Nicht mit Lieselotte!

Kurzgeschichte zum Thema Missgunst

von  Citronella

Es kam fast einer Majestätsbeleidigung gleich, was Lieselotte Limmerding sich da geleistet hatte, das war ihr klar. Aber niemals hätte sie auf so einen Angriff vom alten Lotterbeck schweigen können.

Dem mürrischen alten Herrn war sie schon länger ein Dorn im Auge gewesen – jedenfalls seit dem Tag, an dem sie seine Einladung auf ein Glas Wein abgelehnt hatte. Sie wollte hier im Haus keine näheren Bekanntschaften knüpfen, schon gar nicht mit dem etwas ungepflegten Lotterbeck, der nun ganz und gar nicht ihrem Niveau entsprach. Ihre Ablehnung musste die Runde im Haus gemacht haben, denn nach und nach wurde das Grüßen im Treppenhaus immer reservierter. Lotterbeck, der langjährigste Mieter im Haus, hatte die Mitbewohner im Griff. Niemand wagte es, gegen ihn aufzubegehren, und aus seiner Position auf dem windigen Balkon im Hochparterre entging ihm sowieso nichts.

Und dann kam die Geschichte mit der Wäsche! Lieselotte benutzte wie alle Parteien im Haus die Wäscheleine in dem kleinen Garten hinter dem Haus. Letztens hatte sie mal wieder eine größere Aufräumaktion im Kleiderschrank gestartet und sich entschlossen, vieles, das schon länger lag, einmal durchzuwaschen, darunter etliche durchaus aufreizende Dessous. Lotterbeck konnte zwar nur vom Küchenfenster aus den Garten einsehen, hatte sich aber dennoch aufgeregt, was denn das für eine Art sei, solche Wäsche würde doch wohl eher in gewisse Etablissements passen und nicht in einen öffentlichen Garten gehören, und und und. Dies hatte er ihr laut und deutlich im Treppenhaus vorgeworfen, worauf auch noch der zufällig vorbeikommende alte Hintersteiger Erwin aus dem 1. Stock in dieselbe Kerbe haute. Da hatte Lieselotte aber gekontert! Wie lange die beiden alten Hanseln denn schon keine Damenunterwäsche mehr gesehen, geschweige denn angefasst hätten und so. Rein zufällig kam gerade die zänkische Wimmer Traudl vom Einkaufen. Ihr generell eisiges Schweigen Lieselotte gegenüber verbot ihr allerdings, in die Unterhaltung mit einzusteigen, aber ein süffisantes Grinsen im Vorbeigehe konnte sie sich dennoch nicht verkneifen.

Lieselotte ließ die beiden verdatterten Alten stehen und stieg in ihre geräumige Penthouse-Wohnung im 3. Stock. Es war die größte Wohnung im Haus, und sie hatte mehr als einmal die erstaunte Frage beantworten müssen „Und Sie wohnen ganz alleine dort oben?“ Neid und Missgunst reichten heutzutage schon aus, um von einer eingeschweißten Gruppe ausgegrenzt zu werden.

Am Nachmittag setzte Lieselotte sich wie jeden Freitag in die Trambahn Richtung Grünwald. Maximilian von Schlick, ihr früherer Kollege und jetziger bester Freund, erwartete sie schon in seiner Villa. Sie würde ihm nie gestatten, sie mit seinem Luxusschlitten in ihrer bescheidenen Wohnstraße abzuholen. Aus gutem Grund.

Max und sie hatten früher gemeinsam in der Geschäftsleitung eines großen Verlagskonzerns gearbeitet. Das Penthouse gehörte übrigens Max. Aber das musste im Haus ja niemand wissen. Erst recht nicht, dass er ihr schon mehr als einmal angeboten hatte, zu ihm zu ziehen. Noch zögerte sie, und der Kontakt mit solchen Spießern wie Lotterbeck und Hintersteiger bot ja manchmal auch eine gewisse Unterhaltung.

Montags hängte sie wieder Reizwäsche im Garten auf. Sollte Lotterbeck sie noch einmal darauf ansprechen oder die Wäsche gar entfernen, wüsste sie schon, was sie tun würde. Ihre Kontakte zum Verlagshaus waren immer noch ausgezeichnet. Eine feine kleine Glosse für die Tageszeitung hatte sie schon im Kopf.



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