Das Schwein und das Nichts

Ein prunkvoll eingerichetes Zimmer im Biedermeierstil mit Seidenteppichen. Lindgrüne Vorhänge aus Brokat, hübsch links und rechts zusammengebunden. Ein Sofa in der Mitte. Eine Frau sitzt darauf und stickt. Den Stickrahmen legt sie beiseite als ein junger Mann eintritt. 

Er (lächelt): "Marie!"

Sie (seufzt): "Eduard!"

Er stürzt zu ihr und geht vor ihr auf die Knie, nimmt ihre Hände in seine und führt sie zu seinem Mund, bedeckt ihre Handrücken mit heißen Küssen.

Sie zieht die Hände schnell zurück, sagt: "Genug! Wie geht es Ihnen?"

Er steht auf und setzt sich neben sie, sie rückt manierlich etwas von ihm weg und dreht ihren Oberkörper in seine Richtung.

"Ausgezeichnet! Ich war gerade bei meinem Verleger, er bringt mein Buch!"

Sie gluckst entzückt auf.

"Was? Das sind ja großartige Neuigkeiten! Die Metaphysik des Leims!"

"Des Schweins!" korrigiert er sie.

"Ach ja! Wie konnte ich nur! Erzählen Sie mir davon!" sagt sie fordernd.

In dem Moment geht die Türe auf, eine Dame reiferen Alters im Dienstfrauenkleid kommt herein. Sie hat ein silbernes Tablett in der Hand mit Teegeschirr und einer Kanne dampfenden Tee. Sie geht zu den Herrschaften und stellt das ganze Ensemble auf den Beistelltisch. 

"Greta, sie werden auch immer jünger," sagt Eduard.

Greta lächelt wie ein junges Mädchen, macht eine ungeschickte Verbeugung und geht ab. 

Marie schenkt Eduard den Tee ein. 

Marie: "Jetzt erzählen Sie schon, ich kann mir kein spannenderes Thema vorstellen!"

"Ich habe herausgearbeitet, ob das Schwein sich seines Seins bewusst ist oder ob es einfach nur seines Schweinedaseins fröhnt."

"Sehr interessant," sagt Marie, "Glaubt denn eigentlich ein Schwein an Gott?" fragt sie.

"Nun, Marie," sagt Eduard ernst und mit nachdenklicher Miene, "ich komme zu dem Schluss, dass das Schwein sich seines Daseins bewusst ist, es weiß, dass es ein Schwein ist, also könnte es auch an Gott glauben." 

"Könnte? Tut es jetzt oder nicht?" fragt Marie angestrengt.

"Nun, so einfach ist das nicht zu beantworten, das Schwein, bei aller Liebe, kann ja nicht reden," antwortete Eduard.

"Ach, Eduard, mein Liebster! Sie sind ja so intellektuell!" sagt Marie im entzückten Ton.

"Ja, das haben mir schon viele gesagt. Aber, ich verrate nur Ihnen, meine Liebste, ich bin viel intelligenter als alle Anderen um uns!" sagte Eduard stolz.

"Was ist denn Ihr Geheimrezept, Allerliebster?" Marie schaut lieb drein. 

"Wenn ich es Ihnen verrate, ist es ja kein Geheimnis mehr!" säuselt Eduard zurück und führt die Tasse zum Mund.

"Mir können Sie es doch sagen, liebster Eindringling in mein Herz!" schmeichelte Marie und dreht mit dem Finger an ihren Locken.

Eduard ist betört davon und wird rot. 

Er sagt: "Na gut, weil es Sie sind! Ich verwende Wörter, die ein normaler Bürger nicht versteht, dann bin ich viel intelligenter als alle Anderen!"

"Ach!" Marie greift sich an ihr Herz "Mir wird ganz warm! Wie intelligent sind Sie!" Sie fächelt sich mit der Hand Luft zu. 

Eduard sieht besorgt zu ihr, rückt näher, küsst sie leidenschaftlich.

Marie sinkt in seine Arme. 

Eduard lässt von ihr ab und fragt: "Marie! Wollen Sie, nein, willst Du die andere Unterschrift unter unserem Ehevertrag sein? Willst Du kontrahieren?" Er sinkt vor ihr auf die Knie.

"Aber nur, wenn Sie, nein, Du, einen zweiten Teil der Metaphysik schreibst!" mahnt sie ihn.

"Schon längst geschehen! Es heißt "Prolegomena zu einer jeden künftigen Schweinemusik, die ich jedem aufdränge, weil ich nicht anders kann und die als Wissenschaft auftreten muss" sagt Eduard nicht ohne Stolz.

Marie seufzt vor Erregung und schreit fast das "Ja, ich will."

Vorhang fällt.