Monat. Im Jahr 2020 arbeitete ich ca. sechs Monate lang als Spüler in einem Besteckfachhandel in P. und erzielte hieraus ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.200 €. Da mich die Arbeit jedoch stark belastete und meine Leistungen nicht den Anforderungen entsprachen, wurde das Arbeitsverhältnis im Juli 2020 gekündigt. In der Folge ging ich keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, sondern bezog Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II) in Höhe von ca. 420 € im Monat. Ich lebte in der Obdachlosenunterkunft in R. bis zu meiner Inhaftierung struktur- und ziellos in den Tag hinein und gab mein Geld mit Vorliebe für Alkohol, Zigaretten und Cannabis aus.

In Somalia hatte ich noch keine seelischen Probleme. Die kamen erst später.  In Libyen kamen mir Sinnzweifel und Selbstmordgedanken und ich litt unter der Vorstellung, dass in der Nacht der „Scheitan“ zu mir komme. Bei meinem Aufenthalt in Niger besserte sich mein seelischer Zustand. Nach meiner Ankunft in Deutschland traten bei mir, spätestens seit dem Jahr 2020, unabhängig vom Konsum von Alkohol oder Drogen, psychotische Symptome in Gestalt von Stimmenhören und Wahnvorstellungen auf. Ich nahm unter anderem Befehle, Beschimpfungen und Schreie von Stimmen in meinem Kopf und aus den Wänden wahr. Daneben litt ich erneut unter der Vorstellung, dass der „Scheitan“ in der Nacht zu mir komme und mich hole. Überdies hatte ich den Eindruck, dass im Radio über mich gesprochen werde. Ferner hatte ich die Empfindung, dass mir in der Nacht eine Festplatte der Illuminaten oder einer fremden Religion eingepflanzt worden sei. Außerdem nahm ich die Gestalten von Statuen und Dämonen wahr, die mich beobachteten und mit mir sprachen.

Am Abend des 18.07.2021 befand ich mich in der floriden Phase einer paranoiden Schizophrenie und nahm die Gestalten von Statuen und Dämonen wahr, die mich beobachteten und mit mir sprachen. Ich war in einer Obdachlosenunterkunft allein mit irgendeinem anderen vollkommen entwurzelten armen Teufel, den man in dieses Shithole-Land geholt hatte, und hatte plötzlich die Vorstellung, dass sich im Körper dieses anderen zwei Personen befänden, die laut mit mir sprachen und die ich aus dessen Körperherausholen müsse. In dieser Vorstellung entnahm ich aus einem Messerblock  zwei Messer mit genieteter Griffschale. Das eine Messer hatte einen Messerrücken mit einer Länge von 13 cm, eine Schneide mit einer Länge von 13,7 cm und eine Klingenbreite von 1,9 cm. Das andere Messer hatte einen Messerrücken mit einer Länge von 19,3 cm, eine Schneide mit einer Länge von 21,3 cm und eine Klingenbreite von 3,7 cm. Ich stach dem, nennen wir ihn A. K., mit den beiden Messern in zahlreichen Hieben in den Hals und in den Oberkörper, wobei A. K. jedenfalls den wesentlichen Teil der Stiche im Bett empfing. A. K. machte, bewusst oder unbewusst, eine Drehbewegung nach links zur Wand, zeigte jedoch keine Abwehrreaktion.

Ich verletzte durch die Messerstiche bei noch intaktem Kreislauf des A. K. den linken Bereich der Lunge, das Herz und den Bauchbereich des A. K. und löste massive Blutungen aus, durch die Blut in die Atemwege des A. K. gelangte. Insgesamt versetzte ich den A. K. durch einhundertelf einzeln abgrenzbare glattrandige Hautdurchtrennungen.  So verursachte ich durch die Messerstiche fünfunddreißig Durchsetzungen des Brustkorbes, weit überwiegend links, insbesondere zwei nahezu handtellergroße, breit klaffende Durchsetzungen der gesamten vorderen Rumpfwand einschließlich der Rippen 2 – 6, wodurch die Brusthöhle links eröffnet wurde. Ebenfalls verursachte ich durch die Messerstiche fünfzehn Durchsetzungen des Herzbeutels, überwiegend an der Vorderseite, aber auch an der Rückseite, unter Eröffnung der rechten Herzkammer und zahlreichen vollständigen Durchsetzungen der linken Herzkammer. Vierundzwanzig Stichverletzungen fügte ich dem A. K. am linken Lungenober- und -unterlappen zu, ebenso mehrere Durchsetzungen des Brustbeins und des 1. und 2. Zwischenrippenraumes rechts, drei Durchsetzungen des rechten Lungenoberlappens und eine breit klaffende Durchsetzung der unteren vorderen Brustwand. Durch acht Stiche wurde die Bauchhöhle des A. K. eröffnet, wodurch Magen- und Darmanteile austraten. Ferner verursachte ich durch die Messerstiche drei Dutzend Durchsetzungen des Darms, drei Durchsetzungen der Leber, vier Durchsetzungen der linken Niere, zwei Durchsetzungen der rechten Niere und acht Durchsetzungen des Zwerchfelles links. Acht Messerstiche verletzten die linke Schulter und den linken Oberarm; mehrere Messerstiche verletzten die rechte Beinhebermuskulatur, die Bauchspeicheldrüse, die Milz und die rechte Bauchschlagader; zwei Messerstiche verletzten die linke Beckenschlagader.

A. K. verstarb aufgrund der zahlreichen Stich- bzw. Stich-Schnitt-Verletzungen des Rumpfes durch Verbluten nach außen und innen.

Anschließend wechselte ich meine blutige Kleidung und wusch mich im Toilettenraum oberflächlich das Blut des A. K. ab. Dann verließ ich die Obdachlosenunterkunft mit meinem Fahrrad und fuhr ohne erkennbares Ziel in südlicher Richtung aus der Stadt in die Umgebung von R. hinaus. Unterwegs ließ ich das Fahrrad in einer Wiese liegen und setzte meinen Weg zu Fuß fort. Gegen 01:30 Uhr gelangte ich durchnässt zum Anwesen des D. C. in R., ca. 5 km von der Obdachlosenunterkunft entfernt. Dort stieg ich über den Zaun und ging auf das Wohnhaus des D. C. zu, der in seinem Wintergarten saß und an seiner Modelleisenbahn arbeitete. D. C. öffnete die Tür des Wintergartens und fragte mich

„Was ist los? Wo kommst du her?“ 

Ich antwortete: „Ich komme aus Somalia. lch bin im Arsch. Ich brauche Hilfe.“  


Anmerkung von toltec-head:

Bei dem zweiten Teil dieses Textes handelt es sich - leicht abgewandelt - um Auszüge eines frei öffentlich zugänglichen Gerichtsurteils:

 https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2022-N-44395?hl=true

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Kommentare zu diesem Text


 Isensee (10.08.24, 01:21)
Keine Ahnung, wie du dein Geschwafel los geworden bist. Vielleicht hast du es mit offenem Katzenfutter oder Chat-GPT gelöst. Macht Bock auf mehr.

 toltec-head meinte dazu am 10.08.24 um 09:33:
Meine Inspirationsquelle warst du als junges Weißbrot, das dem armen Sheitan ähnlich gesehen hast.

 hehnerdreck (10.08.24, 02:57)
Institutionelle Deformation einer verletzbaren Seele.
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