"Frieda von Richthofen", die Partnerin von D. H. Lawrence - ein Essay

Gedanke zum Thema Aufmerksamkeit

von  pentz

„Frieda von Richthofen“ Ihr Leben mit D.H. Lawrence. Lucas, Robert. DTV-Verlag München 1975



Frieda von Richthofen war die Frau von D. H. Lawrence, einer der bedeutendsten Schriftsteller dieses Jahrhunderts. Für mich ist D. H. Lawrence ein Schriftsteller – ich weiß ich begebe mich auf glattes Eis - „etwas zu sagen hat“, seine Geschichten sind mit vor allem mit Charakteren erfüllt. Die Literatur ist nicht verspielt, sondern erfüllt mit Leben, preisen den Menschen in der Natur an, schildern ihn als einen Teil derselben. Es kommt ihr nicht auf Magie, Verzauberung, im gewissen Sinne auf pour art pour art an, sondern um den Menschen. Zu ersteren Genre gehörte etwa Franz Kafka, „Der Prozess“, oder Gabriel Marques, „Hundert Jahre Einsamkeit“, die natürlich auch ihre Berechtigung, Reiz und Scharm haben. Mein Unterscheidung zum Literatur, die einem „verzaubert“ und diejenige, die einem „etwas sagt“ soll hier nur wertfrei verstanden werden.

Frieda Richthofen war bereits verheiratet, als sich beide trafen, hatte drei Kinder, einen angesehenen Professor-Ehemann mit großem literatur-fachlichen Ruhm. Warum verlässt eine wohlsituierte adlige Ehefrau im streng englischen Kulturklima ihren Mann für einen noch unbekannten dahergelaufenen Arbeitersohn mit Literaturaspirationen? Dass dies ein sehr gefährliches Unternehmen war hinsichtlich sozialer Versorgung und gesellschaftlicher Akzeptanz konnte jeder wissen, wer in England lebte anhand eines der tragischten Bespiele mit Oscar Wilde, dem niemals seine gesellschaftliche Entgleisung verziehen worden war und der ins Exil flüchten musste. Kaum eine Gesellschaft hat solch große Klassenbarrieren aufgebaut wie die englische.

Frau Frieda von Richthofen, adelig, heiratete von Deutschland nach England – ungewöhnlich. Ihr Bruder, ein gewisser Richthofen, war ein legendärer Flugzeugpilot-Held der Engländer, jeder Engländer, der von diesem deutschen Wüterich abgeschossen worden war, war stolz darauf - Engländer selbst durften keine englischen Heldenverehrung zelebrieren.

Frieda und ihre anderen Geschwister heirateten Männer, vor denen ihr nachgiebiger und großzügiger Vater stets ausdrücklich gewarnt hatte: „Ihr könnt heiraten, wen ihr wollt! … Vorausgesetzt, dass es kein Jude, kein Engländer und kein Spieler ist!“ Alle seine Töchter heirateten einer dieser Spezies. (S.19)

Die Eltern D. H. Lawrence kamen nicht minder auf kuriose Weise zueinander. Erstens waren sie aus völlig verschiedenen Klassen, die Mutter gehobeneren Standes, der Vater ein Minenarbeiter, und zweitens verliebte sich die Mutter trotz eindringlicher Warnungen ihrer Eltern in den berückend tanzenden, jungen, feschen Arbeiter. Jemanden zu heiraten, weil er so bezaubernd tanzen konnte, wäre auch heutzutage noch ein Borderline-Symptom. Entsprechend herrschte nach der Heirat eine eheliche Hölle, in der der Schriftsteller aufwuchs.

D. H. Lawrence, wie die meisten großen Denker und Persönlichkeiten, war als Kind sehr kränklich, aber soll späterhin von einer Aura umgeben gewesen sein, deren sich die wenigsten entziehen konnten – so wird es von Zeitzeugen beschrieben. Es scheint zu dieser Zeit und in diesen intellektuellen Kreisen ziemlich viel Mystizismus geherrscht haben, anders kann man sich nicht erklären, dass dieser D. H. Lawrence solch eine überwältigende Lichtgestalt gewesen sein soll. Visionär war er allerdings, der nach dem Ersten Weltkrieg und den exorbitanten Reparationszahlungen Grund genug darin sah, dass dies einen noch verheerenderen Zweiten Weltkrieg nach sich ziehen müsste, worin er ja recht gehabt hatte.

Seine Literatur liebe ich wie kaum ein andere - ich sage dies vorne weg. Aber er war ein „Blut-Visionär“, Aldous Huxley [„Schöne neue Welt“] hat ihn als einer der ersten Faschisten-Theoretiker bezeichnet. Dies trifft jedoch zu kurz, da D. H. Lawrence keinen Nationalboden propagiert, die meiste Zeit in den Staaten zugebracht hat und von einem utopischen Eldorado schwärmt. Dass aber die Familie einen wichtigen Faktor für das Individuum darstellt, dürfte wohl unbestritten sein.

Er hat mit „Söhne und Liebhaber“ einen eindringlichen Roman über die enge Mutter-Sohn-Beziehung geschrieben, der seinesgleichen sucht und dessen Sog man sich bei nachvollziehbaren eigenen AbGründen nicht entziehen kann. Aber ich erkenne in all seiner tiefgründigen, wahrhaften Literatur keinen allzu großen Blut-und-Boden-Mythos.

Wenn ein Mythos gepflegt wurde, dann der der Urgewalt der Sexualität, die sämtliche gesellschaftliche Konventionen sprengt. In einer rigiden Kultur um die Jahrhundertwende nicht nur Englands hatte er wohl recht gehabt. In einer eher aufgeklärten und libertären Gesellschaft heutzutage kann man daran nicht mehr glauben, wie wichtig in der Tat eine ausgeglichene Sexualität für das seelische Gleichgewicht und körperliche Gesundheitsempfinden sehr wohl ist.

Das Postulat der freien Liebe oder vielleicht besser der offenen Ehe fiel bei seiner Lebensgefährtin Frieda von Richthofen auf fruchtbaren Boden. Sie und er kannten keine Eifersucht und vor allem letztere genoss diese Freiheit mehr als er. D. H. Lawrence war nur in einer Hinsicht engstirnig: In seiner Forderung der Unterwerfung der Frau unter die Dominanz des Mannes. Aber Frieda von Richthofen ließ sich nicht zähmen. Für dieses Paar war das die Initialzündung permanenter heftigster Streitereien, deren immer wieder baldige liebevolle Versöhnungsszenen folgten, als nähmen sie diese im Grunde gar nicht wirklich ernst – für Außenstehende zum Kopfschütteln.




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