Manche Menschen glauben, mit allen Schweinereien im Leben ohne Konsequenzen durchzukommen: Lügen, betrügen, hintergehen, ausgrenzen, um nur einige zu nennen. Bis auch sie, manchmal durch einen kleinen unbedeutenden Vorfall, eines Tages erkennen müssen, dass es selbst für sie Grenzen gibt.
Karl-Friedrich Weitermann war einer dieser überheblich Selbstgerechten. Als Geschäftsführer einer kleinen deutschen Vertriebsgesellschaft innerhalb eines englischen Konzerns betrachtete er sich lange Zeit als unantastbar. Obwohl selbst nur Angestellter, fühlte er sich an keine festen Arbeitszeiten gebunden, behandelte seine Mitarbeiter, vor allem seine Sekretärin, wie seine persönliche Untertanen, die auch private Erledigungen für ihn vorzunehmen hatten. Selbst als wegen schlechter Geschäftsgänge erste Sparmaßnahmen von der Konzernleitung angeordnet wurden, gönnte er sich noch schnell einen neuen Firmenwagen. Über die einzuleitenden Sparmaßnahmen würde er später nachdenken.
Inge Drombarth, seit gut einem halben Jahr seine Sekretärin (sehr viel länger hatte es übrigens kaum eine zuvor mit ihm ausgehalten), ahnte schnell, was kommen würde: Personalabbau – natürlich hier wie überall nach der Devise „Last in – first out“. Weitermann überreichte ihr (und zwei weiteren Kolleginnen) die „betriebsbedingte“ Kündigung mit der lapidaren Bemerkung, dass sie bei ihrem Können sicher bald wieder etwas Passendes finden würde. Arbeitsrecht schien es in Weitermanns Welt nicht zu geben, auch weil er wahrscheinlich grundsätzlich alle anderen Menschen für dumm hielt.
Nicht dass Inge Drombarth besonders traurig über den Verlust dieses Arbeitsplatzes gewesen wäre, sie hätte es wahrscheinlich sowieso nicht mehr lange mit diesem Scheusal ausgehalten. Aber sie kannte ihre Rechte. Sie erschien am ersten Arbeitstag nach dem gekündigten Vertragsende zur Arbeit, bekundete ihre Bereitschaft zur Weiterarbeit und wurde wie erwartet nach Hause geschickt. Bei der bereits eingereichten Kündigungsschutzklage unterstützte sie ein befreundeter Anwalt und machte ihr durchaus Hoffnung auf eine Abfindung.
Der Termin beim Arbeitsgericht erfolgte kurzfristig. Weitermann kam ohne Anwalt und machte Inge Drombarth im Vorübergehen seine Enttäuschung über ihr Vorgehen deutlich, man sei doch schließlich immer so gut miteinander ausgekommen. Inge Drombarth ließ diese Frechheit unerwidert.
Trotz der nur relativ kurzen Beschäftigungsdauer folgte das Gericht dem Antrag des Anwalts auf eine ungewöhnlich hohe Abfindung. Der Richter hatte seine Ausführungen kaum zu Ende gebracht, als Weitermann wie von der Tarantel gestochen aufsprang und wortlos aus dem Saal stürmte. Er musste diese Niederlage, auch noch gegen eine junge Frau, als unerhört empfunden haben.
Inge Drombarth lernte daraus für ihr weiteres Leben: Es lohnt sich, für sein Recht zu kämpfen.