Die Erbschaft

Alltagsgedicht

von  Citronella

 

„Bevor ich eines Tages sterbe,

verteil ich jetzt mein ganzes Erbe

an Euch, ihr sieben lieben Neffen“,

schrieb Tante Ruth und lud zum Treffen.

 

„Zehntausend Euro gibt's für jeden.

Auch übers Häuschen will ich reden.

An Arme hab ich hier gedacht

und dieses Haus der Stadt vermacht.“

 

Die Neffen schwiegen sehr betreten.

Man sah sie ihre Hände kneten.

Denn darauf warn sie nicht gefasst.

Das Glückslos hatten sie verpasst.

 

„Das Haus ist doch 'ne Mille wert!“,

hat gleich der eine sich beschwert.

„Das gibst du her für fremde Leute?"

Wie schnell er seinen Satz bereute!

 

„Ich dachte immer, du gäbst gern.

Mit deinem guten innren Kern

bedauerst du stets alle Armen.

Wo bleibt denn heute dein Erbarmen?“

 

„Ja, doch, natürlich, du hast Recht.

Obwohl – grad geht es mir sehr schlecht.

Beruflich hab ich Geld verloren

und wirklich keinerlei Sponsoren.“

 

„Dann tut’s mir leid für dich, mein Junge.

Du redest mit gespaltner Zunge.

Wenn Mitleid nur geheuchelt ist,

warst du wohl nie ein guter Christ.“

 

Ins Haus ziehn jetzt zehn Menschen ein.

Derweil lebt Tante Ruth allein

im Pflegeheim Herbstphantasie.

Besuch von Neffen hat sie nie.



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Kommentare zu diesem Text


 Teo (05.11.24, 09:43)
Ach...Erben. Brauch kein Mensch.
Da haste mit Hühnern mehr Glück....

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 09:48:
Du meinst, ich sollte mein Häuschen einem Hühnerhof vermachen? :silly: 

LG Citronella

 Teo antwortete darauf am 05.11.24 um 09:53:
Ne...mir!

 Citronella schrieb daraufhin am 05.11.24 um 10:13:
Hast du nicht schon eins?

 Teo äußerte darauf am 05.11.24 um 10:18:
Zwei.

 Citronella ergänzte dazu am 05.11.24 um 10:21:
Von Tantchen geerbt??

 Teo meinte dazu am 05.11.24 um 10:29:
Ergaunert.

 ran (05.11.24, 10:08)
Ruth kam hinein ins Pflegeheim,
die Kosten tun nicht vom Pappenstiel sein,
Verschenken geht da nicht so locker,
Heim greift rückwirkend zu auf Tantchens Haus,
neue Mieter falln vom Hocker,
müssen die jetzt raus?

Kommentar geändert am 05.11.2024 um 10:09 Uhr

 ran (05.11.24, 10:09)
doppel, sry.

Kommentar geändert am 05.11.2024 um 10:09 Uhr

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 10:14:
Nein, ran, so geht das nicht.

Erstens hat Tantchen schon vorgesorgt für die letzten Jahre, zweitens ist das Haus an die Stadt verkauft, das kann nicht rückabgewickelt werden. Die neuen Bewohner sind auf jeden Fall geschützt.

 ran meinte dazu am 05.11.24 um 10:49:
tut mir leid, dann habe ich das wohl falsch verstanden,

und dieses Haus der Stadt vermacht

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 10:56:
Nein, du hast Recht, Fehler von mir: Vermacht ist nicht verkauft. Aber auch eine solche Erbschaft kann nicht rückabgewickelt werden, soweit ich weiß.

 ran meinte dazu am 05.11.24 um 12:33:
... solange der Erblasser nicht erblasst ist, kann von Erbschaft nicht die rede sein. Das wäre eine Schenkung.

Aber du hast recht, solche Rückforderungen nach Jahren treffen nur Kinder, weil diese unterhaltspflichtig sind.

 hehnerdreck (05.11.24, 16:24)
Hab mich oft ins Amtsgericht und auch ins Landesgericht reingehockt um Erbanwälte bei der Arbeit zuzuschauen, damit ich einen passenden für einen schwerbehinderten Freund finde, weil seine Brüder, zwecks Erbschaft nach verstorbenen Eltern, ihn übers Ohr hauen wollten. Da hab ich sehr viel Erfahrungen gesammelt. Auch nachdem meine Mutter, sowie später meine Tante starb, habe ich mit meinen Cousinen die sprichwörtliche Hölle auf Erden erlebt, und dann auch ein österreichischer Freund von mir, dessen Schwester sich selbst als Alleinerbe eingesetzt hatte - frag mich nicht, wie die das gemacht hat, lange Geschichte, dann wieder erst neulich, mit meiner Freundin, die hat zwei Schwestern, nachdem durch Turbokrebs (wahrscheinlich durch die Impfung) beide Elternteile in kurzer Zeit starben, hatte sich eine der Schwester sich selbst als Nachlassverwalterin eingesetzt und den beiden anderen Schwestern die Einsicht in die Vermögensverhältnisse, wie Spar- und Bankkonten der verstorbenen Eltern verweigert (also absolut widerrechtlich) - konfliktscheu wie nun mal die beiden anderen Schwestern sind, haben die sich alles gefallen lassen, während die eine Schwester alles was vielleicht etwas mit Wert und Vermögen hätte zu tun haben können, an sich gerissen hatte, dagegen die Wäsche, darunter auch Unterwäsche der Mutter den beiden Schwestern überreicht hatte, als hätte es ich um die Kronjuwelen gehandelt. Ach, ich könnte da was erzählen. Dein Alltagsgedicht hat diese Erinnerungen wieder zurückgebracht, jetzt muss ich mich mal wieder beruhigen. Gut geschrieben, weil es auch viel Allgemeines über die Untugenden des Bürgertums spiegelt. LG

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 17:55:
Oh je, beunruhigen wollte ich hier niemanden ... :wassat:

Aber ich glaube, es gibt kaum eine größere Familie, die in Erbschaftsangelegenheiten nicht schon Ähnliches wie du erlebt hat. Ich kenne da auch mehrere Geschichten. Da zeigen sich dann immer ganz schnell die wahren Gesichter.

LG Citronella

 hehnerdreck meinte dazu am 05.11.24 um 18:03:
Erstaunlich ist auch die Höhe des Werts der Durschnittserbmasse so ungefähr 500 Tausend Euro pro Familien/Generation bzw. was ein Ehepaar an seine Kinder in Deutschland weitergibt. LG

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 18:11:
Ist das so? Na, in unserer Familie bewegten wir uns in anderen Dimensionen ...  8-)

 hehnerdreck meinte dazu am 05.11.24 um 18:30:
Ja, es war wirklich so viel. Vielleicht waren es am Ende dann doch nur 50 Tausend, und ich hab nen Nuller dazuempfunden ... aber nein, dann würd ich mich echt zu sehr irren, s waren schon so viel. Kann man sicherlich herausgoogeln. aber, wollen wir das?

 niemand (05.11.24, 17:33)
@ Cironella
Da hier die sieben Neffe nicht sehr gut wegkommen und Tantchen so garnicht besuchen wollen, frage ich mal nach und zwr, bekommt sie wenigstens von den
"zehn Menschen", denen sie ihr Haus zur Verfügung stellte und welche jetzt, wie ich annehme, preiswert darin wohnen können, wenigstens Besuch in ihrem
"Herbstfantasie-Heim"? Würde mich wundern, denn Menschen nehmen gerne, wenn sich die Gelegenheit bietet und sie dadurch einen Vorteil haben, hingegen
wird sich dafür doch wohl eher selten revanchiert.
Mit nachdenklichen Grüßen, Irene

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 18:03:
Na ja, Irene, da müsste ich die "10 Menschen" erst mal in Schutz nehmen - die würden ja wahrscheinlich gar nichts von der  Vorbesitzerin wissen, weil sie die Wohngelegenheit von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen haben. Wen interessiert da noch die alte Tante Ruth?

LG Citronella

 niemand meinte dazu am 05.11.24 um 18:57:
Sagen wir mal anders: Im Grunde hat Tante Ruth nur der Gemeinde/Stadt einen Gefallen getan, sprich diese vor Unkosten bewahrt. Die Stadt hätte diese Menschen sowieso unterbringen müssen, also wurden ihr Steuergelder erspart, die sie nun anderweitig "verbammseln" ;) kann. Ich habe von Erbschaften gehört, die gutmütige Bürger Städten und Gemeinden in bester Absicht vermacht haben. Diese Gelder wurden dann irgendwo verbucht, weil der "Sponsor" nicht mehr existierte und nicht nachfragen konnte. Ich spreche aus Kenntnis,habe ich doch jemanden hier, der lange Zeit im öffentlichen Dienst tätig war. Das ist nicht unproblematisch. Das öffentliche Händchen greift gerne in die Taschen, so ode so. Nicht immer ist es daher ratsam die Taschen noch weiter zu öffnen als nötig.

 Citronella meinte dazu am 06.11.24 um 13:21:
Ja, Irene, in unserem Land gibt es sehr viele "gutmütige Bürger". Vielleicht zu viele?

LG Citronella

 EkkehartMittelberg (05.11.24, 19:15)
Hallo Citronella,

unter Erben ist Berechnung viel mehr verbreitet als Dankbarkeit.

LG
Ekki

 Citronella meinte dazu am 05.11.24 um 21:24:
Ja, Ekki, da hast du meine volle Zustimmung.

LG Citronella

 Regina (05.11.24, 21:34)
Erbschleicherei ist allenthalben üblich. Erben ist eine einmalige Gelegenheit, ohne Arbeit an Geld zu kommen. Da hat so mancher einen Plan ausgeheckt.
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