Und...
Text
von Saudade
... während ich beim Arzt wartete, es war extrem heiß, zwei Ventilatoren bewegten sich hin und her, wartete ich lange, las in meinem Buch, es war "Erste Liebe" von Turgenjew, war vertieft, waren viele Menschen vor mir, ich wurde eingeschoben, hatte keinen Termin, doch, schon, aber einen kurzfristigen, das gab keine Rechte zum Protest, da las ich eben Turgenjew, war vertieft, fand die Göre in dem Buch ärgerlich, erinnerte sie mich doch sehr an mich, wobei ich mich jetzt davon distanziere, aber keiner bekommt gerne einen Spiegel vorgesetzt, niemand, es passiert jedoch immer wieder, das dachte ich, war vertieft, naturgemäß extrem vertieft, wenn eine Geschichte gut ist, wurde regelrecht hineingezogen in die Geschichte, Turgenjew schreibt nun wirklich gut, aber Sinaïda ärgerte mich, der Kerl war ja wirklich in die Göre verliebt, wie schön, die männliche Verliebtheit zu lesen, da ist kaum ein Unterschied zur ersten großen Liebe beim weiblichen Geschlecht, das dachte ich, las gebannt, schaute nur hie und da auf, das Wartezimmer war dann nur noch halbvoll, auch halbleer, je nachdem wie man es sehen will, las weiter, hörte und sah nichts mehr, die Ventilatoren bewegten sich, es hatte wenig Sinn, mir scheint es waren welche von Dyson, vielleicht ein Nachbau, aber vermutlich Dyson, die Funktion der formschönen Hässlichkeit war kaum zu spüren, das dachte ich, es war vielleicht zu heiß und zu viele Körper im Raum, auch Turgenjews Sinaïda, die auch, jedoch in meinem Kopf.
Und während ich so las, Zeitungen greife ich beim Arzt nicht an, das sind Bakterienschleudern, echte und ekelhafte Krankmacherblätter, obwohl manchmal interessant, jedoch nicht angreifbar, niemals, da muss man ja wahnsinnig sein, ja, ein Wahnsinniger, wenn man die angreift, außer man ist todesmutig sowie keimresistent, dann kann man sie angreifen, vielleicht auch bereit dem Leben ein Ende zu setzen, dann greift man Zeitungen in Wartezimmern an, nein, so weit bin ich noch nicht, da lese ich lieber ein Buch, also, während ich so las, der Gesundheit zu liebe, die jedoch gerade nicht gesund ist, sonst hätte ich mich nicht einschieben lassen, nein, war ich mit dem Protagonisten des Buches, der verliebt ist, so sehr, dass er schon richtig arm zu nennen ist, mitverliebt, so verliebt, dass ich seufzte, weil das Verliebtsein zum Seufzen zwingt, seufzte also, nur die Eifersucht, die ist mir fremd, eifersüchtig ist der Protagonist, aber, ich konnte es verstehen, denn Turgenjew zeigte das Mädchen als umworbene Göre, wenngleich niemals auf den Mund gefallen, saß ich und las, war vertieft, plötzlich sah ich auf, das Wartezimmer war leer, die Sprechstundenhilfe sah mich an, sagte: "Wären Sie dann soweit?", ich errötete, ich erröte selten, aber da errötete ich, stand auf, nickte, nahm das Buch und meine Tasche und ging zum Arzt hinein, der die Tür sperrangelweit offen hatte, da lächelte er, sagte: "Sie waren so vertieft, wir wollten Sie nicht stören."
Ich lächelte, sagte: "Entschuldigen Sie!"
Da winkte er ab, sagte: "Ich kenne das."