Am Salto Angel

Anekdote zum Thema Abenteuer

von  Citronella

Wie gut, dass ich bei jener Reise vor 30 Jahren nicht im Voraus wusste, was alles auf uns zukommen würde.


Drei Wochen durch Venezuela – damals im Vergleich zu heute noch relativ sicher. Der Tourismus boomte. Wir hatten eine Rundreise mit möglichst vielen unterschiedlichen Stationen gewählt, um uns einen guten Eindruck dieses riesigen Landes machen zu können. Die Entfernungen waren natürlich nur per Flugzeug zu bewältigen. Unsere kleine Reisegruppe umfasste einschließlich Reiseleiter nur 10 Personen. Angenehm, dachte ich, bis ich am ersten Tag die kleine Maschine für die erste Etappe auf dem Rollfeld sah. In so einer kleinen Kiste war ich noch nie geflogen.


Innerhalb der nächsten Tage waren dann auch mal größere Flugzeugtypen dabei, bis der nächste Albtraum drohte: Eine Cessna stand für uns bereit, in die genau unsere Gruppe passte. Die kleinste der bisherigen Maschinen. Unser Reiseleiter nahm den Platz des Co-Piloten ein.

An diesem Tag sollte es nach Kavac, einer kleinen Ansiedlung unterhalb des Auyan Tepui im Canaima Nationalpark gehen. Es hieß, wenn das Wetter es erlauben würde, könnten wir einen guten Blick auf den Salto Angel werfen, den höchsten frei fallenden Wasserfall der Welt mit fast 1.000 m Höhe.

Wir waren gespannt. Noch war die Sicht ausgezeichnet, von meinem Fensterplatz hatte ich einen überwältigenden Blick auf den dichten Urwald unter uns. Wir näherten uns dem Tafelberg, der Salto Angel offenbarte sich in seiner ganzen Pracht. Die Cessna schien direkt auf ihn zuzufliegen. Edgar, unser quirliger Reiseleiter, diskutierte lebhaft mit dem Piloten, der nun etwas abdrehte und das Tempo zu verlangsamen schien. Just in diesem Moment prasselten dicke Regentropfen auf die Frontscheibe, der kleine Scheibenwischer hatte Mühe, die Scheiben freizuhalten. Wir bewegten uns nun so nah am Wasserfall, dass ich etwas hysterisch fürchtete, die Tragflächen könnten die Felswand berühren. Aber der Pilot schien sehr erfahren zu sein und hatte diese Tour sicherlich schon des Öfteren gemacht.


Es blieb glücklicherweise ein sehr kurzer Guss, die faszinierende Szenerie des hinunter donnernden Wassers war so überwältigend, dass wir gar keine zusätzliche Gefahr erkannten. Nach einigen Minuten landeten wir sicher auf der holprigen Schotterpiste von Kavac, wo ich mit leicht schlotternden Knien ausstieg. Erst eine Wanderung am Nachmittag zu einer kühlen Schlucht in der Nähe des Dorfes führte dann wieder zur völligen Entspannung.


Beim Abendessen im großen Rundbau des indigenen Dorfes hatte tatsächlich jemand Bier bereitgestellt, allerdings natürlich nicht besonders gekühlt - was dazu führte, dass eine Flasche beim unvorsichtigen Öffnen förmlich explodierte und meine komplette Kleidung durchnässte. „Cerveza bum bum!“, kommentierte einer der Dorfbewohner herzlich lachend. Es wurde nach so einem aufregenden Tag noch ein sehr (feucht-)fröhlicher Abend.


Ich musste heute an diesen Flug zum Salto Angel denken, als ich vom Absturz einer Cessna-Urlaubermaschine in Kenia mit 12 Toten las. Diese Maschine hatte wohl im Gegensatz zu uns keinen Schutzengel dabei.



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Kommentare zu diesem Text


 Wastl (28.10.25, 21:37)
Das ist aber schon eine besonders angenehme Art der Erholung vom anstrengenden Arbeitsalltag.  ;)

Liebe Grüße

Wastl

 Citronella meinte dazu am 28.10.25 um 22:17:
Ja, das ist wohl wahr, auch wenn so eine Reise manchmal kräftezehrend sein kann. Aber die gewonnenen vielfältigen Eindrücke setzen sich bis ans Ende aller Tage fest – und man zehrt immer noch davon, wenn man irgendwann nicht mehr reisen kann.

Liebe Grüße
Citronella
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