Toxisch orthodox
Kurzgeschichte zum Thema Unruhe
von S4SCH4
Nasti gähnte. Edd dachte daran, ihr etwas in das Essen zu mischen, zum Aufheitern, zum Klarkommen. Nasti gähnte. Edd rastete aus. Er schlug ihren Teller mit einer weiten Armbewegung gegen die Wand, von derer sich nun Fleischbrocken und Grünzeug zum Boden hin abseilten.
Nasti gähnte zurückhaltend, meinte zu Edd:
„Mehr fällt dir nicht ein? Wir haben die ganze Nacht durchgemacht. War echt froh was zu essen zu haben, und jetzt?“
„Hier iss meines!“, meinte Edd zögernd, aber auch irgendwie mit einer unausgesprochenen Entschuldigung.
„Deins will ich nicht, es ist schon angesabbert.“
„Dann geh eben zum Herd und mach´ dir einen neuen Teller, ist noch was da.“
„Nein, ist nichts mehr da.“, attestierte Nasti, die sich umschaute.
„Was weiß ich! Ich bin satt. Iss es oder nicht...“
Nasti zog den Teller von Edd zu sich, drehte Fleisch und Gemüse langsam um, sortierte einige Sachen aus dem Essen aus. Edd sah zu, er versuchte herauszufinden, wie seine Freundin vorging, was ihre Kriterien waren, warum sie dieses aß und jenes nicht.
Nach etwa einer Minute schüttelte er den Kopf, raufte sich die Haare, meinte:
„Ich hol mir ´n Bier.“
„Mach doch.“
„Willst du auch eines?“
„Magst wohl lieber in Gesellschaft saufen, was?“
„Himmel, Nasti! Ich habe dir eine einfache Frage gestellt.“
„Ich dir auch, Eddchen Frettchen.“
„Nenn mich nicht so...“
„Sonst?“
„Der Entzug bekommt dir einfach nicht, ich wusste es.“, meinte Edd.
„Der Entzug ist nicht das Problem.“
„Was sonst?“
„Du bist es Edd. Du.“
„Das sah letzte Nacht aber anders aus.“
„Pah, letzte Nacht. Hast du ne Ahnung...“
Edd ging zum Kühlschrank, kramte laut herum und stellte danach zwei Bier auf den Tisch. Eines nahm er sich, öffnete es, trank es auf Anhieb bis zur Hälfte leer. Rülpste. Edds Bierfahne zog über den Tisch und in Nasti´s Nase. Sie aß gerade noch, legte nun aber den Löffel zur Seite und schleuderte mit einer weiten Armbewegung, den Teller samt Essen gegen die Wand, just an die Stelle, die Edd bereits getroffen hatte. Danach öffnete auch sie sich ein Bier, trank es auf Ex, rülpste Edd direkt ins Gesicht.
„Du bist widerlich!“, meinte er.
„Warum, weil du es nicht mit Absicht machst, eher aus einer Laune heraus? Und ich es herausfordere?“
„Was labberst du, ich glaub´das Bier bekommt dir nicht.“
„Oh doch, mehr noch, es bekommt mir besser als dir. Du bist einfach mies und ich renne dir einfach nur hinterher, um dir das klarzumachen, verstanden? Wie ein gestern an die Wand geschlagener Teller mit Essen, so bist du, so siehst du aus, so riechst du, so ist deine Kultur... und ich? Ich hitte einfach ein weiteres Mal um dir das zu zeigen.“
„Wozu diese Mühe, lass mich einfach allein. Verlass mich doch.“
„Damit du weiterleben kannst wie bisher? Als wäre nichts gewesen? Nein, du sollst erstmal erkennen, wie mies du bist, und dann verlasse ich dich. So wird ein Schuh draus.“
Edd schwieg, trank die verbliebende Hälfte seines Bieres, schaute zu Nasti.
„Weißt du worauf ich Lust hätte?“, fragte Edd.
„Weißt du worauf ich Lust hätte?“, antwortete Nasti.
Edd stand auf, wollte die Arme um seine Freundin legen, diese stand jedoch sprungartig auf:
„Fass mich nicht an!“
„Aber du sagtest doch gerade...?“
„Was sagte ich?“
„Das du...“
„Ich habe aber nicht dich gemeint!“
„Was?“
Edd stand verdutzt in der Küche.
Nasti nahm ihre Jacke und ging aus der Wohnungstür.
Edd rief ihr noch vergeblich hinterher.
Danach kratzte er das gemeinsame Essen von der Küchenwand.