Ich hasse Männer (aber Bären nicht.)

Monolog zum Thema Vergewaltigung

von  Marlena

„Halt deine Schnauze, du Schlampe“ und der Stich der gespreizten Beine. Klingeln in den Ohren. Herzrasen. Wann habe ich meiner Mutter das letzte Mal gesagt, dass ich sie liebe? Raue, würgende Hände und ein Gesicht, dass mir plötzlich so fremd erscheint. Schwarze, tanzende Sterne über mir, ich hoffe so sehr, dass er meinen Kater verschont. „Du dumme scheiß Nutte“ eine Hand löst sich. Das Geräusch, wenn sich ein Reißverschluss öffnet. Die Hand wird lockerer. Ich höre mich schreien. Nein. NEIN. N E I N. (bitte).

 

„Nächste Haltestelle, Berlin HBF.“ Der Mann mit der Glatze rückt in der Reihe vorwärts. Schlurfend zieht er seinen kleinen Koffer hinter sich her, mich ignorierend, nicht wahrnehmend, in seinem Handy versunken. Ich reiße meinen Blick von ihm ab, er kann nichts dafür, dass er so aussieht wie er.
Vielleicht ist er ein liebender Mann, oder Vater, ein guter Freund, vielleicht ein sich sorgender Sohn. Vielleicht ist er kein Vergewaltiger, vielleicht doch, vielleicht kann man Männern nie ansehen, zu was sie fähig sind, vielleicht waren es nie Männer, vor denen ich Angst hatte. Vielleicht waren es immer Männer, die ich liebte-

 

Er kann nichts dafür, dass er so aussieht wie er.

 

Dass mein geschundenes Hirn beim Scannen nach Gefahr an ihm haften blieb, die alte Kassette abspielend, mich zurück in den Januar vor zwei Jahren werfend. Flashback, Panik, Realitätsverlust.

Er kann nichts dafür.

 

Meine Hände zittern immer noch, das Kippen drehen muss warten, aufstehen, Jacke an, Rucksack auf, Koffer holen. Vor mir steht ein Kind, die eine Hand verschmolzen mit der seiner Mutter, die andere Hand um den Hals eines Teddybären.

 

„Would you rather be  stuck in the forest with a bear or a man?“

 

Wenn ich einen Bären sehe, dann weiß ich, dass er gefährlich ist.

Ich weiß, dass er mir nur etwas tut, weil er hungrig ist, oder sich verteidigen muss.

Ein Bär sitzt danach nicht morgens am Kopfende des Tisches beim Frühstück.

Würde ich der Polizei sagen, ein Bär hat mich attackiert, würden sie mir glauben.

Man würde nicht fragen, was ich trug.

Ob ich betrunken war.

Wieso ich mich an dem Tag für Spitzenunterwäsche entschied.

Ob ich nicht heimlich wollte, dass er mich angreift.

Oder wie oft und wie laut ich Nein gesagt habe.

Man würde mir nicht vorwerfen, ich würde seinen Ruf ruinieren.

Oder dass ich schuld bin, weil ich nett zu ihm war.

Vielleicht würde man ihn sogar erschießen, er ist schließlich eine Gefahr für die Gesellschaft.

Aber ein Bär würde nicht seine Freunde dazu holen und mich filmen.

Oder im Internet damit prahlen, dass er mich erniedrigt und verletzt hat.

Er würde keinen Zuspruch von anderen Bären bekommen.

Es gäbe keine Diskussionen, dass der Bär selbst noch jung war und nicht wusste, was er tat.

Er würde nicht bei Familienfeiern von allen gemocht werden.

Alle würden verstehen, weshalb ich nie wieder in den Wald gehen will.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil ich nicht tue, was er will.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil ich sein Besitz sei und er machen kann, was er will.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil er Spaß daran hat, mir weh zu tun.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil er weiß, dass er vom Rechtssystem gedeckt wird.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil ein Gott ihm sagt, ich sei weniger wert.

Ein Bär würde mich nicht töten, weil er mit Ablehnung nicht zurechtkommt.

Ein Bär würde mich nicht töten, nur weil ich eine Frau bin.

 


„Ja egal, aber er würde dich töten, so oder so?“

 





Es gibt etwas schlimmeres als den Tod.




Anmerkung von Marlena:

(ich werde auch dann noch männer hassen, wenn ihr mir alle sagt notallmen)

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Kommentare zu diesem Text


 Citronella (08.11.24, 18:38)
Sehr ergreifend! Und durchaus glaubwürdig.

LG Citronella

 Marlena meinte dazu am 09.11.24 um 17:50:
Ich danke dir, solche Texte sind ein Seelenstrip.

 AlmÖhi (08.11.24, 21:05)
Durch frühe Prägung ist mein Gefühls- und Sexualleben ziemlich stark von Aggression gegen mein eigenes Geschlecht geprägt. Darum lese ich solche Dampfablaß-Texte sehr gerne. Ich wünschte, es gäbe mehr von ihnen.

 Marlena antwortete darauf am 09.11.24 um 17:52:
Ganz ehrlich, danke. Es tut mir leid, dass du da (vielleicht?) auch eigene Erfahrungen gemacht hast. 

Vielleicht findest du hier ja öfter solche Dampf Ablasser.

 AlmÖhi schrieb daraufhin am 10.11.24 um 00:03:
Es gibt hier die Tradition, daß die Autorinnen alle paar Jahre mal einen Schwanz-ab-Text posten. Das gefällt mir.

 Marlena äußerte darauf am 12.11.24 um 15:13:
Gefällt mir.
Die Tradition werde ich weiterführen.
Subordination (65)
(10.11.24, 20:15)
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 Marlena ergänzte dazu am 10.11.24 um 21:56:
Danke, dass du die Wahrscheinlichkeitsrechnung in diesem Fall übernommen hast, Frauen können kein Mathe. Wenn du mit "Ausbildung" Feminismus meinst, dann zeigt dein Kommentar bloß, dass du keinerlei emotionale Intelligenz beigebracht bekommen hast.

Von daher, lass dich mal ne Runde von Feministinnen ausbilden, dann wird's auch was mit dem Empathie Vermögen.
Subordination (65) meinte dazu am 10.11.24 um 22:04:
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 ran (10.11.24, 21:01)
Mal so zum Bär, der ist größtenteils harmlos (Ausnahmen Eisbären sowie Grizzlys die von Menschen gefüttert wurden). Bärenangriffe sind meistens Unfälle, jmd. kommt aus Unachtsamkeit oder durch unglücklichen Zufall in den Nahbereich und der Bär erschrickt. Du hast völlig recht, ein Bär würde dich nicht verachten, er würde dich nur töten, wenn du ihn ganz arg erschreckst, ansonsten würde er einfach nur seiner Wege gehen.



vielleicht kann man Männern nie ansehen, zu was sie fähig sind
manchmal kann man es, manchmal nicht. Aber frau kann versuchen Stärke zu entwickeln, Selbstverteidigungstechniken lernen.

 Marlena meinte dazu am 10.11.24 um 22:01:
Danke, dass du mir Bären erklärt hast, ich habe natürlich nicht vorher über Bären recherchiert, bevor ich über genau dieses Thema geschrieben habe. 

"Frauen sollten Stärke entwickeln und Selbstverteidigungstechniken lernen" 

Wieso sagst du nicht:

"Männer sollten Empathie entwickeln und aufhören Frauen zu vergewaltigen."

Wieso liegt die Arbeit bei uns, wenn die Straftat bei ihnen liegt?

Antwort geändert am 10.11.2024 um 22:02 Uhr

 ran meinte dazu am 11.11.24 um 04:18:

Antwort geändert am 14.11.2024 um 14:23 Uhr

 Marlena meinte dazu am 12.11.24 um 14:38:
Ich bin und war nie "eine leichte Beute" sondern sie waren immer Täter. Das ist Schuldzuweisung. Keine Frau kann etwas dafür, wenn Männer entscheiden übergriffig zu werden. Es sollte nicht erwartet werden, dass diese "Arbeit" mit der ich Prävention meine, von uns betriebene werden muss. 

Ich sollte mich sicher fühlen, auch wenn ich keine Judo Weltmeisterin bin. Und ja, das Rechtssystem ist kein zuverlässiges Werkzeug für Gerechtigkeit in diesem Fall.

 ran meinte dazu am 12.11.24 um 16:14:

Antwort geändert am 14.11.2024 um 14:23 Uhr
Subordination (65) meinte dazu am 12.11.24 um 18:42:
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 Marlena meinte dazu am 14.11.24 um 13:23:
Ich hab ne verdammte Gänsehaut bekommen, als ich das gelesen habe. Klingt als würdest du aus Erfahrung sprechen?

Außerdem ist die Antwort falsch.

Die Arbeit liegt bei uns, weil das Patriarchat Täter schützt. Männer halten sich nicht gegenseitig accountable für ihre Taten, denn sie erkennen nicht mal, ab wann etwas übergriffig ist, weil es ihnen egal ist. Weil niemand sie aufklärt. Sie denken Vergewaltigung ist ein fremder Mann, der aus einem Busch springt und die leicht bekleidete Joggerin nachts ins Gebüsch zerrt. Aber es sind sie. In Beziehungen, in Freundschaften, in Clubs, auf Partys, im Bus. Und die rape culture beginnt weit vor der Vergewaltigung.

Allein dein unfassbar peinlicher Kommentar, dass es unwahrscheinlich sei, dass eine Tat mich dazu bringt Männer zu hassen? Du bist das verdammt beste Beispiel, weshalb das so ist. Es ist nicht nur eine Tat, sondern es ist der verfickte Fluch, als Frau geboren worden zu sein und in dieser Welt leben zu müssen, umgeben von Mackern die sich wie scheiß Tiere verhalten.

Mit dem Unterschied, dass ein beschissener Köter eher ein "nein" versteht, als die meisten Männer auf dieser Welt.

 AndreasGüntherThieme meinte dazu am 17.11.24 um 00:33:
Ja, ich (ehemals Subordination) habe Erfahrung: mehrtätigen Gruppen-Sex hatte ich, bevor ich eingeschult wurde.

Antwort geändert am 17.11.2024 um 12:00 Uhr
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