Während ich meinen Blick nicht von der Art Deco -Anrichte in glänzendem Schwarz abwenden konnte, das sind Gegenstände, wo Omas Spruch "Man schaut mit den Augen" oberstes Gebot ist, ich dennoch fast schon den Zwang habe, das Möbelstück zu berühren, es zu streicheln, es dennoch tunlichst unterlasse, kam ein Verkäufer, der wie ein Bestatter aussah, auf mich zu und stellte sich neben mich, reichte mir ein Paar weiße Handschuhe und lächelte, blieb aber stumm. Ich sah ihn nicht an, bedankte mich leise, zog sie an und ging nah an das Möbel heran, dann legte ich die Hand auf die Oberfläche und strich sanft darüber.
Der Verkäufer, nun ein paar Schritte rückwärts gewichen, sagte mit leiser, sehr angenehmer Stimme: "Es ist ein Jammer. Die Preise sind in den letzten Jahren in den Keller gefallen. Der Wohnstil hat sich geändert."
Ich schwieg. Mich nahm die Anrichte magisch in ihren Bann. Dann sagte ich: "Das ist auch sehr pflegeintensiv."
"Aber nein, gnädige Frau, abstauben und ein Spülmittel!" protestierte er. "So, so," sagte ich.
"Von wann ist die Anrichte?" fragte ich.
Er sagte, sie sei aus dem Jahr 1920.
"Was heißt: Die Preise sind in den Keller gefallen? Vous me comprenez," fragte ich. Er lächelte. Er nannte mir den fünffachen Preis von Vierstellig. Ich schluckte. "In den Keller...!" sagte ich zynisch. "Tja", sagte er, "ein Jammer."
Er deutete eine leichte Verbeugung an und ging einem Kunden entgegen, der gerade das Geschäft betreten hatte. Ließ mich vor der Anrichte stehen.
Ich blieb noch länger davor stehen. Schüttelte dann den Kopf, zog die Handschuhe aus, ging zum Ausgang, verabschiedete mich von dem Herrn und ging.
Die Straßenbahn kam länger nicht, wie so üblich im Sommer. Ich ging ungeduldig hin und her.
Endlich kam sie, ich stieg ein. Gerade als die Türen sich schließen wollten, ging ich wieder hinaus. Blieb stehen und sah zu wie die Straßenbahn abfuhr. Ich drehte mich um, ging zurück in das Geschäft, der Verkäufer war allein, sein Mund deutete ein verschmitztes Lächeln an. Er sagte: "Wir kommen alle nicht gegen ein unbändiges Verlangen an."
Ich sagte: "Gehen Sie heute mit mir Essen?"
Er lächelte, nickte.
"Ach ja, und die Anrichte kaufe ich auch."
