Ein Kessel voll von unbegreiflichem Gold

Märchen zum Thema Loslassen

von  S4SCH4

Forgh, der Goldgräber, hatte einfach kein Glück, er war nun drei Wochen lang in den Bergen, grub in Höhlen und schürfte in Bächen, doch finden ließ sich nichts. Im Hinterkopf hörte er seine Frau wütend werden und das gemeinsame Baby schreien, er sehnte sich zurück ins warme Heim und an einen Herd, von dem aus man ihn bekochte. Seine Unternehmung war ihm mühselig, seine Knochen taten ihm weh, er hatte sich bereits Keuchhusten eingefangen und der Winter nahte außergewöhnlich früh dieses Jahr. Am 20. Morgen seiner Reise fing ein übler Schneeregen, begleitet von einem starken Wind, an, über sein Lager zu ziehen, schnell packte Forgh zusammen und flüchtete in einen angrenzenden Höhlenkomplex, in dem er in der zweiten Woche seiner Reise bereits erfolglos nach Gold gegraben hatte und in dem er noch einigen Vorrat verstaut hatte. Forgh schlug sein Lager also in einer am Eingang gelegenen Höhlen auf, machte dort ein Feuer, trocknete seine Kleider darum und schaute aus einiger Entfernung in die Flammen. Nach wenigen Augenblicken schien er etwas Glitzerndes an einem der Holzscheite erspähen zu können, und er nahm jenes Stück Holz aus dem Feuer heraus, löschte es mit etwas Wasser und fand, nachdem der Rauch sich verzogen hatte, eine Kette aus einem ihm unbekannten Metall, etwas, das goldartig glänzte und ihm um das Handgelenk passte. Diese scheinbare Verwendung just erprobend, also er legte sich die Kette um den unteren Teil des Unterarms, überraschte ihn nun eine Stimme, die aus dem Feuer sprach:
„Du hast mich gefunden, gut oder auch nicht ... wir werden sehen!“
„Gefunden? Was habe ich gefunden?“
„Mich.“
„Und wozu kann ich dich gebrauchen? Ich meine, du sprichst aus dem Feuer, das ist schonmal besonders, aber was kannst du? Oder was willst du sogar von mir?“
„Ich bin der Geist des Berges, winzig klein unter großem Gestein und warte darauf, dir einen Wunsch zu erfüllen. Doch spute dich, ich habe nicht viel Zeit, denn wenn das Feuer erlischt, erlischt auch die Möglichkeit, dir einen Wunsch zu erfüllen.“
Forgh wurde hektisch und rannte um sein Lager herum.
„Nun, ein Wunsch, ein Wunsch nur, doch welchen ... hah, ich hab´s gleich, warte...“
Mit einem Satz sprang Forgh auf, nahm den längsten Scheit aus dem Feuer, etwas, das ihm als Fackel dienen sollte, und ging tiefer in die Höhle. Der Mann irrte durch die Gänge, schien dabei irgendeinen Plan zu verfolgen, teilte dies aber nicht weiter mit, nur ab und zu brachte er ein „gut“ oder ein „schlecht“ hervor und hatte sich alsbald soweit vom Feuer entfernt, dass er es nicht länger brennen sehen konnte. Es verging eine gewisse Zeit, in der Forgh weiterhin mittels seiner Stimme etwas Geeignetes zu suchen schien, bis der Geist schließlich von weit her aus der Höhle sprach:
„So, die Zeit ist um, das Feuer ist erloschen.“
Forgh, den Tränen nahe, aus höchster Konzentration in eine Sinnlosigkeit zurückgeworfen, fing an zu stottern, brach aber kein Wort heraus. Als ihm eine Träne über die Wange lief, wurde er wütend und warf seine Fackel gegen eine Wand, schlitterte unbeholfen ein paar Meter weit, einen steilen Abhang herunter und rief erbost:
„Lügner! Die Fackel brennt noch, siehst du sie, sie ist Teil jenes Feuers, das du mir versprachst.“
Einige Sekunden war es still, als Forgh gerade weiter wettern wollte und sich einen Weg aus dem Höhlenkessel in den er gefallen war, bahnen wollte, meldete sich der Geist erneut zu Wort:
„Lügner? So schimpfst du mich? Nun gut, ich werde dir einen Wunsch erfüllen. Sag ihn mir. Sofort.“
Forgh begann abermals zu stottern, und brachte schließlich hervor:
„Mache mir diese Höhle aus purem Gold!“
„So sei es!“, antwortete der Geist ein letztes Mal.
Die Erde, unter Forghs Füßen, wurde schlagartig etwas weicher, etwas sehen konnte er nur schwerlich, denn es mangelte an Licht, doch der Mann ahnte, dass alles um ihm herum aus dem versprochenen Gold sein müsse; schnell rannte er zu einer der Wände des ihm umgebenen Kessels und versuchte diese zu erklimmen. Doch entweder rutsche ihm der Griff am Gestein ab, oder die ganze Substanz wurde herausgerissen und rollte über ihn hinweg. Er versuchte es immer wieder und an verschiedenen Stellen, doch der weiche Stein, das wirklich pure Gold, wollte und sollte nicht halten, es bog sich und bröckelte aus den Wänden, die er zu erklimmen hatte. Seine Hände rochen an den Fingerkuppen bald nach Blut, das bemerkte er, als er sich seine laufende Nase damit abwischte, während er das ganze Gold an den Händen nicht wahrnahm. Der Keuchhusten machte sich nun wieder bemerkbar und er trat an einigen Stellen wütend an die Wände des Höhlenkessels, wobei er bemerkte, wie die Beine und Füße ihm schwer in einer strahlenden dickklumpigen Masse waren. Bald nahm Forgh seine letzte verbliebene Kraft zusammen, um mit wilden verzweifelten Armbewegungen an Höhe zu gewinnen, doch alles, was ihm ins Gesicht fiel, schien Gold, Gold und nochmals Gold. Und gerade als er meinte, nun hochwärts zu kommen, fiel ihm erst der Brocken unter seinen Füßen ab, dann der Brocken, an den er seine Hände klammerte, und so stürzte er aus einiger Höhe zu Boden, während ein großer Block Gold, von oben herab, ihn unglücklich am Kopf traf und nachfolgend seinen dahinscheidenden Körper begrub, der sich jäh an jenen Brocken klammerte, welcher ihn just erschlug. Der Geist des Berges fing daraufhin wild an zu grölen und den toten Mann für dessen Unbeholfenheit zu schelten, um dann zu lachen, und dies derart laut, dass der Bergeingang zum Höhlenkomplex sich schließlich schloss.


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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (23.06.25, 09:13)
Der unglückliche Ausgang passt zu dem spannend erzählten Märchen.

LG
Ekki

 Moppel meinte dazu am 23.06.25 um 10:49:
ui, einmal Looser, immer Looser... Das Problem des Mannes war, dass er seinen Gripps nicht einsetzte, sich zunächst nicht entscheiden konnte und dann die Folgen seiner unüberlegten Wunschäußerung nicht absah.
Das Märchen sagt uns, dass es eben nicht das Schicksal ist, das uns letzendlich zu Verelendung führt, sondern unser eigenen persönliches Fehlverhalten.
Schicksalschläge ( er fand kein Gold) gibt es, abr wie man damit umgeht, das ist letzendlich ausschlaggebend.
Lehrreich und gut geschrieben, Sascha. Schau noch mal über die Rechtsschreibung. ;)Hab paar Tippfehler bemerkt.
lG vn M.

Antwort geändert am 23.06.2025 um 10:51 Uhr

 S4SCH4 antwortete darauf am 23.06.25 um 11:12:
Es ist auch etwas von einem Antimärchen daran, der unglückliche Ausgang, und die „Looserhaftigkeit“ von der Moppel bereits schrieb. Sie sind ja eher untypisch für ein „klassisches“ Märchen. Ganz so rigoros wie Moppel würde ich es aber nicht sehen, also das mit dem Fehlverhalten. Wie oft lässt sich mit der reinen Aussicht auf Gewinn, etwas nicht entscheiden, man träumt zu sehr, ist in Gedanken mit den Möglichkeiten beschäftigt, bis dann schließlich „der Ofen aus scheint“. Auch wenn man dann noch hartnäckig daran festhält, meinte eine letzte Chance zu bekommen, stellt ich dieses dann oft sehr „schicksalshaft“ als der eigentliche Genickbruch dar.
Loslassen zum richtigen Zeitpunkt, sich nicht auf etwas Glücksglücksversprechendem an seiner Arbeit versteifen, aber seiner Arbeit trotzdem und wie gewohnt nachgehen (auch wenn das Glück auszubleiben scheint). Es ist schwer dem vielversprechendem Glück zu entsagen, da wo man lange Zeit Pech hatte, man denkt: „Nun bin ich dran, it´s my turn“ usw.
Danke für euer Feedback zum Text. Was die Rechtschreibfehler betrifft, so habe ich ein oder zwei Fehler gerade ausgemerzt (oder „weggekanzlert“), Lol, der war gut nicht wahr? Also, danke und viele Grüße von Sascha

 AchterZwerg (23.06.25, 12:00)
Ja, ja,
erfüllt sich ein Wunsch irgendwann, kommt das zuweilen ungelegen. 
Gerade bzgl. Gold, Rheinmetallaktien oder der Gunst williger Weiber ...  8-)

 S4SCH4 schrieb daraufhin am 23.06.25 um 12:37:
Dem/ der Ewigbeschäftigten kommt doch immer alles ungelegen, ständig "hätte, hätte, hätte"... die immerendlose Leier von der Fahrradkette. 
Im Übrigen scheine ich persönlich - leider(?) - von deiner skizzierten Dreifaltigkeit nicht den blassesten Schimmer zu haben, das sind alles böhmische Dörfer für mich. Falls du mir die Sache aber nahbringen magst, sende bitte einfach dieses öminöse wW (deiner Wahl) in einem Goldkleid und mitsamt einer Tasche aus RM Aktien an: Leierkastenmann Sascha, Fahradkettenstraße (Hausnummer ist sie komplett ausgeschriebene Kreiszahl Pi), in Hammerradshausen. Danke.

 AchterZwerg äußerte darauf am 23.06.25 um 15:11:
Nach Hammerradshausen versende ich grundsätzlich keine Post!  :P
Wer dort wohnt hat es nicht anders verdient und sollte ein m durch st ersetzen.
Denn Hamster sollen, neben den Finnen, zu den glücklichsten Wesen überhaupt gehören! Obwohl sie völlig ohne schädliche Kaltgetränke auskommen müssen. Und sehr arbeitsam sind.

Schöne Grüße aus Komotau (Landkreis Böhmen)

 S4SCH4 ergänzte dazu am 23.06.25 um 15:16:
Oh je, dann bleib ich mit dem Fehlerteufel wohl allein... :(
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