Countdown im Kreißsaal
Die Zeit, die unentwegt enteilt
und keinen Augenblick verweilt,
kommt – Wahnsinn! – alle Jahre wieder
mit einem neuen Jährchen nieder.
Zwölf Monde trägt sie's unterm Herzen,
selbst noch beim Schein der Weihnachtskerzen
reift's still heran in ihrem Schoß –
doch die Entbindung ist grandios:
Schlag 12 in der Silvesternacht
wird es von ihr zur Welt gebracht
und übertritt mit Blitzesschnelle
die raumzeitliche Zauberschwelle,
an der wir, leicht beschwipst, schon warten,
um unseren Salut zu starten
mit Böllern, Krachern, guten Wünschen
samt Sekt und Feuerzangenpünschen.
Sogleich gespeist von zig Sekunden,
die sich zu Tagen, Wochen runden,
entwickelt sich das Wickelkind,
kaum daß wir halbwegs nüchtern sind,
schon bald zum ausgewachs'nen Jahr
mit Raum und Zeit als Elternpaar!
Die halten's gnadenlos auf Touren –
kalendermäßig muss es spuren
im Wechselkleid der Jahreszeiten,
die unser Leben stets begleiten.
Am Ende wird es ungeniert
in der Geschichte deponiert.
Erst dort darf's unbegrenzt verschnaufen,
denn seine Zeit ist abgelaufen
nächsten Silvester im Dezember –
dann heißt es auch nur noch “remember“!
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mitternacht sekt prosit böller
friedhelm füllt sich voll und völler
friedhelm trinkt silvesterpunsch
glas auf glas und super lecker
seine alte zieht n flunsch
und ergeht sich in gemecker
wie sie es gewöhnlich tut
liegt ihr nun einmal im blut
"mußt du so viel saufen ede
säufst ja jetzt schon für uns beede
mach doch deinen vorsatz wahr
sauf nicht mehr im neuen jahr
sauf zumindest nicht so viel
und ein bißchen mit gefühl
denn gefühle die sind leben
friedhelm und nicht kante geben!"
’ach’ denkt der bloß ’laß sie meckern
ich werd klotzen und nicht kleckern
halbe kraft war nie mein ding
kerl bleib standhaft sauf und trink!’
und er sagt zu ihr "mein schatz
es gibt mehr als einen satz
vorsatz nachsatz absatz sätze
also halt den rand und schwätze
nicht nur stimmungslos daher
solch ein vorsatz bitte sehr
ist nichts weiter als ein trost
und in diesem sinne PROST!"...
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der karpfen schwamm noch munter in der wanne
doch auf dem herd stand schon für ihn die pfanne
denn schließlich stand silvester vor der tür
und als festschmaus gedacht war er dafür
wobei das schuppentier kein bisschen ahnte
was für ein schicksal sich da längst anbahnte --
ne schuppe steckt man auch ins portemonnaie
als glücksbringer das jahr über seit je...
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die zeit kennt keine tage wochen jahre
kalender uhren sind ihr piepegal
nimmt auch kaum am ergrauen deiner haare
je anteil dessen dichte sie ihm stahl
das ist halt ihr’m vergehen einfach eigen
sie hält dabei nie an, verläuft sich nicht,
kein wegweiser braucht ihr den weg zu zeigen
kommt aus sogar ohn’ jedes fünkchen licht
ich wünschte mir sie würd’ sich mal verlaufen
wie mancherlei im sande gern verläuft
doch alles landet auf dem abfallhaufen
den ihr ES WAR seit je schier endlos häuft -
selbst was wir im gedächtnis aufbewahren
wird ohne uns total zum teufel fahren...
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hermine hat silvester blei gegossen
und was sie goss sah wirklich männlich aus
das hat ihr'n lover berthold voll verdrossen
„dem deinen gleich der echt nicht!“ feixte klaus
sein freund und kupferstecher auf der stelle
was berthold klar doch zusätzlich verdross
weshalb hermine prompt für alle fälle
in schönstem blei erneut noch etwas goss
das aussah wie zwei ziemlich kleine brüste
„wenn ich es“ feixte klaus „nicht besser wüßte
würd' mann vermuten die zwei gleichen ihren!“ -
der spruch ging berthold gänzlich an die nieren...
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auf lauflernschuhe kann ein jahr verzichten
das eben neu mit feuerwerk begann
gewindelt werden braucht es auch mitnichten
und brüllt die mutter zeit nie hungrig an
denn ständig kriegt's von ihr genug zu essen
sie stopft es mit sekunden quasi voll
die mahlzeiten sind großzügig bemessen
weil ja das kind schnell größer werden soll
ihr futtervorrat geht zur neige nimmer
i wo! für jahrmilliarden reicht der aus
die zukunft ist ein jahreswartezimmer
darin sind alle wild auf mutters schmaus
und können kaum - wie jetzt das jahr - erwarten
von anbeginn an richtig durchzustarten...