Ich, Harun Meyer, sitze ein, weil ich einen Altnazi erschossen habe, der seine Tochter missbraucht hat. Diese seine Tochter habe ich sehr verehrt, ja, angebetet, und habe sie gleichsam an ihrem Vater gerächt. Das bereue ich bis heute nicht, auch wenn ich die Hälfte meines Lebens in Unfreiheit verbringen musste. Helche schreibt mir jedes Jahr einen Brief, in dem sie mir berichtet, wie sie in Norwegen lebt, wo sie Familie hat. Diese Briefe sind mein kostbarster Schatz, denn sie beweisen mir, dass meine Tat ihren Zweck erfüllt und das Gleichgewicht in Helches Leben wieder hergestellt hat. Helche ist ein merkwürdiger Name, ich kenne sonst niemanden, die so heißt. Aber meine Nachforschungen ergaben, dass er aus der deutschen Heldensage stammt, wie so viele Namen, die in der Nazizeit Kindern gegeben wurden. Es wimmelt ja geradezu von Gunthern, Hagen, Gernots und Rüdigern sowie von Utes, Gudruns und Krimhilds. Helche war die erste Gemahlin von Etzel, dem König der Hunnen. Es gefiel Helche, dass ihre Eltern ihr einen hunnischen Namen gegeben hatten im Glauben, er sei germanisch. Im Jahr 1935, als Helche geboren wurde, traten die Nürnberger Gesetze in Kraft, Unrecht in Gesetzesform, was aber Juristen wie mein Vater nicht erkannten. Er hat mehrfach Menschen wegen sog. Rassenschande verurteilt. Leider starb er, bevor ich auch ihn erschießen konnte.