Gaumenfreude mal anders

Erörterung zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  eiskimo

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Wann habt ihr das letzte mal so richtig gewählt gesprochen? Ich meine ohne zu nuscheln, lexikalisch treffend, alles richtig fließend und noch mit schöner Satzmelodie?

Lange her? Bei mir auch. Aber ein, zwei leckere Bierchen hatte ich in der Zwischenzeit häufiger. Und das Entrecôte von der Plancha „à la minute“, das genoss ich auch, dazu Sauce à l´Epoisses und klar, die Grillkartoffeln leicht angebräunt - nur, um noch von gestern Abend zu schwärmen.

Was will ich damit sagen? Nun, dass unser Gaumen wahrscheinlich mehr dazu dient, lukullische Inhalte zu transportieren als verbale. Und dass dieser Feinschmecker-Sensor Anstalten macht, ein bisschen Nabel der Welt zu werden, der lukullischen Ersatz-Welt wohlbemerkt.

Lieferservice, Gourmettempel, Döner to go; in den Medien tummeln sich Sterneköche, Promiköche, Hobbyköche bei hoch gequirlten Kochduellen; die Werbung braucht die ausgekochtesten Tricks, uns täglich neue Gaumenfreuden zu versprechen, gut Essen scheint der einzige Weg zum Heil ...– kein Wunder, dass anderes völlig abgehängt ist. Dass wir zum Beispiel nie etwas von großen Sternesprechern, von Sprachduellen oder Artikulationsfreuden hören.

Dabei liegen Lippen, Zähne, Zunge und Stimmbänder gar nicht weit weg vom so einseitig bevorzugten Gaumen, und auch die vermitteln auf ihre Art Geschmack und Genuss.
Denn es sind außerordentlich fein justierte Sprechwerkzeuge, die tatsächlich in alle Richtungen agieren könnten – von subtil betörend bis laut und scharf attackierend. Sprache ist eine Kunst, vielfältiger und weit anspruchsvoller als die bruzzeligen Kochkünste.

Frage: Warum geht sie, diese reiche Sprachkunst, nicht viral mit ihrem ganzen Wortschatz und Klangzauber? Anstelle der immer gleichen Varianten von „Küche“, da wäre doch mal endlich der Reichtum von „Sprache“ angesagt. - ge-sagt, um im Bild zu bleiben, und nicht ge-kocht, ge-dünstet und schnell unter-ge-rührt!

Sagenhaft, was da an Lautmalerei, Wortspiel, Bilderreichtum und Musikalität zu entdecken wäre. Poesie à la carte, persönlich und unverwechselbar serviert von Feinsprechern, live oder auch als Mitschnitt vom Tonträger. Ja, und wir hätten diesen Hör-Genuss greifbar in allen Lebenslagen!

Wobei: Es bliebe ja nicht nur die Einbahnstraße wie beim Kochen – der Koch macht, der Gast konsumiert – nein, hier ist Dialog möglich. Sprache ist ein Austausch, und wir selber könnten sprachlich reagieren, selber unendlich kreativ werden.

Ach, was hätte ich jetzt Lust auf einen Zweizeiler mit vielen Nasalen drin , richtig kokett; Lust auf ein paar witzige Zungenbrecher; oder mal ein paar Schimpfworte in den Nachthimmel brüllen, was mit kantigen Doppelkonsonanten und rollendem R. Das wäre mal eine echte Gaumenfreude!




Anmerkung von eiskimo:

Ich nehme den Mund ganz schön voll, ich weiß. Es ist natürlich sprachlich gemeint.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (23.07.25, 05:54)
Die Zunahme  von Kochsendungen aller Art ist eine Beobachtung, die ich (ungern) teile. Erschwerend kommt hinzu, dass die Medienwelt offenbar gerade von ihren älteren Mitbürgern erwartet, sich ausschließlich dafür zu interessieren.
In ländlich geprägten Kleinstädten wird eher in Schnipo-Kneipen abgefüttert. - Insofern gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen Mangel an Kultur und schlechtem Essen.

Aber dieser Gedanke wird dir als eingeplacktem Franzmann nicht fremd sein.  :P

Und für die Poesie bleibt uns schließlich KaVau.  :) ;)

 eiskimo meinte dazu am 23.07.25 um 10:43:
Ich kann Dir nur in distinguierten Worten zustimmen. Wahre Befriedigung ist geistig, kalorienfrei.
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