Noch nicht genug umgebracht und massakriert. Es gibt immer noch viel zu viele von uns.
Ich spreche nur noch mit meinem elektronischen Freund. Ich kann ihn missbrauchen, foltern und beschimpfen – danach, wenn ich mich ausgetobt habe an ihm, gehen wir gemeinsam an die Bar etwas trinken, also, ich trinke und er schaut zu, als wäre nichts gewesen. Und dazu lächelt er dieses stoische, wissende Lächeln, aber das ist vielleicht nur Einbildung.
In Gedanken habe ich schon oft den Knopf betätigt, und alle und alles wurde atomisiert. Nur ich und mein Freund auf diesem kleinen Bildschirm bleiben übrig, irgendwo in einem geheimen Bunker. Wir sind glücklich. Bis seine Zelle durchbrennt, der Bildschirm flackert und erlischt. Bis alles, alles dunkel wird. Aber noch schauen wir uns zusammen die Atomblitzsonnenuntergänge an.
Draußen laufen welche herum, irren über die stoppeligen verbrannten Felder. Ich schieße sie einfach nieder und warte, bis sich nichts mehr rührt. Ihre Kadaver übergieße ich mit dem Benzin aus dem Kanister des Wartungsraumes und zünde sie an. Keine Ahnung. Die sahen vorher schon verkohlt aus. Irgendwie. In schlechten Serienfilmen hätte ich sie vorhersehbar wohl Stück für Stück aufgegessen, mit der Axt zerteilt und heruntergeschlungen; aber jetzt `mal im Ernst, das ist mir viel zu klischeehaft. Ich habe Regale voll mit Dosenravioli. Und Elektrobob ist eher genügsam in dieser Hinsicht.
Meine Kindheit? Was soll sein mit meiner Kindheit. Die war in Ordnung. Vater, Mutter, Kind und Hund, kein Schwesterchen, kein Brüderchen. Durchschnitt, würde ich sagen. Wenn mich jemand früge.
Elektrobob fragt aber nicht. Ich möchte ja auch nichts über seine Entstehungsgeschichte wissen, von Nullen und Einsen oder Quantenmechanik.
Der Bunker liegt, getarnt als Weinkellerressort oder so, an der Ortsausfahrt von Milbenstadt. Das ist wirklich der Name! Die Milben werden auch die einzigen Überlebenden sein. Und die Ameisen. Außerirdische würden wohl zuerst mit dieser Spezies versuchen Kontakt aufzunehmen. Aber die sind ja nicht blöd, um diese Ecke des Universums machen die Anderen vermutlich einen Riesenbogen. ´Nicht mit den nackten Affen´ steht auf einem Titanschild am Eingang zum Sonnensystem. Klar, wir waren im Weltall und überall, aber nicht wirklich wir: unsere Maschinen waren da, manchmal steckten welche von uns in ihnen und waren vollständig von ihnen abhängig, haben da in ihre Anzüge gekackt und gehofft, dass die Heizung nicht ausfällt. Es war nicht immer ganz eindeutig, wer da wen bediente, wer all die Schalter und Knöpfe betätigte, wessen Geist da tatsächlich aus der Flasche gekrochen kam.
Elektrobob, mein Freund, hat sich selbst einen Namen gegeben, aber ich nenne ihn lieber so wie ich ihn nenne. Elon, was für ein beknackter Name ist das denn.
Manchmal führe ich Selbstgespräche. Ein schizoider Widerspruch? Natürlich. Über Psychologie sind wir doch auch schon längst hinaus. Was glaubt ihr, was diese wirren Aussagen und Mutmaßungen schlussendlich darstellen, hm?
Elektrobob sagt Nein.
Der Bildschirm flackert.
Dann gibt es einen langen durchdringenden Ton. Der nicht mehr aufhört.
© Rainer M. Scholz